
Machtkampf bei Media-Saturn Streit ist geil
Hamburg - Erich Kellerhals ist stolz auf das, was er geleistet hat. Zusammen mit seinem Geschäftspartner Leopold Stiefel hat er Media Markt aus dem Boden gestampft. Die Unternehmensphilosophie hat Stiefel zu Papier gebracht, damit jeder Geschäftsführer sie nachlesen kann. In der "Media-Markt-Bibel" steht: "Führen heißt: andere groß machen und sich selbst klein."
Doch wenn es um die Macht bei der Elektronikkette Media-Saturn geht, zu der Media Markt gehört, lautet das Motto: Die Kleinen machen sich ganz groß. Die Altgesellschafter Kellerhals und Stiefel halten zusammen nur rund 25 Prozent an dem Unternehmen. Doch sie haben sich ein Vetorecht gesichert - und können den Haupteigentümer Metro bei wichtigen Geschäftsentscheidungen ausbremsen.
Mit juristischen Winkelzügen will der Handelskonzern nun die Macht der Firmengründer brechen. Denn er sieht sich bei wichtigen Entscheidungen - etwa über die Online-Strategie - blockiert. Die Gründer wiederum sehen ihr Lebenswerk in Gefahr.
Der Zoff um die Vorherrschaft bei der Elektronikkette wird in aller Öffentlichkeit geführt und landet nun vor Gericht. Kellerhals klagt gegen den Handelsriesen Metro - Stiefel schlägt sich dabei öffentlich auf seine Seite. Ab Dienstag muss sich das Landgericht Ingolstadt, dem Sitz der Media-Saturn-Holding, mit dem Fall befassen.
Die Richter werden sich mit komplizierten Vertragsklauseln beschäftigen müssen. Doch in dem Machtkampf geht es um viel mehr als Sperrminoritäten. Es geht um den Streit über die richtige Strategie für das Unternehmen - und um Eitelkeiten unter Alpha-Männern.
"Unser Lebenswerk ist bedroht"
Kellerhals will sich auch mit 71 Jahren nicht zur Ruhe setzen. Der gewiefte Unternehmer startete zusammen mit seiner Frau mit einem Elektro-Fachgeschäft in Ingolstadt. Inzwischen werden die beiden mit einem Milliardenvermögen zu den reichsten Deutschen gezählt. Als Kellerhals expandierte, holte er Stiefel ins Boot. Auch er ist kein Manager, der sich mit 66 Jahren zur Ruhe setzen will.
"Wir wollen einfach unser Geschäft weiterführen", sagte Stiefel kürzlich dem SPIEGEL. "Frühere Metro-Chefs haben uns immer versichert, dass Media-Saturn ohne uns nie so groß geworden wäre." Metro aber wolle nun "durchregieren, ohne uns noch fragen zu müssen". Und sein Kompagnon Kellerhals ergänzte: "Unser Lebenswerk ist bedroht."
Und darum geht es im Detail: Mit einem Anteil von rund 75 Prozent beherrscht Metro die Media-Saturn-Holding. Kellerhals hält noch 21,6 Prozent, zusammen mit Stiefels Anteilen kommen die beiden Unternehmer auf rund 25 Prozent. Doch eine Klausel im Gesellschaftsvertrag gewährt ihnen bei Beschlüssen ein Vetorecht. Denn für wesentliche Entscheidungen braucht es laut Satzung eine Mehrheit von 80 Prozent.
Doch Metro-Juristen fanden in den Vertragsunterlagen Passagen über die Möglichkeit eines Beirats. Metro-Chef Eckhard Cordes sieht darin die Chance, die Sperrminorität der Altgesellschafter auszuhebeln. Ein Beirat soll die Gesellschafterversammlung ersetzen, dann könnten Beschlüsse mit einfacher Mehrheit gefasst werden. Darauf will sich Kellerhals nicht einlassen und klagt. Durch Rechtsgutachten renommierter Kanzleien lassen sich beide Seiten jeweils ihre Sicht der Dinge bestätigen. Entscheiden soll nun das Gericht.
Media-Saturn hat den Sprung ins Internet schlicht verpennt
Die Erfahrungen der beiden Gründer wolle man ja gern noch nutzen, heißt es im Umfeld von Metro. Doch dass Kellerhals und Stiefel die Trends im knallharten Handelsgeschäft erkennen, daran zweifelt man bei dem Konzern.
Media-Saturn ist eine Erfolgsgeschichte. Bislang. Für die Kette arbeiten 70.000 Menschen, mit knapp 900 Filialen in 16 Ländern machte das Unternehmen im vergangenen Jahr mehr als 20 Milliarden Euro Umsatz. Doch in den vergangenen Monaten seien die Geschäfte nicht mehr so gut gelaufen, heißt es im Umfeld des Unternehmens. Der Umsatz sei zurückgegangen.
Die größte Baustelle bei Media-Saturn ist das Online-Geschäft. Bis Frühjahr dieses Jahres gab es praktisch keins. Im März kaufte die Metro-Tochter dann den Online-Händler Redcoon. Doch weder Media Markt noch Saturn vertreiben bisher Waren über das Internet - während Konkurrenten längst kräftig Kasse machen. Für den größten europäischen Elektronikhändler ist das blamabel.
