US-Anklage gegen Ex-VW-Chef Winterkorn "Wer die Vereinigten Staaten zu betrügen versucht..."

US-Justizminister Sessions begleitet die Anklage gegen Martin Winterkorn mit markigen Worten. Dem Ex-VW-Chef wird wegen des Dieselskandals Verschwörung zum Betrug vorgeworfen - er werde dafür "einen hohen Preis zahlen".
Ex-Volkswagen-Chef Martin Winterkorn

Ex-Volkswagen-Chef Martin Winterkorn

Foto: Jochen Lübke/ dpa

Die Aufarbeitung des VW-Abgasskandals durch die Strafjustiz hat zum ersten Mal auch die oberste Ebene des Konzerns erreicht - und dort die absolute Spitze: Der ehemalige Vorstandschef Martin Winterkorn ist in den USA wegen der manipulierten Abgaswerte bei Diesel-Autos angeklagt worden. Dem 70-Jährigen wird laut Anklageschrift unter anderem Verschwörung zum Betrug an den Vereinigten Staaten vorgeworfen.

Die Fallhöhe der Vorwürfe ist auch daran erkennbar, dass sich US-Justizminister Jeff Sessions persönlich dazu äußerte - und das mit deutlichen Worten: "Wer die Vereinigten Staaten zu betrügen versucht, wird einen hohen Preis zahlen", warnte Sessions. Die Anklage zeige, dass sich das "Komplott" zum Umgehen der US-Gesetze über "den ganzen Weg bis zur Spitze des Unternehmens" erstreckt habe, heißt es in der Erklärung des Justizministers weiter.

Die Anklage war bereits im März erhoben worden, wurde aber erst jetzt bekannt. Insgesamt werden dem früheren VW-Chef in der Anklageschrift Gesetzesverstöße in vier Punkten angelastet. Außer Hintergehung der US-Behörden beziehen sie sich auf die mutmaßlich betrügerische Verwendung von Telekommunikationsmitteln.

Winterkorns Anwalt Felix Dörr zeigte sich überrascht vom Schritt der US-Justiz. "Wir sind über die Anklage erstaunt", sagt er dem "Handelsblatt". Die Anklageschrift nehme man zur Kenntnis. "Das weitere Vorgehen werden wir klären."

Deutschland liefert nicht aus

Winterkorn ist nicht der einzige Beschuldigte - zusammen mit ihm wurden noch fünf weitere VW-Manager angeklagt. Sie alle hätten "bewusst und absichtlich Betrug begangen", um die US-Abgasvorschriften zu umgehen, heißt es in der Anklageschrift. Der Autobauer teilte mit, man kooperiere weiterhin vollumfänglich mit dem US-Justizministerium in Bezug auf Handlungen von Individuen. Allerdings sei es nicht angemessen, zu individuellen Verfahren Stellung zu nehmen.

Unmittelbare Auswirkungen hat die Anklage für Winterkorn vorerst nur begrenzt - der Ex-Manager ist derzeit nicht in den USA, und Deutschland liefert seine Staatsbürger nicht aus.

Der langjährige Volkswagenchef Winterkorn war im September 2015 kurz nach Bekanntwerden der Dieselskandals vom Posten an der Spitze des Autokonzern zurückgetreten. Mehrfach hat er seitdem ausgesagt, erst im Monat seines Rücktritts von den millionenfachen Abgasmanipulationen erfahren zu haben. Auch bei seiner Vernehmung durch den Untersuchungsausschuss des Bundestages im Januar 2017 hatte er dies wiederholt.

In der aktuellen US-Anklageschrift wird Winterkorn hingegen nun vorgeworfen, bereits im Mai 2014 in einem internen Memo über den Einsatz einer Software zur Manipulation der Messwerte von Stickoxiden informiert worden zu sein. Bei einer Krisensitzung der Konzernspitze in der Wolfsburger Unternehmenszentrale im Juli 2015 sei er der Anklage zufolge erneut mit Fakten zu den Tricksereien konfrontiert worden. Trotz der Hinweise durch seine Mitarbeiter habe sich Winterkorn beide Male entschieden, die Betrügereien fortzusetzen.

Bereits hohe Haftstrafen in den USA für VW-Manager

Auch in Deutschland wird gegen Winterkorn ermittelt, durch die Staatsanwaltschaft Braunschweig. Dabei geht es um den Verdacht des Betrugs und der Marktmanipulation - konkret den Vorwurf, die Anleger zu spät über die Abgasmanipulation unterrichtet zu haben. Wann der damalige VW-Chef nachweislich darüber informiert war, ist daher entscheidend für die Strafverfolger wie für klagende VW-Aktienanleger. Denn Volkswagen informierte erst am 22. September 2015 per Pflichtmitteilung über erste Rückstellungen wegen des Gesetzesverstoßes in den USA. Bekannt geworden war dieser am 18. September, kurz darauf brach der Kurs der Aktie ein.

VW musste wegen des Skandals in den USA bereits Milliarden Dollar an Straf- und Vergleichszahlungen leisten. Die US-Justizbehörden hatten in der Vergangenheit bereits Strafanzeigen gegen acht amtierende und frühere Mitarbeiter des VW-Konzerns gestellt. Zwei von ihnen wurden bereits zu mehrjährigen Haftstrafen und hohen Geldbußen verurteilt.

fdi/AFP/Reuters
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