Zweifel an Nachhaltigkeitsstrategie Die Klimatricks der Deutschen Bank

Die Deutsche Bank hat sich nach harscher Kritik eine grüne Strategie verpasst - "aus tiefster Überzeugung", wie der Vorstand versichert. Trotzdem verdient der Konzern munter weiter an fossilen Energieträgern.
Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt am Main: Nachzügler in Sachen Nachhaltigkeit

Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt am Main: Nachzügler in Sachen Nachhaltigkeit

Foto: Arne Dedert/ picture alliance/dpa

Es waren harte Worte, die sich die Manager der Deutschen Bank auf der letzten Hauptversammlung im Mai 2019 anhören mussten. Das Geldinstitut habe den "schlechtesten Aufsichtsrat der Geschichte der Bank", sagte ein Investor, eigentlich sei das Haus ein "Übernahmekandidat", ärgerte sich ein anderer. Dann kam die Klimaaktivistin Luisa Neubauer und nannte die Bank einen "Mittäter der Klimakrise". Sie sei einer der größten Financiers der Kohleindustrie in Europa und ermögliche Unternehmen die Ölsuche in der Arktis. Die Bank, so Neubauer, gehöre zum "traurigen Klub der Gestrigen".

Bei Bankchef Christian Sewing scheint die Schelte Spuren hinterlassen zu haben. Nicht mal ein Jahr später und kurz vor der Hauptversammlung am Mittwoch hat er der Bank erstmals messbare Ziele verordnet, um das Geldhaus ergrünen zu lassen: Bis Ende 2025 soll das Volumen an Finanzierungen und Anlagen, die ökologisch und sozial verträglich sind und guter Unternehmensführung genügen (sogenannte ESG-Anleihen), auf mehr als 200 Milliarden Euro steigen. Neben dem Kreditportfolio umfasst das Programm auch das verwaltete Vermögen.

Die Summe würde etwa eine Verdopplung des heutigen Werts bedeuten und rund 15 Prozent der Bilanzsumme der Bank. "Aus tiefster Überzeugung", so heißt es in Sewings vorab veröffentlichter Rede zur Hauptversammlung, wolle die Bank den globalen Wandel zu einer nachhaltigen, klimaneutralen und sozialen Wirtschaft unterstützen. "Im Moment mag die Pandemie das Thema Nachhaltigkeit überlagern - doch es wird mit Macht zurückkommen", so Sewing.

Die Deutsche Bank gilt als Nachzügler, wenn es um verbindliche Nachhaltigkeitsziele geht. Nach Daten des Washingtoner World Resources Institute hatten bereits vergangenes Jahr 23 der 50 größten Privatbanken solche Ziele formuliert.

Im Branchenvergleich mögen die 200 Milliarden Euro der Deutschen ambitioniert sein, umstritten ist allerdings, was alles als grüne Anlage gilt. Die EU-Staaten haben sich darauf geeinigt, dass unter bestimmten Bedingungen sogar Kredite für Gaskraftwerke ein nachhaltiges Investment sein können – etwa wenn dem Erdgas Biogas beigemischt werden kann.

Mehr grün, aber noch lange nicht weniger dreckig

Die Deutsche Bank führt auch lediglich durchgereichte Kredite der staatlichen Förderbank KfW für nachhaltiges Bauen in ihrem grünen Portfolio. Zudem: Über 80 Prozent der Investments würden demnach weiterhin nicht den ESG-Richtlinien entsprechen, die eigentlich selbstverständliche Punkte wie ein Abwassermanagement, sauberen Transport, Verschmutzungsprävention und Erhaltung der Artenvielfalt vorsehen.

"Sie müssen sehen, woher wir kommen", sagt Konzernsprecher Jörg Eigendorf. Grüne Investments seien für die Bank lange eine Nische gewesen. Das ändere sich jetzt. "Wir wollen nicht mehr nur mitschwimmen, sondern für unseren Sektor einen Trend im Bereich Nachhaltigkeit setzen."

