Vertragsabschluss angekündigt Lufthansa übernimmt große Teile von Air Berlin

Flugzeuge von Lufthansa und Air Berlin
Foto: Maja Hitij/ Getty Images

Flugzeuge von Lufthansa und Air Berlin
Foto: Maja Hitij/ Getty ImagesDie Lufthansa und Air Berlin unterzeichnen nach Lufthansa-Angaben heute einen Kaufvertrag für große Teile des Unternehmens. Für 12 Uhr sei der Notartermin geplant, sagte Lufthansa-Chef Carsten Spohr in Berlin. "In der Tat ist das heute ein großer Tag, den wir in ein paar Stunden mit der Unterschrift besiegeln", sagte er. Air Berlin hatte Mitte August Insolvenz angemeldet. Der Flugbetrieb war seitdem nur durch einen Kredit des Bundes über 150 Millionen Euro gesichert.
Die Aktien beider Unternehmen reagierten mit Kurssprüngen auf die Entscheidung. Der Kurs der Lufthansa-Aktie legte am Morgen um fast drei Prozent auf 25,34 Euro zu - das war der höchste Stand seit Anfang 2001. Für die zuletzt besonders schwer gebeutelten Papiere von Air Berlin ging es in der Spitze um fast 51 Prozent nach oben.
Lufthansa werde von Air Berlin "voraussichtlich 81 Flugzeuge übernehmen, 3000 Mitarbeiter einstellen und dafür in Summe 1,5 Milliarden Euro investieren", hatte Spohr zuvor der "Rheinischen Post" bestätigt und damit die Pläne des Unternehmens bekräftigt.
Während der Übernahme wird die Lufthansa im Betrieb noch mindestens ein halbes Jahr improvisieren müssen. "Wir werden das irgendwie hinbekommen", sagte Spohr . Das werde aber nicht ohne "Ruckeleien" gehen. Man habe Piloten aus dem Urlaub zurückgeholt und fliege innerhalb Deutschlands auch mit Jumbo-Jets, um alle Passagiere aufnehmen zu können. Tausende Mitarbeiter müssten eingestellt werden, zugleich sei der Übergang der Air-Berlin-Flugzeuge beim Luftfahrtbundesamt aufwendig. Ein stabiler Betrieb sei in sechs bis neun Monaten zu erwarten.
Aus Sicht Spohrs wird das Aus für Air Berlin und andere Anbieter die Ticketpreise nicht nach oben treiben. "Wir gehen von weiter sinkenden Preisen aus. Denn der Wettbewerb wird sich in Europa und auch weltweit verschärfen", sagte er in einem Interview. Im Konzern werde man sich mit der Tochter Eurowings selbst Konkurrenz machen. "Da wo es bisher nur Lufthansa und Air Berlin gab, wie beispielsweise zwischen München und Köln, kommen nun Eurowings-Flüge als Ersatz für Air Berlin hinzu." Eurowings als kostengünstige Zweitmarke arbeite "eigenständig und wird alles tun, die Jets zu füllen".
Generell wird Air Berlin voraussichtlich ab Ende Oktober nicht mehr unter eigener Flugnummer fliegen, wie es in einem Brief der Firmenleitung an die Mitarbeiter hieß. Der insolventen Gesellschaft sei ein eigenwirtschaftlicher Verkehr unter dem Airline-Code AB "nach gegenwärtigem Erkenntnisstand spätestens ab dem 28. Oktober nicht mehr möglich". Tickets für spätere Flüge verlieren ihre Gültigkeit. Der Flugverkehr der nicht insolventen Töchter Niki und LG Walter soll weitergeführt werden.
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.
Air Berlin am Boden: Am 15. August hat die Fluggesellschaft Insolvenz angemeldet. Nachdem Großaktionär Etihad eine Kreditrate nicht auszahlte, sah das Management keine Perspektive für eine normale Fortführung der Geschäfte.
1978 begann alles hoffnungsvoll: US-Pilot Kim Lundgren (links, mit Sohn Shane) gründet Air Berlin 1978 in den USA als Charterfluggesellschaft. Hintergrund: Damals dürfen nur Flugzeuge der Siegermächte Berlin anfliegen.
Der erste Heimatflughafen von Air Berlin heißt folglich nicht Berlin, sondern Miami. Von dort gibt es mitunter auch Direktflüge in die geteilte Stadt.
Berlin steht faktisch aber im Mittelpunkt des wachsenden Netzes von Air Berlin. Der erste Flug geht nach Mallorca. Bald entwickeln sich Ziele im Mittelmeerraum zum Markenzeichen von Air Berlin.
Nach der Wiedervereinigung ist der Weg frei für den Wechsel des Firmensitzes in die künftige Hauptstadt. Der spätere Vorstandsvorsitzende Joachim Hunold übernimmt die US-Gesellschaft.
Rollfeld des Flughafens von Palma de Mallorca: Air Berlin startet auch im lukrativen Touristenfliegergeschäft durch.
Air Berlin bekommt immer größeren Hunger auf Wachstum. Im Jahr 2004 erwirbt die Airline 24 Prozent an der österreichischen Linie Niki des früheren Rennsportlers Niki Lauda. Später erhöht Air Berlin den Anteil.
