Kostenschub bei Stuttgart 21 Landesregierung zweifelt an Bahn-Berechnungen

Das Großprojekt Stuttgart 21 wird teurer als gedacht - aber um wieviel? Die Bahn hat inzwischen einen Kostenschub von 370 Millionen Euro angedeutet, Baden-Württembergs Verkehrsminister Hermann (Grüne) rechnet jedoch mit weiteren Kosten, die den Vertragsrahmen sprengen könnten.
Verkehrsminister Hermann (Grüne): "Vielleicht sind wir schon drüber"

Verkehrsminister Hermann (Grüne): "Vielleicht sind wir schon drüber"

Foto: Franziska Kraufmann/ dpa

Stuttgart - Das Treffen des sogenannten Lenkungsausschusses im Stuttgarter Flughafen zur Zukunft des umstrittenen Verkehrsprojektes Stuttgart 21 stand schon vor Beginn unter keinem guten Stern. Die Deutsche Bahn hatte in der vergangenen Woche der grün-roten Landesregierung Baden-Württemberg wichtige Unterlagern verweigert, etwa Kostenkalkulationen. Selbst ein Protestbrief von Landesverkehrsminister Winfried Herrmann (Grüne) an Bahnchef Rüdiger Grube hatte daran nichts geändert.

Dementsprechend aufgeladen war die Stimmung, als Vertreter der Bahn, der Landesregierung und der Stadt Stuttgart am Freitagnachmittag zusammenkamen, um hinter verschlossenen Türen über weitere Kostenrisiken der Tieferlegung des Stuttgarter Hauptbahnhofes zu diskutieren.

Zudem hatten die Meldungen über einen neuen Kostenschub in Höhe von 370 Millionen Euro die Stimmung im Lenkungskreis angeheizt. Diese Summe hatte der Bahn-Vorstand erst zwei Tage zuvor dem DB-Aufsichtsrat als Mehrkosten vorgerechnet. Beim Konzern wird diese Schätzung recht kühl kommentiert: Immerhin bleibe man immer noch deutlich unter der vereinbarten Obergrenze von 4,5 Milliarden Euro. Allerdings ist der Puffer von insgesamt 760 Millionen Euro nun bereits knapp zur Hälfte aufgebraucht. Und bei den genannten 370 Millionen Euro sind auch nur Risiken aus der Planung und bisherigen Auftragsvergabe enthalten.

Gehören Gleiskosten in das Budget oder nicht?

Doch ob es bei diesen nun von der Bahn inzwischen zugestandenen Mehrkosten bleibt, wird von der baden-württembergischen Landesregierung bezweifelt. So staunte Verkehrsminister Hermann bei dem Treffen mit Bahnvertretern nicht schlecht, als Bahnvorstand Volker Kefer Kosten in Höhe von 80 Millionen Euro aus dem Stuttgart-21-Budget ausklammerte, darunter 35 Millionen Euro für ein zweites Gleis zum Flughafen.

Kefer soll, so heißt es aus Teilnehmerkreisen, gesagt haben, diese Summe sei außerhalb des Vertrages und müsse in einer neuen Finanzierungsvereinbarung geregelt werden. Das rief selbst den sonst bahnfreundlichen Stuttgarter Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) auf den Plan. Derartige Kosten seien doch im Projekt durch das Risikobudget abgedeckt, hat Schuster laut Teilnehmern der Runde erklärt. Weder das Land noch die Stadt seien bereit, hier zusätzlich zu zahlen. Kefer soll daraufhin erklärt haben, er wisse nicht wie man unter diesen Bedingungen noch weiterarbeiten solle.

Der Lenkungskreis vertagte sich gegen Abend auf einen neuen Termin, der in den nächsten Tagen vereinbart werden soll. "Wir müssen sehen, ob wir die 4,5 Milliarden Euro halten oder reißen", sagte Verkehrsminister Hermann nach der Sitzung. "Wir gehen sehr direkt auf den 4,5-Milliarden-Deckel zu und haben noch gar nicht richtig begonnen", sagte er. "Vielleicht sind wir auch schon drüber."

Bahn-Technikvorstand Kefer wiederum mahnte Eile an: "Wir halten die Lage im Projekt durchaus für angespannt." Auch er sieht die Möglichkeit, dass die vereinbarte Kostengrenze von 4,5 Milliarden Euro nicht eingehalten wird - wenn sich Arbeiten weiter verzögern sollten. "Wenn der Grund-Dissens bestehen bleibt, besteht die Gefahr, dass wir bei dem Projekt komplett aus dem Kosten- und Terminrahmen rauslaufen", sagte er. Mit dem Abriss des Südflügels vom Hauptbahnhof müsse die Bahn im Dezember beginnen. Deswegen hoffe er darauf, dass die für November geplante Volksabstimmung zu einer Befriedung des Konflikts beitrage, sagte Kefer. "Wir haben noch eine lange Zeit vor uns."

Das Aktionsbündnis der Stuttgart-21-Gegner sieht sich in seinen Befürchtungen bestätigt und fordert von der Bahn, das Projekt aufzugeben und sich mit Alternativen auseinanderzusetzen. Mindestens müsse die Bahn vor der für den 27. November vorgesehenen Volksabstimmung die noch ungeklärten Finanzen offenlegen, verlangte die Bündnissprecherin Brigitte Dahlbender.

Die verkehrspolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Nicole Razavi, sagte, der Kostenrahmen werde eingehalten. Sie griff Verkehrsminister Hermann scharf an: "Die böswilligen Unterstellungen des Verkehrsministers auch im Vorfeld des Lenkungskreises entbehren damit jeglicher Grundlage." Es gehöre zu einer "Verhinderungstaktik" von Hermann, ständig falsche Zahlen und Fakten nach außen zu transportieren.

otr/was/dapd/dpa
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