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Von Leeson bis Kerviel: Die größten Finanzjongleure

Foto: Oli Scarff/ Getty Images

Milliardenverlust bei UBS Finanzkonzernen droht neue Gierdebatte

Ein UBS-Händler verbrennt im Alleingang zwei Milliarden Dollar - diese Nachricht erschüttert die Finanzmärkte. Zwar dürfte die Schweizer Bank die Verluste verkraften. Doch der Imageschaden ist immens, die gesamte Geldbranche muss sich gegen neue Zockervorwürfe wappnen.

Hamburg - Es war kurz vor Börsenbeginn am Donnerstagmorgen, als die Schweizer Großbank UBS   mit der Schreckensnachricht rausrückte: Das Institut habe einen Verlust von zwei Milliarden Dollar erlitten, nachdem ein Händler unerlaubte Handelsgeschäfte getätigt habe. Die Bank müsse nun mit einem Minus im dritten Quartal rechnen. "Es sind keine Kundenpositionen von diesen Vorgängen betroffen", beendete die UBS ihre spärliche Mitteilung.

Kaum war die Nachricht in der Welt, ging es Schlag auf Schlag: Die UBS-Aktie rauschte direkt nach Handelsbeginn um mehr als acht Prozent in die Tiefe. Der Geldkonzern ergänzte der "Neuen Zürcher Zeitung" ("NZZ") zufolge die Angaben daraufhin: Die Verluste seien durch einen "Händler mit beträchtlicher krimineller Energie" im Aktienhandel in London entstanden und erst am Mittwochnachmittag entdeckt worden.

Kurz darauf nahm die Polizei in der britischen Hauptstadt den 31-jährigen UBS-Mitarbeiter Kweku Adoboli wegen Betrugsverdacht fest, wie die UBS bestätigte.

Der Vorfall versetzt die UBS und die gesamte Finanzbranche in einen Schockzustand - und gibt Kritikern des Bankensystems neuen Zündstoff. Es drängt sich die Frage auf: Warum können einzelne Händler auch nach der Finanzkrise 2008 immer noch mit Milliarden jonglieren, ohne dass es jemandem auffällt? Oder wie es Martin Faust von der Frankfurt School of Finance formuliert: "Welche Mechanismen helfen eigentlich, die Gier der Banker nach hohen Gewinnen und Boni im Zaum zu halten?"

"Das System bleibt anfällig"

Noch rätselt die Fachwelt darüber, wie genau und über welchen Zeitraum die Verluste bei der UBS entstanden sind. Mit Details halten sich die Verantwortlichen zurück. Die UBS bemüht sich vor allem um Schadensbegrenzung. In einer E-Mail von Konzernchef Oswald Grübel heißt es laut der "NZZ", es handele sich um eine "bedauerliche Nachricht". Allerdings werde die "fundamentale Stärke unseres Unternehmens dadurch nicht beeinträchtigt". Die Konzernleitung fordert die Mitarbeiter auf, "sich weiterhin auf Ihre Kunden zu konzentrieren".

Die Schweizer Finanzmarktaufsicht ist alarmiert. Dies sei der "größte Fall, den wir je bei einer Schweizer Bank hatten", sagte ein Sprecher. Marktbeobachter halten die wirtschaftlichen Folgen für überschaubar. Der in London ansässige Helvea-Analyst Peter Thorne sagte, die UBS könne einen Verlust von zwei Milliarden Dollar finanziell durchaus verkraften. Ähnlich äußerte sich auch die Espirito Santo Investment Bank. Die Kursverluste im frühen Handel seien "übertrieben" gewesen, hieß es. Schwerer könnte der Imageschaden wiegen. Für den Ruf der Bank sowie für ihr Management sei es jedoch ein herber Rückschlag, warnt Thorne.

Tatsächlich droht die Debatte um die Macht von Banken, skrupellosen Händlern und zu laxen Kontrollen der Branche jetzt von Neuem loszugehen. Ausgerechnet auf den Tag genau drei Jahre nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers - und in einer Zeit, in der die Turbulenzen an den Finanzmärkten wieder zunehmen. Der Spekulationsskandal bei der UBS erinnert zudem sehr an die Affäre um den französischen Börsenhändler Jérôme Kerviel, der die Großbank Société Générale   um brutto knapp fünf Milliarden Euro betrogen haben soll. Das war Anfang 2008 - und wird im Nachhinein als Vorbote der Finanzkrise gewertet. Auch früher schon haben einzelne Händler bei anderen Banken mit gigantischen Verlusten für Aufsehen gesorgt (siehe Fotostrecke).

Und auch jetzt gibt es keine Entwarnung: "Fälle wie der in Frankreich oder jetzt in der Schweiz können immer wieder passieren", sagt Banken-Experte Faust. Zwar hätten die Geldhäuser aus dem Fall bei der Société Générale gelernt und ihre Kontrollmechanismen entsprechend verschärft. So stünden Händler etwa unter einer besseren Aufsicht als früher. Das Problem aber seien vor allem die Computersysteme, mit denen gehandelt werde. "Fehler in der Software lassen sich nie ausschließen", sagt Faust: "Die Gefahr, verbunden mit krimineller Energie, kann aber erst zu einem so großen Schaden wie jetzt bei der UBS führen." Er vermutet zudem, dass mehr als nur ein Händler hinter dem Betrug stehen müssen. Sein Fazit: "Das System ist und bleibt anfällig."

Folgen für das Investmentbanking

Der Fall UBS könnte Konsequenzen für die ganze Branche haben. Faust zufolge dürfte die Schweizer Bank neben den finanziellen Verlusten einen schweren Reputationsschaden davontragen. Dabei hatte sich das Geldhaus gerade erst von den Folgen der Finanzkrise und dem Steuerstreit mit den USA erholt. Damals hatten reiche Kunden in Scharen die Flucht ergriffen, weil sie das Vertrauen in die Bank verloren hatten. Konzernchef Grübel war mit dem erklärten Ziel angetreten, dieses Vertrauen zurückzugewinnen.

Mindestens genauso schwer wie der Vertrauensverlust dürften die Folgen für das Investmentbanking sein, vermutet Experte Faust. Schon länger steht das riskante Kapitalmarktgeschäft in der Diskussion. Das Parlament in Bern nahm am Donnerstag die Beratungen über ein neues Bankengesetz auf, das eine Erhöhung der Eigenmittel auf 19 Prozent für Schweizer Großbanken vorsieht - mehr als im Rest der Welt. Die Sparte, die knapp 18.000 Leute beschäftigt, war für die Milliardenverluste der Bank in der Finanzkrise verantwortlich.

Das Geschäft dürfte in Zukunft bei verschärften Eigenkapitalvorschriften ohnehin nicht mehr so viel Gewinn abwerfen wie früher, sagte Konzernchef Grübel kürzlich in einem Zeitungsinterview. Auch andere Banken haben mit diesem Problem zu kämpfen.

Auf ihrem Investorentag im November will die UBS ihre weitere Strategie darlegen. "Die Ankündigung von heute fügt der langen Liste von Argumenten für eine substantiell kleinere Investmentbank ein weiteres hinzu", hieß es in einer Marktnotiz von Goldman Sachs  .

Die UBS ist schon dabei, die Sparte zu verkleinern. Nach einem Gewinneinbruch im zweiten Quartal, vor allem dem schwachen Investmentbanking geschuldet, sollen etwa 3500 Stellen gestrichen werden - vorwiegend im Investmentbanking.

Mit Material von Reuters, AP und dpa
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