»Lex Uniper« Bundesregierung schafft Schutzschirm für Energiekonzerne

Uniper ist der größte deutsche Gasversorger – und steht kurz vor der Insolvenz. Nun schafft der Bund nach SPIEGEL-Informationen die gesetzliche Grundlage, um den Energiekonzern noch diese Woche übernehmen zu können.
Erdgasspeicher von Uniper in Bierwang

Erdgasspeicher von Uniper in Bierwang

Foto: ANDREAS GEBERT / REUTERS

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Das Wochenende über hat die Bundesregierung mit Hochdruck gearbeitet. Denn der größte deutsche Gasversorger, der Energiekonzern Uniper, ist von der Insolvenz bedroht. Schnell soll noch eine Rechtsgrundlage geschaffen werden, mit der Gasimporteure wie das Düsseldorfer Unternehmen angesichts eines drohenden russischen Embargos gerettet werden können.

Am späten Sonntagabend einigten sich die Spitzen der zuständigen Ministerien für Wirtschaft, Finanzen und das Bundeskanzleramt offensichtlich auf einen Entwurf, der auch schon mit den Fraktionen der Ampelkoalition geeint sein soll. Darin geregelt sind Finanzhilfen bis hin zu einem staatlichen Einstieg, um die Pleite eines Gasversorgers abwenden zu können.

Der Gesetzentwurf, der dem SPIEGEL vorliegt, sieht »Kapitalmaßnahmen« vor, mit denen »die Ausgabe neuer Aktien gegen Hingabe von Einlagen aus vom Bund eingegangenen stillen Gesellschaften oder zur Beschaffung von Mitteln zum Zweck der Rückgewähr solcher Einlagen« ermöglicht werden sollen. Das bedeutet: Der Staat kann Kredite oder Bürgschaften für ein betroffenes Energieunternehmen gewähren – oder aber selbst als Anteilseigner auftauchen.

Per Umlaufverfahren soll der Beschluss rasch erfolgen

Damit entsteht eine gesetzliche Regelung, die jener zur Coronapandemie sehr ähnelt. Mit dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds hatte der Bund Unternehmen wie die Lufthansa vor dem finanziellen Kollaps gestützt. Nach der Lex Lufthansa gibt es offensichtlich nun auch eine Lex Uniper. Die entsprechende Regelung soll idealerweise noch bis Dienstag dieser Woche in einem Umlaufverfahren vom Bundeskabinett gebilligt werden. Dann könnte der Bundestag das Werk in dieser Woche, der letzten Sitzungswoche vor den Sommerferien, beschließen.

Derzeit findet nach SPIEGEL-Informationen die Ressortabstimmung statt, letzte Details werden noch geklärt. Gelingt die Einigung erst Mitte der Woche, dann besteht keine Möglichkeit mehr, während einer regulären Bundestagssitzung den Paragrafen »Erleichterungen zur Durchführung von Stabilisierungsmaßnahmen« in Kraft treten zu lassen. Geplant ist, diesen Artikel, der eigentlich das Energiesicherungsgesetz ergänzt, in einem in dieser Woche zur Abstimmung stehenden Gesetz quasi huckepack zu beschließen. Dabei handelt es sich um das sogenannte »Ersatzkraftwerkebereitstellungsgesetz«, in dem eigentlich geregelt ist, wie Gaskraftwerke heruntergefahren und durch Kohlekraftwerke ersetzt werden, um mehr Gas für die Speicherung in Gaskavernen zur Verfügung zu haben.

Klappt es nicht, die Staatsrettung von Gaskonzernen auf diese Weise durchs Parlament zu bringen, dann müsste der Bundestag zu einer Sondersitzung in der Sommerpause zusammenkommen. Denn die Zeit drängt: Dem Gaskonzern Uniper steht das Wasser bis zum Hals. Der größte Importeur von russischem Gas muss sich derzeit ersatzweise mit deutlich teurerem Gas aus anderen Quellen eindecken.

