Polnische Fluggesellschaft LOT will Condor fallen lassen - und für den Ausstieg offenbar noch Geld

Die Condor-Rettung durch LOT steht vor dem Aus. Damit nicht genug: Die Polen fordern Geld, um von den Bezugsrechten zurückzutreten. Aber vielleicht kann die Lufthansa davon profitieren.
Foto: imago images/rheinmainfoto

Es sind fröhliche Bilder, die manche Airlines gerade zu verbreiten versuchen. Lufthansa-Chef Carsten Spohr steht da zum Beispiel neben Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer auf dem Rollfeld in München – natürlich mit Sicherheitsabstand. Im Hintergrund eine Boeing 777 der Lufthansa Cargo. Sie ist gerade aus dem chinesischen Shanghai gelandet, mit acht Millionen Schutzmasken an Bord. Eine der wenigen Gelegenheiten, positive Nachrichten in der größten Ausnahmesituation der Luftfahrt seit ihrem Bestehen zu inszenieren. 

Fluglinien auf der ganzen Welt stehen mehr oder weniger still. Wohl keine große Airline wird ohne Hilfen ihres Heimatlandes auskommen. Die Existenz ganzer Fluggesellschaften steht durch das neuartige Coronavirus auf der Kippe - und mit ihr Millionen Arbeitsplätze. Fluglinien, die vorher schon in Schwierigkeiten waren, durchleben besonders harte Zeiten.

Der deutsche Ferienflieger Condor gehört dazu. Auch dort versucht man, mit dem Foto von vier lächelnden Männern im Cockpit auf dem Weg nach Neuseeland zu einem Rückholflug für gestrandete Urlauber, Normalität vorzutäuschen. Doch im Hintergrund wird seit Tagen kräftig gewirbelt, um das Unternehmen, das sich im Schutzschirmverfahren befindet, irgendwie zu retten.

Eigentlich sollte Condor von der Mutterfirma der polnischen Fluglinie LOT gekauft werden. Doch die steckt mittlerweile selbst in der Krise. Durch weitgehende Auflagen versucht sie, aus dem Deal wieder rauszukommen.

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Am 31. Dezember 2019 wandte sich China erstmals an die Weltgesundheitsorganisation (WHO). In der Millionenstadt Wuhan häuften sich Fälle einer rätselhaften Lungenentzündung. Mittlerweile sind mehr als 180 Millionen Menschen weltweit nachweislich erkrankt, die Situation ändert sich von Tag zu Tag. Auf dieser Seite finden Sie einen Überblick über alle SPIEGEL-Artikel zum Thema.

Das Absurde: LOT könnte Condor nun nicht nur hängen lassen, sondern gegen die Fluglinie sogar noch Forderungen erheben. Formal sind die Polen bisher vom Kauf nicht zurückgetreten. Doch um einen neuen Investor ins Haus zu holen, müsste die LOT-Mutter PGL ihre Bezugsrechte für die Condor abtreten. An den Verhandlungen beteiligte Personen berichten, dass man für diesen Vorgang noch Geld einstreichen wolle. Dabei könne es etwa um die Erstattung von Beraterkosten gehen. Sachliche Gründe gibt es wohl wenige, es sei vielmehr eine Art Pokerspiel.

Die Condor hätte ihrerseits die Möglichkeit, Strafzahlungen von PGL zu erhalten, wenn der Deal nicht zustande kommt. Doch die Durchsetzung dieser Forderung sehen Insider als sehr schwierig an. So könnte es auf einen Schadenerlass seitens der Condor hinauslaufen, die LOT würde dann wohl ihrerseits die eigenen Forderungen fallen lassen.

Die Zeit drängt. Am 15. April wird die Rückzahlung des vom Bund gewährten Massedarlehens über 380 Millionen Euro fällig – eine fristgerechte Rückzahlung gilt derzeit als unwahrscheinlich. Wie lange das Geld bei der Condor trotz Kurzarbeit und massiv reduziertem Flugplan reicht, ist nicht bekannt. Von Ende April ist die Rede. Condor will keinen Kommentar abgeben. Man sei "nach wie vor in konstruktiven Gesprächen mit PGL, um die Auswirkungen der Corona-Pandemie gemeinsam zu bewerten", sagt eine Sprecherin. Zudem habe Condor einen Antrag auf staatliche Unterstützung eingereicht.

