
Wunderstoffe der Zukunft: Karbon und Co.
Materialien der Zukunft Stoffe, die Wunder wirken
Es ist eine Zahl, die beeindruckt: Nach Schätzungen des Forschungsministeriums hängen mehr als zwei Drittel aller technischen Innovationen direkt oder indirekt von den Eigenschaften der verwendeten Materialien ab.
Karbon ist einer dieser Stoffe, die ganze Branchen revolutionieren könnten. Die Automobilindustrie setzt große Hoffnungen in die Kohlefasern, die deutlich leichter als Stahl sind. Deshalb wird Karbon auf der diesjährigen Hannover Messe, der größten Industrieschau der Welt, eine zentrale Rolle spielen.
Aber sind die Hoffnungen in die Wunderzutat berechtigt? Und welche anderen Materialien haben noch das Potential, die Wirtschaft in den kommenden Jahren grundlegend zu verändern?
Karbon: Leicht und stabil
Wer Gewicht sparen möchte, setzt auf Karbonfasern. Im Verbund mit anderen Stoffen kann das Material seine enormen Vorzüge ausspielen. Die kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffe (CFK) sind extrem stabil, wobei sie um 30 Prozent leichter sind als Aluminium und nur halb so viel wiegen wie Stahl.
Das Gewicht ist ein entscheidender Ansatz, um den CO2-Ausstoß von Autos zu vermindern. Denn der Effizienzgewinn moderner Motoren wurde in der Vergangenheit durch das immer größere Gewicht der Fahrzeuge wieder relativiert. Karbon könnte da helfen. Auch beim großflächigen Einsatz in Elektrofahrzeugen. Schließlich ist es das Ziel der Bundesregierung, bis 2020 eine Million Stromautos auf die Straße zu bringen. Das hohe Gewicht der Batterien muss an anderer Stelle eingespart werden.
Doch noch ist die Herstellung aufwendig. Viele Arbeitsschritte bei der Fertigung werden per Hand erledigt. "Karbon macht sich im Augenblick in der Formel 1 gut, für die Serienfertigung ist es aber noch zu teuer", sagt Ehrenfried Zschech, Vizepräsident der Federation of European Materials Societies (FEMS), einem europaweiten Zusammenschluss von Materialforschungsgesellschaften. Nur im kleinen, luxuriösen Maßstab werden die CFK deshalb derzeit eingesetzt.
Smart Materials: Alles in einem
Sie sind die Alleskönner im Reich der Stoffe: Smart Materials. Dabei handelt es sich um Materialien, die gleichzeitig mehrere Eigenschaften in sich vereinen, gleichsam mitdenken. Flüssigkeiten, die binnen Millisekunden steinhart werden. Kunststoffe, die sich bei einem Schaden selbst reparieren. Materialien, die förmlich ein Gedächtnis haben: Selbst wenn man sie mehrfach verformt - setzt man sie etwa Wärme oder Licht aus, nehmen sie wieder ihren ursprünglichen Zustand ein.
Insbesondere sogenannte Piezokeramiken haben es den Forschern angetan. "Sie können Lasten tragen, sie können als Sensoren arbeiten und durch äußere Impulse ihre Eigenschaften verändern", sagt Sven Herold vom Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit.
Die Fraunhofer-Allianz Adaptronik stellt auf der Hannover Messe eine Dämpfung für Automobile auf Basis der Piezokeramiken vor. Die Lager können so gesteuert werden, dass sie Vibrationen optimal abfangen können.
Zugetraut wird den Smart Materials aber deutlich mehr: Denkbar sind beispielsweise Flugzeugtragflächen, die ihre Form aerodynamisch optimieren können. "Vieles davon ist aber noch Zukunftsmusik", sagt Jan Maser von PwC.
Biopolymere: Nachwachsende Kunststoffe
Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen wie Mais und Zuckerrüben - die Biopolymere - sind gefragt. Insbesondere der Automobilbau erhofft sich Vorteile von den Biokunststoffen. Die Branche könnte sich von der Petrochemie abkoppeln, auf nachwachsende Rohstoffe setzen und etwa im Leichtbau vorhandene Materialien ersetzen. Und noch etwas ist zu bedenken: "Auch die Recycling-Fähigkeit der im Fahrzeug verbauten Komponenten und Module wird erhöht", sagt Jan Maser von PwC.
Nach Angaben des Branchenverbands Bioplastics liegen die Wachstumsraten in der weltweiten Produktion zwischen 15 bis 20 Prozent jährlich. Doch auf sehr niedrigem Niveau: Von rund 250 Millionen Tonnen jährlich produzierten Kunststoffen liegt der Anteil immer noch unter einem Prozent.
Wachstumschancen werden vor allem den biobasierten Standardkunststoffen zugetraut. Dabei handelt es sich im Grunde um dieselben Kunststoffe, die derzeit auf dem Markt sind, etwa PET, das für Getränkeflaschen eingesetzt wird.
Nur die Rohstoffbasis ändert sich. Anstelle von Öl werden nachwachsende Rohstoffe eingesetzt. Der Vorteil: Die Anlagen und Maschinen zur Weiterverarbeitung müssen nicht ausgetauscht werden. Das Material kann unmittelbar im Produktionsprozess eingesetzt werden. "Die Nachfrage ist im Augenblick viel größer, als dass sie mit der aktuellen Herstellung befriedigt werden kann", sagt Jürgen Bruder, Hauptgeschäftsführer des IK Industrieverbands Kunststoffverpackungen.
Graphen: Klein, aber hart
Für die Erforschung von Graphen gab es im vergangenen Jahr einen Nobelpreis. Graphene sind Kohlenstofflagen, die lediglich ein Atom dick sind. Sie sind extrem hart und haben hervorragende Leitfähigkeiten. Dies macht sie etwa für die Chip-Industrie interessant. Auch in Mobiltelefonen könnten sie zukünftig zum Einsatz kommen.
Viele Unternehmen seien derzeit dabei, Anwendungen für das Material zu entwickeln, bestätigt Wolfgang Paczenski, Sprecher des Netzwerks Innovative Werkstoffe Rheinland. "Aber noch weiß keiner, wie man damit Geld verdienen kann."
"Graphen steht noch am Anfang, ist aber ein unglaublich spannendes Material", sagt Ehrenfried Zschech von FEMS. "Ich denke, dass es in der Sensorik schon bald Anwendungen geben wird." In der Nanotechnologie könnte das Material in Messinstrumenten eingesetzt werden. Vielleicht bei der Erforschung der nächsten Materialien der Zukunft.