Kursabsturz Tippfehler verursachte möglicherweise Wall-Street-Chaos

Händler an der New York Stock Exchange: "Kampf der Algorithmen"
Foto: Justin Lane/ dpaNew York - An den internationalen Märkten sitzt der Schock nach dem dramatischen Kurssturz an der Wall Street von Donnerstag tief. Doch es verdichten sich die Hinweise, dass lediglich ein läppischer Tippfehler Auslöser für den Kursverfall war - und nicht in erster Linie die Angst vor einem Flächenbrand in Europas Schuldenstaaten.
Laut einem US-Börsenhändler könnte sich am Donnerstag an der Wall Street Folgendes ergeben haben: Ein Händler verkauft 16 Milliarden Aktien statt 16 Millionen. Denn im Englischen macht nur ein Buchstabe den Unterschied: Billion (Milliarden) statt Million (Millionen). Das löste dann die automatischen Verkäufe aus, die zum Kurssturz führten.
Binnen Minuten war der Dow-Jones-Index um fast tausend Punkte abgestürzt und lag somit zwischenzeitlich unter der psychologisch wichtigen Marke von 10.000 Punkten. In Punkten gemessen war es der stärkste Kursrutsch in der Geschichte der Wall Street. Doch fast genau so schnell wie der Index abgerutscht war, erholte er sich auch wieder. Er schloss bei rund 10.520 Zählern - immer noch ein Minus von mehr als 350 Punkten, rund 3,2 Prozent. Der breiter gefasste S&P-500-Index verlor 3,24 Prozent auf 1128 Zähler. Der Index der Technologiebörse Nasdaq fiel 3,44 Prozent auf 2319 Punkte.
Geradezu reflexartig reagierten US-Politiker auf den Vorfall und forderten noch am Donnerstag schärfere Kontrollen für den Computerhandel. Es sei wieder die Gefahr deutlich geworden, dass "Hochgeschwindigkeits-Computer falsche Geschäfte generieren und am Markt Chaos erzeugen", erklärte der demokratische Senator Edward Kaufman. Der "Kampf der Algorithmen" sei für die Börsenaufsicht SEC nicht ansatzweise zu durchschauen und müsse daher "bald in einen sinnvollen Regulierungsrahmen eingebettet werden". Kaufman und sein Kollege Mark Warner forderten eine Untersuchung des Kongresses zu dem Vorfall. Ein Ausschuss des Repräsentantenhauses kündigte für Dienstag eine Anhörung an.
Panik auch an Japans Börsen: Der Nikkei-Index brach kurzzeitig ein
Einige Händler glaubten jedoch nicht ganz an die Theorie eines Tippfehlers: Denn an den Märkten hatte angesichts der Finanzkrise in Griechenland schon seit Tagen Unruhe geherrscht. Seit Dienstag hatte der Dow Jones 631 Punkte oder 5,7 Prozent verloren. Es waren die größten Verluste innerhalb von drei Tagen seit März 2009, als die Finanzkrise in den USA ihren Höhepunkt erreicht hatte. Zudem hatte es am Donnerstag in dem Moment den größten Ausschlag nach unten gegeben, als Händler Bilder von neuen Zusammenstößen in Athen sahen, nachdem das Parlament das einschneidende Sparprogramm gebilligt hatte.
"Der Markt erkennt nun, dass Griechenland in den nächsten paar Jahren eine Depression durchmachen wird", sagte Analyst Peter Boockvar von Miller Tabak. "Europa ist ein wichtiger Handelspartner von uns, und das bedroht die gesamte globale Wachstumsstory."
In Japan ließen sich Händler daher auch von der Panik nach dem Crash am Donnerstag anstecken: Der Nikkei-Index für 225 führende Werte brach zwischenzeitlich um mehr als vier Prozent ein. Zum Handelsende notierte das Börsenbarometer bei einem Verlust von 3,1 Prozent, das entspricht einem Stand von 10.364 Punkten. Angesichts der Turbulenzen pumpte Japans Zentralbank am Freitag zwei Billionen Yen (17 Milliarden Euro) in den Geldmarkt. Es war die größte derartige Notmaßnahme seit Dezember 2008.
Deutliches Minus beim Dax
Auch die Börse in Frankfurt am Main geriet in den Abwärtssog. In den ersten Handelsminuten gab der Dax rund zwei Prozent ab. Ähnlich war es an anderen europäischen Börsenplätzen. Der portugiesische Leitindex fiel in den ersten Minuten drei Prozent, die spanische Börse verlor 2,2 Prozent. In London gab der Index 1,6 Prozent nach.
An der Wall Street haben unterdessen die Aufräumarbeiten begonnen: Die Technologiebörse Nasdaq teilte mit, dass alle offensichtlich irrtümlichen Handelsaktionen zwischen 14.40 Uhr und 15 Uhr rückgängig gemacht würden. Ein Grund wurde nicht genannt.