Staatliche Beihilfen Industrieländer sabotieren Abschied von der Kohle

Eigentlich wollen die G7-Länder beim Klimaschutz vorangehen. Doch sie finanzieren Kohleprojekte in aller Welt. Neue Zahlen zeigen: Deutschland ist vorn dabei.
Kohlekraftwerk Plomin in Kroatien

Kohlekraftwerk Plomin in Kroatien

Foto: imago

Im östlichen Istrien gibt es ein Bauwerk, das nicht zur Schönheit anderer kroatischer Küstenabschnitte passt: Überragt von einem gewaltigen Schornstein verbrennt das Kraftwerk Plomin hier seit mehr als 40 Jahren Kohle. Unter dem Namen Plomin C ist ein Ausbau geplant, der die Kapazität mehr als verdoppeln würde.

Kroatische Umweltschützer protestieren gegen das Projekt, das ihrer Ansicht nach allen Klimaschutzbemühungen des Landes zuwiderlaufen würde. Dennoch könnte der Ausbau kommen - mit Unterstützung aus Deutschland. Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE prüft der Kreditversicherer Euler Hermes einen Antrag, den Ausbau von Plomin C mithilfe einer sogenannten Hermesdeckung zu finanzieren. Solche Bürgschaften übernimmt die Allianz-Tochter im Auftrag der Bundesregierung, die damit seit Jahrzehnten den Außenhandel fördert.

Plomin C steht für ein größeres Problem. Zwar hat Deutschland gemeinsam mit den übrigen G7-Ländern vor einem Jahr den vollständigen Abschied von kohlestoffhaltigen Energieträgern angekündigt und sich beim Uno-Gipfel in Paris zu ehrgeizigen Klimazielen bekannt. Doch mithilfe öffentlicher Gelder aus den G7-Ländern werden bis heute Kohleprojekte in aller Welt finanziert. Das zeigt eine Studie von sechs internationalen Umweltschutzorganisationen, unter ihnen der World Wildlife Fund (WWF), die an diesem Dienstag vorgestellt wird.

Demnach haben die G7-Staaten zwischen 2007 und 2015 mehr als 42 Milliarden Dollar für Kohleprojekte bereitgestellt, sowohl in Form von direkten Finanzierungen als auch über Garantien, technische Unterstützung und andere Hilfen für Kohlekraftwerke oder -bergwerke. Mehr als die Hälfte der Summe kommt aus Japan, wo am Donnerstag der diesjährige G7-Gipfel beginnt. Auf Platz zwei folgt Deutschland mit knapp neun Milliarden Dollar (siehe Grafik). Zu einem Zeitpunkt, "da die Weltgemeinschaft ihre Ressourcen im Kampf gegen den Klimawandel bündeln muss, nutzen Regierungen knappes öffentliches Geld, um das Problem zu verschärfen", kritisieren die Autoren.

Zwar haben sich alle G7-Staaten mittlerweile auf verschiedenen Ebenen zur Einschränkung der Kohlefinanzierung verpflichtet - unter anderem über die Industrieländerorganisation OECD und multilaterale Banken wie die Weltbank oder die Europäische Investitionsbank. Das trug laut Studie dazu bei, dass die Investitionen in jüngster Zeit zurückgingen - von 6,3 Milliarden im Jahr 2013 auf 2,5 Milliarden im vergangenen Jahr.

Doch die Autoren misstrauen diesem kurzfristigen Trend. Sie verweisen darauf, dass die öffentlichen Angaben zur Finanzierung von Kohleprojekten oft unzureichend seien. Dadurch seien ihre Berechnungen, die auf der Auswertung von mehr als 600 Projekten beruhen, vermutlich noch untertrieben. Zudem gebe es allein in Japan Pläne für weitere Kohleprojekte im Umfang von rund zehn Milliarden Dollar.

Teilweise wird die Kohlefinanzierung der Untersuchung zufolge auch nur verlagert: Weg von multilateralen Banken, die sich bereits zum Kohleausstieg verpflichtet haben, hin zu bilateralen Institutionen wie Exportkreditagenturen. Zu denen gehört auch Euler Hermes, das nach der japanischen Entwicklungsbank auf das zweitgrößte Volumen an Kohlefinanzierungen kommt. Auf Platz sieben folgt die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die über ihre Tochter IPEX ebenfalls die Exporte deutscher Unternehmen unterstützt (siehe Grafik).

