Landwirtschaft im Kriegsmodus Özdemir will Krisenhilfen für deutsche Bauern aufstocken

Die Politik will mit einer Krisenproduktion eine drohende Lebensmittelkrise durch den Ukrainekrieg abfedern. Doch die Bauern leiden unter hohen Kosten für Dünger oder Sprit. Nun sollen sie zusätzliches Geld erhalten.
Cem Özdemir

Cem Özdemir

Foto: IMAGO/Christian Spicker

Die Waren der deutschen Bauern werden wegen kommenden Ernteausfälle durch den Ukrainekrieg weltweit bald deutlich stärker nachgefragt sein, zugleich leiden sie unter immens steigenden Kosten für Sprit sowie insbesondere auch für Dünger.

Um die Landwirte in dieser Lage stärker zu unterstützen, will die Bundesregierung die Krisenhilfen erhöhen. Es werde daran gearbeitet, bis zu 180 Millionen Euro für schnelle Hilfen auf die Höfe zu bringen, sagte Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) im Bundestag .

Dafür sollten zugesagte 60 Millionen Euro aus der EU-Reserve national um 120 Millionen Euro aufgestockt werden. Die EU-Kommission hatte am Mittwoch angekündigt, EU-weit knapp 500 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, um drastisch gestiegene Kosten etwa für Dünger und Sprit abzufedern.

Özdemir wandte sich allerdings erneut gegen die teils lauten Forderungen , unter dem Eindruck des Krieges stärkere Abstriche beim Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit zu machen. Wenn Böden, Wasser, Artenvielfalt und Klima nicht geschützt würden, führte dies zu Krisen, die erst recht die Ernährungssicherheit gefährdeten, sagte Özdemir.

FDP: »Flächenstilllegungen können wir uns jetzt weniger erlauben denn je«

Hintergrund: Die EU hat Landwirten für 2022 die Erlaubnis zur Krisenproduktion erteilt. Sie dürfen demnach angesichts der drohenden Ernährungskrisen weltweit grundsätzlich auch die Flächen für den Anbau von Nahrungsmitteln nutzen, die eigentlich aus ökologischen Gründen stillgelegt werden müssten. Für deutsche Bauern öffnet Özdemir diese Möglichkeit bisher jedoch nicht.

Um unabhängiger von Wladimir Putin zu werden, brauche es eine nachhaltigere und krisenrobustere Landwirtschaft, sagte Özdemir. Einen Rückgriff auf alte Instrumente der Landwirtschaft und Übernutzung der Böden nannte er dagegen den falschen Weg. Er sagte, durch den Krieg des russischen Präsidenten sei auf schmerzhafte Weise zu erleben, dass Ernährungspolitik auch Sicherheitspolitik sei.

Für die mitregierende FDP entgegnete der Agrarpolitker Karlheinz Busen: »Flächenstilllegungen können wir uns jetzt weniger erlauben denn je.« In ärmeren Ländern seien Menschen akut von Hunger bedroht. Eine Knappheit von Lebensmitteln dürfe durch ein Festhalten an überholten, vermeintlich nachhaltigen Strategien nicht weiter befördert werden.

Verbraucher sollen beim Einkauf solidarisch sein

Auch aus der Opposition kamen Rufe nach einem stärkeren Gewicht auf die Ernährungssicherung. Unions-Fraktionsvize Steffen Bilger (CDU) sagte, gebraucht werde eine Belastungspause für die Landwirtschaft.

Özdemir betonte für Deutschland: »Die Versorgung mit Lebensmitteln ist sicher.« Als Reaktion auf steigende Preise verwies er auf weitere Entlastungen, die die Ampel-Koalition nun auf den Weg bringen will. Der Minister appellierte mit Blick auf Hamsterkäufe bei einzelnen Produkten an die Verbraucher, beim Einkauf verantwortungsvoll und vernünftig vorzugehen und Solidarität zu zeigen.

apr/dpa
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