

Die letzte Telefonkonferenz ist nur wenige Stunden her, jetzt ist die Entscheidung gefallen: Die österreichische Signa-Gruppe des Immobilien-Investors René Benko übernimmt auch die neben der Premium- und Sportgruppe verbleibenden Warenhäuser von Karstadt. Wie der SPIEGEL aus Verhandlungskreisen erfuhr, wird Benko mit Beginn der kommenden Woche neuer Eigentümer der Karstadt Warenhaus GmbH, in der 83 Karstadt-Filialen gebündelt sind.
Grundlage für die Übernahme ist allerdings nicht die bisher vielzitierte Call-Option aus dem vergangenen Jahr, sondern eine neu ausgehandelte Vereinbarung, die die Übernahme von 100 Prozent vorsieht. Zusätzlich zieht sich der bisherige Karstadt-Eigner Nicolas Berggruen vollständig aus den Premium- und Sport-Bereichen zurück, an denen er über seine Berggruen Holding noch Minderheitsanteile besaß. Gleiches gilt für seine Immobilienbeteiligungen an einzelnen Karstadt-Häusern. Für all das fließt nach SPIEGEL-Informationen kein Geld.
Wenn man so will, fliegt Berggruen damit hochkant bei Karstadt raus - und es wird zumindest unter den Mitarbeitern kaum jemanden geben, der das bedauert. Der deutsch-amerikanische Milliardär hatte den Konzern im Jahr 2010 nach der Insolvenz für einen Euro übernommen. Gleichzeitig versprach er der Politik, den Gewerkschaften und der Öffentlichkeit vollmundig Investitionen in Millionenhöhe und eine Modernisierung der traditionellen Kaufhäuser.
Eingelöst wurde davon nichts, im Gegenteil: Über die Jahre sah sich das Unternehmen mit Sparprogrammen, Stellenabbau und einer völlig verfehlten Sortimentspolitik konfrontiert. Statt zu investieren, bestand Berggruen darauf, Karstadt müsse sich aus eigenen Mitteln sanieren, er selbst aber zog über die Markenrechte jedes Jahr Millionen aus dem Konzern ab. Obwohl er damit unmittelbar für die derzeitige desaströse finanzielle Lage des Konzerns verantwortlich war, lies er am Mittwoch noch erklären, mit der Übernahme "den Weg für einen Neuanfang bei Karstadt freizumachen".
Mitarbeiter müssen sich auf weitere Sparrunden einstellen
Dass Benko Interesse an Karstadt hat, war seit Langem ein offenes Geheimnis - zumal das Unternehmen ohne den Immobilieninvestor längst hätte Insolvenz anmelden müssen: Im vergangenen Herbst hatte Benko 75,1 Prozent des operativen Geschäfts der Premium- und Sport-Gruppe übernommen , und nur durch die erste Tranche des Kaufpreises von insgesamt rund 300 Millionen hatte man bei Karstadt die notwendige Liquidität, um das Geschäft am Laufen zu halten. Außerdem erklärten sich die Warenkreditversicherer vor wenigen Wochen nur deshalb bereit, die Einkäufe für ein weiteres Jahr zu gleichen Konditionen abzusichern, weil Benko ihnen garantierte, im Herbst die zweite Tranche des Kaufpreises zu überweisen.
Unklar ist allerdings, was Benko mit der Übernahme des Warenhausgeschäftes langfristig plant. Bislang hatte sich die Signa-Gruppe hauptsächlich auf Immobilien-Investments konzentriert, mit dem Kauf von Karstadt scheint der Österreicher jetzt erstmals ins Handelsgeschäft einsteigen zu wollen. Klar ist nur: An einer Sanierung des Unternehmens kommt kein Eigentümer vorbei, die Mitarbeiter werden sich also auf weitere Sparrunden einstellen müssen.
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Das Stammhaus von Karstadt in Wismar. Dort eröffnete Rudolph Karstadt 1881 sein erstes Geschäft und expandierte rasch. 133 Jahre später ist die Zukunft des Warenhauskonzerns offen.
Der österreichische Immobilienunternehmer René Benko übernimmt Karstadt ganz - und beendet damit die Ära des Milliardärs Nicolas Berggruen. Dieser hatte Karstadt 2010 für den symbolischen Preis von einem Euro aus der Insolvenz übernommen.
Karstadt-Filiale in Hamburg-Eimsbüttel: Nach dem überraschenden Abgang der Konzernchefin Eva-Lotta Sjöstedt im Juli ist die Zukunft des Warenhauskonzerns offen. Nun setzen die Mitarbeiter auf Benko als Retter.
Kein Retter: Auf dem Investor Nicolas Berggruen (2 v.r., hier mit Altkanzler Gerhard Schröder) ruhten zunächst große Hoffnungen, die er jedoch schnell enttäuschte.
Mangelnder Zulauf: Die einst so beliebten Warenhäuser leiden unter der wachsenden Konkurrenz durch den Internethandel.
Zukunftsangst als Grundgefühl: Bereits 2004 fürchteten Karstadt-Mitarbeiter in Berlin (Foto) und anderswo ein Aus der traditionsreichen Kette.
Untergangsstimmung: Im Jahr 2009 schlitterte der Karstadt-Mutterkonzern Arcandor in die Insolvenz. Wegen der Umstände der Pleite muss sich Ex-Chef Thomas Middelhoff inzwischen vor Gericht verantworten.
Protest bei Arcandor im Jahr 2009: Ob das Prinzip Warenhaus tatsächlich noch Zukunft hat, ist angesichts der aktuellen Karstadt-Krise äußerst ungewiss.
Schwarzsehen im Schaufenster: Vor dem möglichen Verlust der Karstadt-Filialen warnte man 2009 in Wiesbaden ebenso...
...wie in Freiburg. Bei Karstadt haben heute Investoren das Sagen.
Versorgungsfrage: Am Slogan dieser Karstadt-Mitarbeiterin in Hamburg ist etwas dran. Viele Produkte gibt es in Innenstädten fast nur noch in Warenhäusern - etwa Heimwerkerbedarf.
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