Lebensmittel-Kennzeichnung Futtern für das Klima

Burger mit CO2-Kennzeichen: Der Verkauf von Fast Food ist um 20 Prozent gestiegen
Hamburg - Möhren, Kartoffeln und Hühnchen, zum Nachtisch Waldbeeren - so sieht eine ideale klimafreundliche Mahlzeit in Schweden aus. Als erstes Land in Europa will den Kampf gegen die jetzt auch auf den Tellern der Verbraucher führen. Ein Treibhausgas-Kennzeichen auf Lebensmitteln soll das Bewusstsein der Bürger fördern. Zu Kalorien und Kohlenhydraten kommt damit eine weitere Wertekategorie: der .
"Pro Kilo Produkt 0,87 Kilo CO2" klebt neuerdings auf Haferflocken-Päckchen in Schwedens Supermärkten. Mit dieser Art von Transparenz geht das skandinavische Land beim Klimaschutz völlig neue Wege. Denn um den Ausstoß von schädlichen Treibhausgasen zu drosseln, konzentrieren sich Europas Regierungen nur auf sparsame Autos oder Energiesparlampen - und sie diskutieren über die Notwendigkeit von Wäschetrocknern.
Lebensmittel aber spielten bisher kaum eine Rolle. Dabei ist ihr Einfluss auf das Klima groß: Zwischen 20 und 30 Prozent der im Alltagsleben verursachten Umweltschäden entstehen durch das, was die Europäer essen und trinken, schätzen Experten. In die Rechnung einbezogen sind alle Schritte von der Herstellung über den Transport bis zum Verkauf der Produkte - vom Feld bis auf den Tisch des Verbrauchers.
Lebensmittel, deren Produktion mehr als 25 Prozent Treibhausgas gegenüber dem Durchschnitt anderer Lebensmittel der gleichen Kategorie einsparen, dürfen in Schweden mit einem entsprechenden Hinweis versehen werden. Noch klebt das Label nur auf heimischen Produkten, darunter Fleisch, Milch, Gemüse und Getreide. Klima-Kriterien für importierte Waren aber sind bereits in Arbeit.
Empfehlungen für eine klimafreundliche Ernährung
Hinter der Aktion stehen die Vereinigung der schwedischen Bauern, Kennzeichnungsverbände für Nahrungsmittel sowie Milch- und Fleischkooperativen. Aber auch Schwedens zieht bei der neuen Initiative voll mit. Der Großkonzern Lantmännen etwa hat damit begonnen, Klima-Angaben auf seine Produkte zu drucken. Berücksichtigt werden alle Treibhausgase, die durch Düngemittel, Ernte, Transport und durch die Verpackungen entstehen.
Ebenfalls im Boot ist Schwedens -Kette Max. Sie schreibt den Klimawert ihrer Burger und Sandwiches auf die Menütafeln. Und ab 2010 will der größte schwedische Zertifizierer von Bio-Produkten niedrige CO2-Werte zur Auflage für sein Öko-Siegel machen. Treibhäuser müssen dann mit heizen, und Milchbauern müssen statt billigem Soja aus Brasilien den Großteil des Viehfutters wieder aus der Region beziehen, wenn sie eine Chance auf das Image fördernde Label haben wollen.
Der Aufwand lohnt sich jedoch: Seitdem schwedisches Fast Food ein CO2-Kennzeichen trägt, verkaufen sich die klimafreundlichen Produkte um 20 Prozent besser als vorher. Das lässt Umweltexperten hoffen: Denn wenn sich alle Bürger strikt klimafreundlich ernähren, so die Rechnung, dann könnte das Land seine Treibhausgas-Emissionen um die Hälfte herunterschrauben.
Esst mehr Kartoffeln, rät die Lebensmittelbehörde
Das neue Label soll den Verbrauchern die Entscheidung beim Einkauf leichter machen. Denn während die meisten über Nährwerte, Kalorien und Fett gut Bescheid wissen, haben die wenigsten eine Ahnung, dass Gerste dreimal besser für den Temperaturhaushalt der Erde ist als Schwedens liebstes Grundnahrungsmittel: der Reis. Nach Schätzungen des Weltklimarats trägt der Anbau von Reis entscheidend zur Steigerung der Emissionen von Methan bei, das sich noch weitaus schädlicher auf das Weltklima auswirkt als .
Esst mehr Kartoffeln, empfiehlt daher Schwedens Lebensmittelbehörde. Gemeinsam mit einer Umweltorganisation hat sie vor kurzem Empfehlungen für eine klimafreundliche Ernährung herausgegeben - in Europa eine bislang einmalige Aktion.
Ganz oben auf der schwarzen Liste stehen Fleisch und - mit einigem Abstand - Milchprodukte. "Es ist die Gruppe der Lebensmittel mit den größten Auswirkungen auf die Umwelt", betont die Behörde. Denn Rinder produzierten bei der Verdauung große Mengen Methan. Pro Kilo Rindfleisch fielen so zwischen 15 und 25 Kilogramm Treibhausgas an.
Klima-Fußabdruck für Lebensmittel und Getränke
Wenn es denn unbedingt Fleisch sein muss, raten die schwedischen Lebensmittelexperten lieber zum umweltfreundlicheren Geflügel, das pro Kilo gerade ein Zehntel der schädlichen Treibhausgase produziere. Auch von Tomaten sollten sich die Verbraucher besser verabschieden und stattdessen Möhren essen, denn diese verursachten 90 Prozent weniger schädliche Klimagase.

Globale Erwärmung: Sicherheitsrisiko Klimawandel
Die Regierung in Stockholm hat die Vorschläge nun an andere europäische Länder weitergereicht und wartet auf erste Reaktionen. Auch in Brüssel machen sich Lebensmittel-Experten Gedanken zur Nachhaltigkeit der Nahrungsmittel-Herstellung: Die EU-Kommission will bis 2011 eine Methode zur Berechnung des Klima-Fußabdrucks für Lebensmittel und Getränke entwickeln.
Dass plötzlich der Klimaeffekt der Nahrung eine entscheidende Rolle spielt, bedeutet für die Verbraucher ein radikales Umdenken. Schließlich hießen die Kaufkriterien bisher Bio und Öko. Oder ballaststoffreich und fettarm. Doch bald dürften sich umwelt- und gesundheitsbewusste Verbraucher auch nach dem CO2-Wert richten.
Eine gesunde Ernährung vertrage sich bestens mit umweltfreundlichen Entscheidungen, beteuern die schwedischen Experten. Nur beim Fisch sehe es anders aus. Der sei zwar gesund, aber noch lange nicht empfehlenswert. Zuchtlachs etwa, sehr beliebt in Schweden, sei schuld an der Überdüngung von Gewässern. Aber auch dem Meeresfisch verpassten die Forscher eine miese Klima-Note. Grund ist der Diesel, den die Fangschiffe verbrauchen. Allein Muscheln bekamen grünes Licht. Das Argument: Muscheln ernähren sich nicht von Kohlendioxid verursachendem Fischfutter, sondern von Plankton. Und damit helfen sie auch noch im Kampf gegen die Überdüngung der Meere.