Fusion mit Konkurrenten Linde wird halb-amerikanisch

Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle
Foto: Nicolas Armer/ dpaNach monatelangen, zähen Verhandlungen und vielen abgebrochenen Gesprächen haben sich Linde und Praxair auf die Eckpunkte für eine Fusion zum weltgrößten Gasekonzern geeinigt. Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle sicherte sich den entsprechenden Posten auch für die neue Holding, Praxair-Chef Steve Angel führt den Konzern. Über einen Aktientausch sollen die bisherigen Aktionäre an dem zusammengeschlossenen Konzern jeweils 50 Prozent halten, teilte Linde mit.
Im September war der erste Anlauf zu einem Zusammenschluss noch gescheitert. Beide Seiten konnten sich nicht auf einen gemeinsamen Firmensitz und die Struktur des neuen Unternehmens einigen, auch Machtfragen in den Konzernen spielten eine Rolle. Nun sollen die Zentralfunktionen zwischen den USA und München aufgeteilt werden. Der Unternehmensname bleibe Linde, auch wenn Konzernchef Angel seinen Dienstsitz weiter in Danbury im US-Bundesstaat Connecticut habe. Das übrige Top-Management des neuen Konzerns solle zu gleichen Teilen mit Vertretern der Amerikaner und der Bayern besetzt werden.
Zusammen werden Linde und Praxair zum neuen Weltmarktführer vor dem französischen Erzrivalen Air Liquide. Sie erwirtschaften gemeinsam einen Jahresumsatz von 28 Milliarden Euro und kommen auf einen Börsenwert von rund 60 Milliarden Euro. Die Unternehmen rechnen durch ihre Fusion mit jährlichen Synergien von einer Milliarde Dollar. Die neue Holding werde sowohl an der Börse in New York als auch in Frankfurt gelistet sein, ihr rechtlicher Sitz soll in einem neutralen Land des Europäischen Wirtschaftsraums liegen.
Widerstand der Linde-Arbeitnehmer
Die Fusion muss von den zuständigen Gremien und Behörden abgesegnet werden und kann daher noch scheitern. Linde dürfte eine eingehende Prüfung der Kartellbehörden ins Haus stehen. Experten erwarten, dass sich das neue Unternehmen ähnlich wie bei der Übernahme der britischen BOC vor einigen Jahren aus mehreren Märkten zumindest teilweise zurückziehen muss. Im Zuge der Fusion soll etwa der Anlagenbau der Münchner ausgegliedert werden.
Um die Zustimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat zu erlangen, hatte Praxair im Vorfeld einige Zugeständnisse gemacht. So wird bei Linde bis Ende 2021 auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet. Anders als bisher geplant wird der Standort Dresden nicht geschlossen. Die ursprünglich Einschnitte des Ex-Chefs Wolfgang Büchele für die 65.000 Linde-Mitarbeiter wurden abgemildert.
Dennoch sehen die Arbeitnehmer bei Linde die geplante Fusion mit dem US-Konkurrenten weiter skeptisch. Viele Beschäftigte haben Angst davor, da bei einer Fusion die deutsche Mitbestimmung verloren geht und eine andere Firmenkultur Einzug hält.