Entlassungswelle bei Microsoft "Nadella räumt Steve Ballmers Müll weg"

Microsofts neuer Chef Nadella hatte harte Schritte angekündigt, um den Software-Giganten wieder auf Kurs zu bringen. Trotzdem ist der Schock groß: Jeder siebte Angestellte muss gehen - die meisten arbeiten beim Microsoft-Zukauf Nokia.
Foto: Ted S. Warren/ AP

Satya Nadella liebt das geschriebene Wort. Schon an seinem ersten Tag als Vorstandschef von Microsoft beglückte er die Angestellten - außer dem traditionellen Auftritt im Atrium der Konzernzentrale - mit einer langen E-Mail. Darin protzte er mit poetischen Zitaten (Oscar Wilde) und existenziellen Fragen: "Warum bin ich hier?", "Warum sind wir hier?", "Was tun wir?"

Dem folgten viele weitere Memos und blumige Twitter-Einträge, voller Nietzsche, Rilke und Umberto Eco. "Nadella braucht einen Lektor", spottete der Silicon-Valley-Finanzier Jean-Louis Gassée neulich auf dem Tech-Blog "Quartz".

Nadellas jüngste E-Mail jedoch, verschickt an diesem Donnerstagmorgen um 5 Uhr früh Ortszeit in Seattle, enthielt keinerlei Poesie mehr. Sie war knapp und kühl.

Ominöse Betreffzeile: "Die Entwicklung unserer Organisation und Kultur beginnt." Im zweiten Absatz dann der Donnerknall: Microsoft wird noch dieses Jahr bis zu 18.000 Stellen abbauen - 14 Prozent des Personals. "Ich verspreche, dass wir diesen Prozess so rücksichtsvoll und transparent wie möglich abwickeln werden."

Es ist der größte, brutalste "Kahlschlag", wie die Kommentatoren es nennen, in der 39-jährigen Konzerngeschichte. Eine Radikalkur, mit der Nadella den aufgeblähten Tech-Veteran zu einem modernen, flexiblen "Produktivitäts- und Plattformunternehmen" schrumpfen und "unsere Ambitionen zum Leben erwecken" will.

Hinter diesen Floskeln steckt eine bittere Erkenntnis, die schon Nadellas Vorgänger Steve Ballmer geplagt und im Februar schließlich zum Chefwechsel geführt hat: Der einstige Pionier Microsoft hat den Anschluss verloren - Konsequenz eines "verlorenen Jahrzehnts" ("Vanity Fair"), in dem Microsoft Profite über Innovation setzte und plötzlich als Underdog dastand, als die Welt vom PC mit vorinstallliertem Windows zu mobiler Hardware umschwenkte.

Nadella strafft, kürzt, verschlankt - und feuert

Nadella hat das unvermeidbare Streamlining von Anfang an zur Priorität erhoben: "Wir werden unsere Arbeitsweisen vereinfachen, um größere Verantwortlichkeit zu schaffen, agiler zu werden und uns schneller zu bewegen." Klartext: Er weidet den Mittelbau aus, strafft, kürzt, verschlankt - und feuert. "Nadella räumt Steve Ballmers Müll weg", diagnostiziert der Wall-Street-Blog "Business Insider".

Als Erste gehen müssen 12.500 Mitarbeiter, die Microsoft übernommen hatte, als es die Mobil- und Tabletsparte des finnischen Handybauers Nokia schluckte. Das ist gut die Hälfte aller Nokia-Leute, die Ende 2013 bei Microsoft gelandet waren. Die meisten arbeiteten dort seither am Windows-Phone.

"Wandel ist nötig", schrieb Nokias Ex-Chef Stephen Elop, jetzt Vizepräsident bei Microsoft, in einem separaten Memo. "Solche Entscheidungen sind schwierig für das Team, und wir haben vor, scheidende Team-Mitglieder mit Abfindungen zu unterstützen."

So schockierend die Höhe des Stellenabbaus ist - überrascht hat die Maßnahme weder die Tech-Branche noch die Wall Street. Nadella hat schließlich bei aller Poesie vor allem Härte gepredigt, seit er das Steuer übernahm - und klargemacht, dass er alles anders machen wird als Steve Ballmer.

Er benannte neues Führungspersonal für die zentralen Bereiche Cloud, Firmenkunden, X-Box und Hardware, er gab Office fürs iPad frei, jetzt beendete er auch die Android-Versuche. Mehr dürfte am Dienstag kommen, wenn Microsoft seinen Quartalsbericht vorlegt.

Nadellas erster Warnschuss fürs Großreinemachen kam schon vor einer Woche, ebenfalls per E-Mail: "Unsere Industrie hat keinen Respekt vor Tradition - sie respektiert nur Innovation." Microsoft müsse seine "Seele wiederentdecken".

18.000 Noch-Mitarbeiter dürfen statt mit Seelensuche demnächst mit Jobsuche Beschäftigt sein.

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