Die KfW könnte auch Condor auffangen

Doch wie geht es weiter, wenn LOT dann formal den Kauf stoppt? Ein Szenario ist, dass auch hier die KfW einspringt. Die Rückzahlung des Kredits würde verschoben, zusätzlich bekäme die Condor weitere KfW-Kredite und könnte unter die Verwaltung eines Sanierungstreuhänders gestellt werden. Auch eine Abtretung der Bezugsrechte durch die LOT-Mutter PGL an die KfW ist denkbar. In einem neuen Anlauf müsste dann wieder ein Käufer gefunden werden. In der Branche bezweifelt man allerdings, dass das in diesem oder dem kommenden Jahr realistisch wäre. 

Was Condor wohl in jedem Fall braucht, ist ein neuer Schutzschirmplan. Dieser kostet Geld – und Zeit. Mit den Vorgängen vertraute Personen sprechen von Mai bis Juni oder sogar Juli, bis ein solcher Plan stehen könnte. Gegen den aktuellen Schutzschirmplan hatten Gläubiger bereits Rechtsmittel eingelegt: der Pensions-Sicherungs-Verein, sowie mehrere Flugbegleiter der Condor.  

Am Ende, so wird in der Branche gemutmaßt, könnte die Condor doch an die Lufthansa fallen. Bisher war dies wegen kartellrechtlicher Probleme kaum möglich. Lufthansa hatte allerdings vor der Coronakrise bereits die Weichen gestellt, um im Segment der Langstrecken-Urlaubsflüge stärker zu werden und dafür bei der Eurowings mehr Fernziele ins Programm genommen. Condor wiederum hat einen massiven Erneuerungsbedarf bei der Langstreckenflotte – und Lufthansa könnte etwas modernere Langstreckenflugzeuge abgeben.

Nach einer solchen Übernahme bliebe die Frage: Wo baut man Personal ab? Im Lufthansa-Konzern? Bei Condor?

Jobsicherung nur bis 2022

Der Lufthansa-Vorstand hat gestern bereits ein weitgehendes Paket verabschiedet, um auf die Coronakrise zu reagieren. Neben der Stilllegung mehrerer Jets – darunter sechs Airbus A380 – wurde auch beschlossen, dass der Flugbetrieb beim Ableger Germanwings beendet wird. Was mit den rund 1400 Mitarbeitern passiert, ist derzeit unklar. Von Kündigungen war bisher nicht die Rede, wenngleich Carsten Spohr die Lufthansa nach der Krise erheblich kleiner als vorher sieht. In einem SPIEGEL-Gespräch sagte er dazu : "Wir werden innerhalb der nächsten Jahre nicht zu den 763 Flugzeugen zurückkehren, die wir bis zum Ausbruch der Krise in Betrieb hatten. Wir rechnen mit deutlich weniger Fluggästen. Das heißt: Wir benötigen auch weniger Flugzeuge."

Lufthansa hat angekündigt, allen Germanwings-Beschäftigten weiterhin ihr Gehalt zu bezahlen. Alles Weitere wolle man mit den Sozialpartnern besprechen. Ein großer Teil der Germanwings-Piloten unterliegt einer sogenannten "Perspektivvereinbarung". Für sie gilt es als wahrscheinlich, dass eine Ersatzbeschäftigung bei Lufthansa infrage kommt. Doch dass den Gewerkschaften die Durchsetzung eines solchen Vorgehens für alle Mitarbeiter der Germanwings gelingt, ist unwahrscheinlich.

Ohnehin gab es auch ohne die Coronakrise nur bis 2022 eine konkrete Bestandssicherung für Germanwings in der jetzigen Struktur. Im Lufthansa-Management heißt es, dass es derzeit schwieriger sei als vor der Coronavirus-Krise, allen Beschäftigten auch zukünftig einen Job anbieten zu können.

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