Dabei muss das Unternehmen seinerseits Lieferverträge mit Stadtwerken und anderen Gasversorgern und großen Industriekonzernen bedienen, die vor dem Ukrainekrieg langfristig und zu weitaus günstigeren Konditionen abgeschlossen wurden. Wie der SPIEGEL berichtet hat , muss Uniper dafür täglich einen zweistelligen Millionenbetrag aufbringen. Das Geld schmilzt dem Energieriesen also förmlich unter den Händen weg.

Eine Insolvenz von Großimporteuren wie Uniper würde eine fatale Kettenreaktion auf den Energiemärkten in Deutschland und Europa bewirken, die Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit jener nach dem Zusammenbruch der Großbank Lehman Brothers zu Beginn der Finanzkrise von 2008 verglichen hat. Könnte Uniper nicht mehr liefern, würden auch die von dem Konzern belieferten Gasversorger umfallen, Gaslieferungen an Industrie und Privathaushalte würden ausfallen. Deshalb kann Habeck es sich nicht leisten, dass Uniper umknickt. Der Konzern ist »too big to fail«.

Habecks Leute haben in dem Entwurf geregelt, dass Energiekonzerne unter die finanzielle Obhut des Staates schlüpfen können. Beantragen müssen sie dies im Wirtschaftsministerium, was »die zuständige Behörde für die Verhandlungen über Stabilisierungsmaßnahmen« ist, so heißt es in dem geplanten Regelwerk.

Der Bund ist laut Entwurf »befugt, sich bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben der Kreditanstalt für Wiederaufbau« oder anderer staatlicher Institutionen zu bedienen, die die Anteile des Bundes halten. Der staatliche Schutzschirm für die Energiekonzerne soll bis Ende 2027 befristet sein.

Der zur Abstimmung stehende Artikel soll die akute Krise auf den Gasmärkten lindern helfen. Im Wirtschaftsministerium allerdings glaubt man nicht, dass es mit der Rettung einzelner Gasimporteure getan sein wird. Denn die finanziellen Verpflichtungen könnten in den kommenden Monaten so stark steigen, dass die Konzerne ihre Kosten an Privat- und Großkunden weitergeben müssen.

Dafür gibt es bereits eine bestehende Regelung im Energiesicherungsgesetz. Doch die sieht vor, dass betroffene Unternehmen in einer akuten Gasmangellage ihre höheren Kosten einfach weiterreichen. Das wiederum würde private Haushalte und Industrieverbraucher hart treffen. Nun hat die Bundesregierung sich über das Wochenende offenbar auf eine alternative Lösung verständigt, die einen Umlagemechanismus vorsieht.

Dessen Grundgedanke lautet: Die explodierenden Gaskosten sollen auf den Schultern von Wirtschaft und Verbrauchern verteilt werden. Hierzu soll der sogenannte Marktgebietsverantwortliche Trading Hub Europe (THE) – ein Zusammenschluss der großen Netzbetreiber – Geld für Großhändler wie Uniper bereitstellen, damit diese das teurere Gas am Markt einkaufen können. Refinanziert werden könnte dies über höhere Netzentgelte, die dann alle Kunden sämtlicher Gasversorger zahlen müssen. De facto würden also die Einbußen von Uniper & Co. sozialisiert.

Das Solidarprinzip ist notwendig, weil Gasversorgungsunternehmen und deren Kunden unterschiedlich stark von den Preissprüngen am Gasmarkt betroffen sind. Jene, die etwa bislang in Norwegen oder den Niederlanden eingekauft haben, stehen momentan weit besser da als Unternehmen wie Uniper, die den Stoff in großen Mengen aus Russland beschafft haben.

Auch dieses Umlagesystem mit einer sogenannten saldierten Preisanpassung soll als Anhang an das Ersatzkraftwerkebereitstellungsgesetz in dieser Woche im Bundestag beschlossen werden.

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