Prozessauftakt in München Gericht hält Massenklage gegen Lkw-Kartell für zulässig

Die großen europäischen Lkw-Produzenten sprachen jahrelang Preise ab. Nun fordern die Käufer in einem großen Prozess Schadensersatz. Es geht um mehr als 800 Millionen Euro - und 3200 Spediteure.
Lkw auf dem Rastplatz Hockenheimring Ost (Archiv): Preisaufschläge von zehn Prozent?

Lkw auf dem Rastplatz Hockenheimring Ost (Archiv): Preisaufschläge von zehn Prozent?

Foto: imago images /Future Image

Die Preisabsprachen zwischen den großen europäischen Lkw-Produzenten gelten als gesichert, mehrere Milliarden Euro Bußgeld haben sie nach einer Entscheidung der EU-Kommission bereits gezahlt. In einem großen Prozess vor dem Münchener Landgericht hoffen nun auch Tausende Spediteure, die die Lastwagen gekauft haben, auf Schadensersatz von den Herstellerfirmen.

Zum Auftakt der Verhandlung machte die Kammer deutlich, dass sie grundsätzlich keine Einwände gegen die Bündelung der Klagen habe. Die Vorsitzende Richterin Gesa Lutz sagte, dass die in Deutschland bisher unübliche Übertragung der Einzelforderungen auf einen Rechtsdienstleister nicht gegen eine Zulässigkeit der Klage spreche. Es gebe hohe Hürden, bevor man von einem Rechtsmissbrauch sprechen könne wie die beklagten Firmen. "Vor diesem Hintergrund dürfte eine Bewertung als rechtsmissbräuchlich nicht in Betracht kommen."

"Klage des deutschen Mittelstands"

Die beklagten Lastwagenhersteller MAN, Daimler, DAF, Volvo/Renault und Iveco hatten infrage gestellt, ob die Klage überhaupt zulässig ist. Denn die Spediteure haben ihre Ansprüche auf Initiative des Bundesverbandes Güterverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) an den Prozessdienstleister Financialright claims abgetreten. Im Prozess ist Financialright der einzige Kläger und kassiert im Erfolgsfall rund 30 Prozent der Entschädigungssumme. Dahinter stehen jedoch Forderungen von rund 3200 Spediteuren. Sie verlangen insgesamt 867 Millionen Euro Schadensersatz samt Zinsen.

Die Spediteure argumentieren, sie hätten wegen des Kartells überhöhte Lkw-Preise gezahlt. Die Hersteller bestreiten das. Sie argumentieren, das Kartell habe sich aufgrund der branchenüblichen Rabatte nicht auf die tatsächlich gezahlten Preise ausgewirkt. Wegen des früheren Lkw-Kartells laufen bundesweit noch Hunderte weitere Prozesse verschiedener Kläger. Auch die Deutsche Bahn und die Bundeswehr klagen gegen das Kartell.

"Es handelt sich um eine Klage des deutschen Mittelstands", sagte BGL-Anwalt Alex Petrasincu zum nun in München begonnenen Verfahren. Allein seien die Unternehmen nicht in der Lage, ihre Forderungen geltend zu machen. Insgesamt sollen MAN und Co. rund 85.000 Lastwagen überteuert verkauft haben. Ein Gutachter der Kläger schätzt, dass das Kartell zu Preisaufschlägen von etwa zehn Prozent geführt habe.

Der schwedische Lkw-Hersteller Scania, der wie MAN zum VW-Konzern zählt, gehört zwar nicht zu den Beklagten. Dennoch steht das Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus, ob auch Scania an dem Kartell teilnahm. Aber zu den Klägern in München gehören auch Käufer von Scania-Lastwagen, weil das Kartell zu überhöhten Preisen auf dem gesamten europäischen Lkw-Markt geführt habe.

Die Vorsitzende Richterin der Kartellkammer, Gesa Lutz, hatte vor einem Jahr erstmals über eine Klage von Lkw-Käufern verhandelt. In diesem Verfahren hat sie für den 22. November einen Verkündungstermin angesetzt.

apr/dpa-AFX/Reuters
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