Das größte Problem für die Bank dürfte ihre jahrzehntelange Kooperation mit Klimakillern wie der Kohleindustrie sein. Zwar hat die Bank seit gut drei Jahren eine Kohlerichtlinie, die Kredite für neue Kohleminen und Kraftwerke untersagt. Dennoch steckte sie zwischen 2016 und 2019 rund 69 Milliarden Dollar in die Finanzierung fossiler Energieträger – ein Spitzenplatz unter den europäischen Finanzinstituten, von denen viele - etwa die französische Bank Crédit Agricole oder die niederländische ING - allerdings Regeln haben, die als zukunftsfähiger gelten.

Widersprüchliche Haltung zur Kohle

Die Zahlen stammen aus einer Studie, die die auf fragwürdige Investments von Geldinstituten spezialisierte Organisation Banktrack zusammen mit fünf weiteren NGOs vor Kurzem vorlegte. Zwischen 2016 und 2018 war die Deutsche Bank demnach mit fast einer Milliarde Dollar der weltweit zweitgrößte Financier von Firmen, die arktische Öl- und Gasvorkommen ausbeuten. Die Zahlen weist die Bank von sich. Man finanziere ja "keine direkten Projekte in Bezug auf arktische Öl- und Gasvorkommen". Die Bank verspricht, bald eine Öl- und Gasrichtlinie vorzulegen.

Kohle-Abbau in China (Symbolbild)

Kohle-Abbau in China (Symbolbild)

Foto: STAFF/ REUTERS

Ähnlich widersprüchlich wirken jedoch die Aussagen zur Kohle. Die Kohlerichtlinie, die man beschlossen habe, gelte auch für den Abbau, heißt es von der Bank. Warum aber stattete man dann die auf Kohleabbau spezialisierte chinesische Firma Yanzhou Coal Mining 2018 mit rund 265 Millionen Dollar aus, wie ein Banktrack-Spezialist herausfand? Aus "rechtlichen Gründen" könne man hierzu nichts sagen, ließ die Bank vor Kurzem wissen.

Statt über "mehr grün" zu reden, sollte Sewing darauf achten "weniger dreckig" zu sein, sagt Regine Richter von Urgewald, einer Umweltorganisation, die die Investments von Banken unter die Lupe nimmt. Sewing bekenne sich zwar zu den Pariser Klimazielen, "aber was nützt ein Bekenntnis, wenn seine Investments dagegen verstoßen?", fragt Richter.

Großinvestment beim Ölmulti

So fördere die Deutsche Bank seit Jahren eines der klimaschädlichsten Unternehmen unserer Zeit, den US-Ölriesen Exxon Mobile. Erst im August 2019 habe sich das Frankfurter Institut mit 132 Millionen Dollar an einem Kredit für Exxon beteiligt, das aktuell ein höchst umstrittenes Tiefseeölbohrprojekt vor der Küste Guyanas vorantreibt. Zudem sei die Bank mit 681 Millionen Dollar europaweit der fünftgrößte Investor in Exxon-Aktien und -Anleihen. Urgewald fand zudem heraus, dass die Deutsche Bank in über ein Dutzend japanische Kohlemeiler-Entwickler finanziert ist und im vergangenen Jahr eine Anleihe für den indischen Kohlemulti Adani auflegte. Das ist der Konzern, der schon Siemens wegen deren Beteiligung an einem Adani-Kohleminenprojekt in Australien in erheblichen Rechtfertigungsdruck brachte.

Der Adani-Bond, ließ die Bank Urgewald wissen, sei so formuliert, dass er nicht für Kohleminen genutzt werden könne. "Es ist ja strittig", so Sprecher Eigendorf, "ob es der beste Weg ist, die Finger von vermeintlich 'dreckigen' Konzernen zu lassen oder ob man denen eben gerade bei der Transformation hilft, indem man ihre grünen Investitionen finanziert."

Wenn Firmen wie Adani Geld bekommen können, um sich grüne Feigenblatt-Projekte zu finanzieren, sei das der falsche Weg, sagt Richter. "Für die Deutsche Bank mögen ihre grünen Ankündigungen ein großer Schritt sein, für das Klima bleiben sie unter solchen Vorzeichen ein sehr kleiner."

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