Um wachsen zu können, brauche es schnelle Abstimmungsprozesse, sagte Metro-Chef Eckhard Cordes der "Welt am Sonntag". "Die derzeitigen Stimmverhältnisse in der Gesellschafterversammlung haben zum Beispiel bei der Internetstrategie zu Verzögerungen geführt."
Metro-Verbündete lästern über die Blockierer
Dass die Tochterfirma den Online-Trend verschlafen habe, liege auch an Gründer Kellerhals, heißt es im Umfeld von Metro. Bei ihm sei das Thema Internet "schon generationsmäßig nicht verankert". Er habe sich lange gegen die Ablösung des früheren Media-Saturn-Chefs Roland Weise gewehrt. Der Manager aber habe die Öffnung hin zum Online-Geschäft behindert.
Auch beim Thema Internationalisierung und Expansion im Ausland gehe es zu langsam voran. "Ohne Metro wäre die Erfolgsgeschichte von Media-Saturn gar nicht möglich gewesen", heißt es. Durch das Vetorecht der Altgesellschafter werde vieles "zerredet". Kritische Themen würden gleich ganz ausgeklammert. Kurz gesagt: Kellerhals und Stiefel gelten bei Metro als Blockierer.
Die beiden sehen das natürlich ganz anders. "In allen wichtigen Fragen waren wir uns mit der Metro einig: Internetangebot, Expansion nach China, Verkauf des Frankreich-Geschäfts", sagte Stiefel dem SPIEGEL.
Er galt lange als diplomatischer als Kellerhals und soll auch versucht haben, zwischen ihm und Metro-Chef Cordes zu vermitteln. "Stiefel sieht die Herausforderungen und Probleme des Geschäfts realistischer als Kellerhals", heißt es im Umfeld des Konzerns.
Doch auch Stiefel fordert Metro mit flotten Sprüchen heraus. "Es ist mir egal, wer unter mir Metro-Chef ist", verkündete er im SPIEGEL - nur "spaßeshalber", wie er versicherte. Metro-Boss Cordes wird darüber kaum lachen können. Er hat den Ruf eines Alpha-Managers. Doch die beiden Media-Markt-Gründer bringen dem Leitwolf nicht allzu viel Ehrfurcht entgegen. Kellerhals forderte in einem Brief an Metro-Aufsichtsratschef Jürgen Kluge gar, Cordes im Konzern die Zuständigkeit für Media-Saturn zu entziehen.
Ein brisanter Brief und Besuch von der Staatsanwaltschaft
Kein Wunder also, dass auch von Seiten der Metro mit harten Bandagen gekämpft wird. So wurde der Inhalt eines Briefes bekannt, mit dem sich Kellerhals bei der Belegschaft von Media-Saturn keine Freunde macht: In einem Schreiben an Cordes vom September vergangenen Jahres macht er Front gegen Betriebsräte in den Märkten. "Der Unternehmenswert von Media Saturn würde wesentlich fallen, wenn die radikale Verdi Gewerkschaft Fuß fasst", heißt es in dem Brief.
Die Elektronikkette hat aber derzeit ganz andere Probleme als widerspenstige Mitarbeiter. Kürzlich durchsuchten Ermittler die Zentrale von Media-Saturn in Ingolstadt. Manager stehen unter Verdacht, Bestechungsgelder angenommen zu haben. Den Tipp bekam die Staatsanwaltschaft von Metro, heißt es im Umfeld des Konzerns. Man gibt sich pikiert, wie "hemdsärmelig" es bei der Tochter zugeht.
Die Media-Saturn-Holding dagegen teilte mit, dass sie nach einem anonymen Hinweis selbst den Tipp an die Ermittler gab. "Wir arbeiten sehr eng mit der ermittelnden Staatsanwaltschaft Augsburg zusammen und unterstützen sie mit allen unseren Möglichkeiten, ihre Untersuchungen zu Ende zu führen", sagte Media-Saturn-Chef Horst Norberg. SPIEGEL ONLINE liegt zudem ein Schreiben der Ermittler vor, in dem diese erklären, das Ermittlungsverfahren beruhe auf einem Hinweis von Media-Saturn.
"Man redet noch miteinander"
Immerhin heißt es bei Metro: "Man redet noch miteinander." Das operative Geschäft dürfe nicht leiden, versichern beide Seiten. "Das läuft sehr professionell", sagte Cordes. Er hofft auf eine außergerichtliche Einigung beim anstehenden Verfahren: "Wir bleiben an einer konstruktiven Lösung interessiert." Dieses Angebot habe man Kellerhals mehrfach gemacht. "Aber bislang geht er darauf nicht ein."
Kellerhals selbst hat angekündigt, bis zu einer gerichtlichen Lösung könnten Monate oder gar Jahre vergehen. "Wir ziehen das jetzt durch."
Es bleibt abzuwarten, ob Kellerhals und Metro es schaffen, ihren Streit aus dem Geschäftsalltag herauszuhalten. Denn sollte Media-Saturn bei strategischen Entscheidungen blockiert werden, könnte für die Kette eine Regel aus der Grundsatz-"Bibel" der Gründer wahr werden: "Nicht die Großen fressen die Kleinen, sondern die Schnellen die Langsamen."