Insolvenzverwalter Zoff um Rekordhonorar für Lehman-Abwickler

Insolvenzverwalter Frege: Ärger mit US-Hedgefonds
Foto: Cms Hasche Sigle/ dpaHamburg - Die Summe erscheint gigantisch. Bis zu 800 Millionen Euro könnte Michael Frege, der Insolvenzverwalter der deutschen Lehman-Tochter, erhalten. Die Abwicklung der Pleitebank durch den Juristen der Anwaltskanzlei CMS Hasche Sigle wäre damit mehr als 20-mal so teuer wie beim bisherigen Rekordhalter: 2010 bekam der Karstadt-Insolvenzverwalter rund 32 Millionen Euro.
Sahra Wagenknecht, Vizefraktionschefin der Linkspartei, hält die Summe für absurd. "800 Millionen Euro Honorar für die Abwicklung einer Schrottbank. Ein Arbeitnehmer, ein Mittelständler oder eine Rentnerin können darüber nur den Kopf schütteln", sagte sie SPIEGEL ONLINE. Ihr Fazit: "Wir brauchen eine Steuer von 75 Prozent für Einkommensmillionäre."
Auch der US-Insolvenzverwalter von Lehman kritisierte die in Aussicht gestellte Höhe des Honorars. "Wir sind sehr besorgt über das Gebührenniveau von 600 bis 800 Millionen Euro", sagte US-Anwalt Daniel Ehrmann. Man werde über eine andere Lösung verhandeln.
Doch bei aller verständlichen Empörung angesichts eines Honorars im dreistelligen Millionenbereich lohnt ein Blick auf die Fakten. Zum einen fällt auf, dass hier ausgerechnet US-Hedgefonds versuchen, Empörung über das Entgelt zu schüren. Sie haben im großen Stil Forderungen an die insolvente Bank aufgekauft und versuchen nun, die Vergütung des Verwalters zu drücken. Fällt dessen Honorar niedriger aus, bleibt mehr für die Investoren übrig, lautet das Kalkül.
Ein Vertreter der Hedgefonds sagte der Nachrichtenagentur Reuters, Insolvenzverwalter Frege dürfe "keine Erfolgsprämie bekommen, zumal er auch einige schlechte Entscheidungen gefällt hat, indem er Vermögenswerte unter dem Marktwert verkauft hat". Mehr als 250 Millionen Euro seien ihm nicht zuzubilligen.
Angesichts dieser widerstreitenden Interessen lohnt es, sich die Zusammensetzung des möglichen Rekordhonorars genauer anzuschauen. Dabei richtet sich die Vergütung zum einen nach der Insolvenzmasse. Der Grundsatz lautet: Je mehr Geld der Verwalter für die Gläubiger herausholt, desto höher ist seine Vergütung. Der Anteil ist dabei gestaffelt: Von den ersten 25.000 Euro gibt es 40 Prozent, von den nächsten 50.000 dann noch 25 Prozent, ab 50 Millionen Euro aufwärts stehen dem Verwalter noch 0,5 Prozent der Insolvenzmasse zu. Bei Lehman Brothers Deutschland liegt die zu verteilende Summe bei rund 15 Milliarden Euro.
"Die Summe ist plausibel"
Neben dieser Grundvergütung sieht das Gesetz Zu- und Abschläge vor. Für besonders komplizierte Fälle gibt es mehr Geld, ebenso, wenn ein insolventes Unternehmen weitergeführt werden muss und der Insolvenzverwalter faktisch den Job der Geschäftsführung übernehmen muss. Dazu kommt, dass das Geld natürlich nicht an einen einzelnen Mann gezahlt wird. Laut Freges Kanzlei sind seit 2008 rund hundert Anwälte und Experten durchgehend mit der Abwicklung der Lehman-Tochter befasst. Freges Kanzleichef Hubertus Kolster sagte, allein für die bisher geleisteten Arbeitsstunden könne CMS eine Rechnung von 215 Millionen Euro stellen. Das Verfahren werde sich aber noch mindestens zwei bis drei Jahre hinziehen.
Insolvenzrechtsexperte Heribert Hirte kann diese Rechnung nachvollziehen. "Natürlich klingt die Summe von mehreren hundert Millionen unvorstellbar. Doch wenn man den Aufwand betrachtet, ist das schon plausibel", sagte er. Er vermutet, dass die Hedgefonds versuchen, mit Hilfe einer seit diesem Jahr geltenden Gesetzesänderung Druck auszuüben.
Am 1. März trat nämlich das Gesetz zur Erleichterung der Unternehmenssanierung (ESUG) in Kraft. Es stärkt die Rechte der Gläubiger im Insolvenzverfahren. Bislang wurden die Insolvenzverwalter immer vom zuständigen Amtsgericht ausgewählt. "Künftig haben die Gläubiger mehr Möglichkeiten, darüber mitzubestimmen", sagt Hirte. "Es sieht so aus, als versuchten die Hedgefonds, das neue Recht auf das Lehman-Verfahren zu übertragen."
Die Erfolgschancen dürften aber begrenzt sein. Kanzleichef Kolster betonte, man werde sich nicht unter Druck setzen lassen. "Die Gläubiger, die von Anfang an dabei gewesen sind, sind alle hochzufrieden mit dem Verfahren."
Keine Bedeutung hat das Verfahren übrigens für die rund 50.000 deutschen Kleinanleger. Sie hatten vor dem Lehman-Crash für geschätzte 700 Millionen Euro die vermeintlich sicheren Zertifikate der Pleitbank gekauft. Die Papiere stammten meist von der niederländischen Lehman-Tochter. Doch das Insolvenzverfahren in Amsterdam stockt, bislang konnten die Anleger dort noch nicht einmal ihre Ansprüche anmelden.