Konkurrenz zu China Deutsche Industrie warnt vor Rohstoff-Engpass
China startet einen weltweiten Wettlauf um Rohstoffe. Die Volksrepublik bunkert seltene Materialien und sichert sich Vorkommen in Afrika. Nun schlägt die deutsche Industrie Alarm: Kämpft Europa nicht um die knappen Ressourcen, droht vielen Wirtschaftszweigen Existenznot.
Hamburg - Die Liste liest sich wie eine Übung für das Große Latinum: Gallium, Germanium, Beryllium, Indium, Magnesium, Platin, usw. Die Aufzählung ist eine Art Artenschutzliste der Europäischen Union für Rohstoffe. Die aufgeführten Materialien, so die Idee der EU, sind unverzichtbar bei der Herstellung von Hightech-Produkten. Deshalb soll der Zugang europäischer Produzenten zu diesen Stoffen besonders geschützt werden.
In der Tat sind viele dieser und weiterer Materialien aus dem Wirtschaftsleben nicht mehr wegzudenken. Dies gilt vor allem für Elektronikprodukte. Indium etwa wird für RFID-Chips benötigt, die in der Logistik das Warenmanagement erleichtern. Germanium macht Prozessoren in Handys schneller und wird für Glasfaserkabel benötigt. Silizium und Gallium wird bei der Herstellung von Solarzellen verwendet, Lithium in Akkus aller Art, in Handys, Laptops und Elektroautos (siehe Fotostrecke oben).
Wenn diese Rohstoffe nur noch schwer zu bekommen sind und sich erheblich verteuern, dann wird es schwierig: für die Autoindustrie, für alle, die sich mit Mikroelektronik beschäftigen, für Maschinen- und Anlagenbauer, für Klimaschützer - und in der Folge für die gesamte Wirtschaft in der EU. In den Worten von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP): "Wir brauchen Rohstoffe, damit wir in Deutschland aus Spitzenideen auch zukünftig Spitzenprodukte machen!"
Aber was ist, wenn Rohstoffe international knapp werden? Denn genau das ist derzeit zu beobachten. "Die internationalen Rohstoffmärkte sind von einer Vielzahl von Handels- und Wettbewerbsverzerrungen gekennzeichnet", kritisiert Ulrich Grillo, der Vorsitzende des Ausschusses Rohstoffpolitik im Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). "Eine große Anzahl von Ländern beschränkt gezielt die Ausfuhr von Rohstoffen."
Laut BDI verschärft sich die Lage dramatisch. Die Zahl der Rohstoffe, auf die andere Staaten Ausfuhrzölle erheben, sei von 450 im Jahr 2008 auf über 1000 in diesem Jahr gestiegen.
Die Frage ist nun: Wie geht man damit um? Der BDI formuliert es in einem Positionspapier diplomatisch: "Bundesregierung und Europäische Kommission sind gefordert, den politischen Beschränkungen entgegenzuwirken." Im Klartext: Die Politik hat die Entwicklung bisher verschlafen.
Viele Rohstoffe kommen aus dem krisengeplagten Kongo
Immerhin legte der damals zuständige EU-Kommissar Günther Verheugen im Jahr 2008 Eckpunkte für eine Europäische Rohstoffstrategie fest. Kernaussage: Auf diplomatischer Ebene sollten Rohstofffragen fortan stets mitbedacht werden. Die Strategie wurde beim Europäischen Rat verankert, wie es so schön heißt. Und da ankert sie nun. Eine Monitoringstelle soll die Fortschritte festhalten.
Seit Verheugens Vorstoß haben sich die zuständigen Beamten vor allem um drei Dinge gekümmert:
- Sie haben eine Klage gegen China bei der Welthandelsorganisation WTO eingereicht.
- Sie führten Verhandlungen mit afrikanischen Staaten.
- Und zuletzt, in diesem Sommer, legten sie die erwähnte Artenschutzliste der bedrohten Rohstoffe vor.
Jede Maßnahme für sich ist freilich sinnvoll. So verhandelt Brüssel mit der Afrikanischen Union über eine Rohstoff-Partnerschaft, die den Zugang zu Minen und die Erkundung von Bodenschätzen sichern soll. Ein Großteil der begehrten Stoffe kommt etwa aus der krisengeplagten Demokratischen Republik Kongo. Vor allem Magnesium wird hier abgebaut, diverse Erze, Kalisalze und Phosphate werden gerade erschlossen. Und nicht zu vergessen: Erdöl. Die Verhandlungen sind allerdings heikel.
- 1. Teil: Deutsche Industrie warnt vor Rohstoff-Engpass
- 2. Teil: "Die Entwicklungspolitik soll der Wirtschaft nutzen"