Die Expansion kostet Geld. Geld, das sich die Eigentümer an der Börse holen wollen. Im zweiten Anlauf gelingt der Sprung aufs Parkett - seit dem 11. Mai 2006 sind Anteile von Air Berlin frei handelbar.
Treibende Kraft hinter dem Wachstumswillen bleibt Vorstandschef Hunold, der noch heute im Verwaltungsrat von Air Berlin sitzt.
Hunold unternimmt zahlreiche weitere Übernahmeversuche. So schluckt Air Berlin noch 2006 Wettbewerber dba. Ein Jahr später ist die deutsche Traditionsgesellschaft LTU dran. An der Schweizer Fluggesellschaft Belair erwirbt Air Berlin im selben Jahr 49 Prozent der Anteile.
Hunold hat einen Lauf - seine Fluggesellschaft verbucht in dieser Zeit sogar Gewinne, was in der Geschichte von Air Berlin Seltenheitswert haben sollte. 2006 bleiben 40 Millionen, 2007 27 Millionen Euro übrig. Danach geht es abwärts.
Immer wieder scheitern auch geplante Akquisitionen. Die geplante Übernahme von Condor kommt nicht zustande, weil die aufziehende Finanzkrise 2008 den Markt schwächt.
Hunold holt manchen alten Weggefährten mit an Bord, um der Krise Herr zu werden - so Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn, der 2009 in den Aufsichtsrat einzieht und zwei Jahre später Übergangschef und Hunold-Nachfolger wird.
Den Kursverfall der Air-Berlin-Aktie nutzt die türkische Holding ESAS der Sabanci Holding (im Bild: Vorstand Guler Sabanci) und erwirbt 15,3 Prozent der Anteile.
Ende 2011 steigt schließlich die arabische Gesellschaft Etihad im großen Stil bei Air Berlin ein, kauft einen 29,21-Prozent-Anteil und wird größter Eigner. Etihads Ziel: über das Air-Berlin-Streckennetz auf dem europäischen Flugmarkt Fuß zu fassen.
Unter den neuen Machtverhältnissen steigt Wolfgang Prock-Schauer zum Chef auf und löst Mehdorn ab. Doch steckt die Gesellschaft schon mitten in einer großen Krise. Hunderte Arbeitsplätze werden abgebaut, die Mitarbeiter sollen auf fünf Prozent ihres Gehalts verzichten.
Hinzu kommt, dass ihr geplantes Drehkreuz, der Flughafen Berlin-Brandenburg, wegen Bauplanungsmängeln nicht eröffnet werden kann.
Etihad lässt sich derweil nicht von der Schwäche von Air Berlin beeindrucken. Die Tochter soll näher an andere Beteiligungen wie Alitalia heranrücken, wird zum Puzzleteil in der Strategie der Araber.
Der nächste Chef: Ab Februar 2015 soll Stefan Pichler Air Berlin für seinen arabischen Großaktionär endgültig wieder auf Linie bringen. Doch es geht immer weiter abwärts: 2014 verbucht seine Airline einen Verlust von 377 Millionen Euro - bis dato Rekord. Sein Sparprogramm begründet er gegenüber seinen Leuten knapp: "Wir haben nur noch einen Schuss frei."
Den "letzten Schuss" setzte Pichler in Form einer Rettungsstrategie. Ein Bestandteil: mehr Langstreckenflüge in die USA.
Das Streckennetz in Europa sollte dagegen etwas schrumpfen. Immerhin gab es im Sommergeschäft 2015 schwarze Zahlen für Pichler.
Zentraler Bestandteil für die Zukunftspläne bleibt danach allerdings der starke Partner Etihad. Doch ob er an Bord bleibt, erscheint zunehmend fraglich. Immerhin dürfen die Araber weiter gemeinsame Flüge mit Air Berlin unter einer Codenummer anbieten. Dennoch bleibt bis Anfang 2017 unterm Strich eine Milliarde Euro, die die Araber erfolglos in Air Berlin gesteckt haben.
Im Herbst 2016 stehen die Zeichen bereits auf Zerschlagung. Gespräche mit Lufthansa über einen Verkauf von Geschäftsteilen beginnen. Die Kranich-Airline will 38 Flugzeuge von Air Berlin zumindest zeitweise übernehmen.
Die Zerschlagung könnte auch Folgen haben für den Ferienflieger TuiFly. Dieser kooperiert bisher mit der Air-Berlin-Tochter Niki. Diese könnten zu einer eigenständigen Ferien-Airline zusammengelegt werden.
Der Einfluss der Lufthansa auf Air Berlin wächst bereits im Dezember 2016 massiv, der von Etihad sinkt. An der Unternehmensspitze ersetzt Thomas Winkelmann den glücklosen Stefan Pichler. Zuvor hatte Winkelmann bei der Lufthansa die Tochter Eurowings neu aufgestellt.
Bei Air Berlin gehen die Lichter aus: Am 27.10. startet der letzte reguläre Flug in München und nimmt Kurs auf Berlin. Die Lufthansa wird sich einen Großteil des Maschinenparks einverleiben, Tausende Mitarbeiter bangen um ihre Jobs.
Melden Sie sich an und diskutieren Sie mit
Anmelden