Die Zahl von 2,5 Milliarden "können wir bestätigen", heißt es auf Anfrage bei der KfW. Die Bank verweist darauf, dass sie Vorgaben der Bundesregierung befolgt und sich 2015 neue Leitlinien für die Förderung von Kohlekraftwerken gegeben hat. Solche Finanzierungen hätten seit 2010 nur noch 1,4 Milliarden Euro ausgemacht, Investitionen in Umwelt- und Klimaschutz dagegen rund 160 Milliarden Euro.

Aus dem für Hermesdeckungen zuständigen Wirtschaftsministerium heißt es hingegen, man könne die Angaben "nicht nachvollziehen". Richtig sei, dass von 2007 bis 2015 Kohlekraftwerksprojekte in Höhe von 3,2 Milliarden Euro abgesichert wurden. Zugleich seien Projekte bei erneuerbaren Energien von gut sieben Milliarden Euro abgesichert worden. Auch habe Deutschland in der OECD "dafür gesorgt, dass die Exportfinanzierung für Kohlekraftwerke massiv eingeschränkt und auf Effizienz ausgerichtet wurde".

Doch wieso finanziert Euler Hermes überhaupt noch Kohleprojekte? Immerhin hat die Muttergesellschaft Allianz im vergangenen Jahr unter großem Aufsehen ihren weitgehenden Ausstieg aus der Kohlefinanzierung bekannt gegeben……. "Hier geht es um unternehmerische Entscheidungen, zu denen sich die Bundesregierung generell nicht äußert", teilt das Ministerium mit.

"Die Regierung wirft Überzeugungen über Bord"

Die Studienautoren weisen allerdings darauf hin, dass die Exportkreditagenturen der USA und Frankreich bereits Einschränkungen für die Kohlefinanzierung beschlossen haben, Deutschland und Japan dagegen nicht. "Es ist enttäuschend, dass die Bundesregierung, die sich gerne als Klimaretter präsentiert, bei Exporten ihre Überzeugungen über Bord wirft", sagt Regine Richter von der Umweltschutzorganisation Urgewald, die an der Studie beteiligt war.

In Berlin wird das anhaltende Engagement für die Kohle auch mit humanitären Motiven erklärt - schließlich galten erneuerbare Energien lange als Luxusgut, das sich nur Industrieländer leisten können. Doch dem Bild von Kohlekraftwerken als Hilfe für die Ärmsten widerspricht die Studie deutlich. Die größten Empfänger der Finanzhilfen aus G7-Ländern waren die aufstrebenden Schwellenländer Südafrika und Indien, gefolgt von den Philippinen. Auf Platz vier liegt das Industrieland Australien.

In den neun untersuchten Jahren habe die G7 kein einziges Kohlekraftwerk in einem besonders armen Land wie Kambodscha oder Tansania gebaut, kritisieren die Autoren. Dabei seien dies die Länder mit den größten Energiesorgen. "Das widerspricht jeglichen Behauptungen der G7-Regierungen, wonach ihre öffentliche Finanzierung von Kohle die Energieversorgung der Ärmsten verbessern wird."

Auch in Deutschland sind laut einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Grünen derzeit keine Hermesbürgschaften für Kohleprojekte in besonders armen Ländern geplant. Demnach sind Garantien im Umfang von 530 Mlllionen Euro in Bearbeitung. Rund die Hälfte entfällt auf Kroatien, der Rest auf Projekte in Kasachstan, Südafrika, Griechenland und Russland.

Eine schnelle Zusage für Plomin wird es aber offenbar nicht geben. "Da es zurzeit keine akzeptable Finanzierungsstruktur gibt, liegt die Antragsprüfung auf Eis", heißt es aus dem Wirtschaftsministerium, das gelte auch für die Umwelt- und Sozialprüfung. Man stehe zu dem Thema im Kontakt mit Nichtregierungsorganisationen. "Die Bundesregierung nimmt die Hinweise der NGOs ernst und geht diesen im Rahmen einer möglichen Prüfung nach."

Zusammengenfasst: Die G7-Staaten haben laut einer Studie von Umweltschutzorganisationen zwischen 2007 und 2015 mehr als 42 Milliarden Dollar für Kohleprojekte bereitgestellt. Besonders hoch war der Anteil von Japan, Deutschland folgt trotz verschärfter Richtlinien auf Platz zwei. Derzeit wird eine sogenannte Hermesdeckung für den Ausbau des kroatischen Kraftwerks Plomin geprüft.

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