Millionenprämien Londons Bonus-Banker empören die Briten

Londons Banker fiebern der jährlichen Bonusrunde entgegen - denn nach der Finanzkrise können sie wieder mit satten Prämien rechnen. Die Briten sind entrüstet: Politiker fordern öffentlichkeitswirksam zum Verzicht auf, doch die Finanzwelt lassen die Appelle völlig kalt.
Barclays-Chef Bob Diamond: Symbolfigur der Exzesse in der Londoner City

Barclays-Chef Bob Diamond: Symbolfigur der Exzesse in der Londoner City

Foto: Dan Kitwood/ Getty Images

Bonus

Da sitzt er, der bestbezahlte Londoner Banker, in einem schmucklosen Sitzungssaal in Westminster, und soll öffentlich seinem abschwören. "Werden Sie sich darauf einlassen, Ihren Bonus dieses Jahr nicht anzunehmen?", fragt der Labour-Abgeordnete John Mann den vor ihm sitzenden Bob Diamond am Dienstag. Der Chef der britischen Großbank Barclays   weicht aus: Es sei ihm noch kein Bonus angeboten worden.

Der Abgeordnete stellt die gleiche Frage noch einmal. Und Diamond wiederholt seine Antwort, ohne mit der Wimper zu zucken.

Der jährliche Showdown zwischen Londoner Politikern und Bankern hat begonnen. Pünktlich zum Auftakt der diesjährigen Bonusrunde, die am Freitag von der US-Investmentbank JP Morgan   eingeläutet wird, rufen die britischen Volksvertreter die Spitzenverdiener der Londoner City zur Zurückhaltung auf.

Der Finanzausschuss des Unterhauses grillte am Dienstag mehrere Stunden lang den Barclays-Boss. Es ging um die Zukunft des britischen Bankensektors im Allgemeinen, doch immer wieder kam die Diskussion auf die politisch brisante Boni-Frage zurück. Mit einem geschätzten Verdienst von 75 Millionen Pfund in den vergangenen fünf Jahren gilt der US-Amerikaner als Symbolfigur der Exzesse in der Londoner City.

Barclays-Chef kann mit acht Millionen Pfund rechnen

David Cameron

Banken

Bereits vor der Anhörung hatte Premierminister die an ihre "soziale Verantwortung" erinnert. Diese erstrecke sich auch auf die "Höhe der Bezahlung", sagte der konservative Politiker. Sein liberaler Vize Nick Clegg sekundierte, solange Banken vom Steuerzahler finanziert würden, müsse sich das auch in der Vergütung ihrer Manager widerspiegeln.

Solche Appelle haben schon in den vergangenen Jahren nur bedingt gefruchtet; inzwischen werden die ständigen Mahnungen von den Bankern als reine Zumutung empfunden. Nach zwei Jahren in Folge, in denen die Chefs der größten britischen Geldinstitute auf ihre Boni komplett verzichtet haben, fordern sie ein Ende der öffentlich verordneten Bescheidenheit. "Wir wollen keine Wiederholung des vergangenen Jahres, als sich keiner getraut hat, seinen Bonus anzunehmen", sagte ein hochrangiger Banker der "Financial Times".

Auch Diamond hat offensichtlich keine Lust, nach zwei Jahren ohne Bonus ein drittes Mal leer auszugehen. "Es gab eine Zeit für Reue und Entschuldigung", sagte er im Ausschuss. "Diese Zeit sollte nun vorbei sein." Laut "Guardian" kann er dieses Jahr mit acht Millionen Pfund rechnen.

Auch seine Kollegen wollen wieder ordentlich kassieren. Analysten zufolge können die Chefs der britischen "Big Five" (Barclays  , HSBC  , Lloyds  , Royal Bank of Scotland  , Standard Chartered  ) insgesamt 15 Millionen Pfund an Leistungsprämien für 2010 erwarten. Der Bonuspool für alle Beschäftigten der britischen Finanzbranche soll rund sieben Milliarden Pfund betragen. Das sind 300 Millionen Pfund weniger als vor einem Jahr - da es jedoch kein sonderlich gutes Jahr im Bankensektor war, dürfte der Anteil der Boni an den erwirtschafteten Gewinnen steigen.

Auch die beiden verstaatlichten Banken Lloyds und Royal Bank of Scotland (RBS), die in der Finanzkrise vom Steuerzahler gerettet werden mussten, wollen eifrig ausschütten. RBS-Chef Stephen Hester kann einen Bonus von bis zu 2,5 Millionen Pfund erwarten. Zusammen mit Grundsalär und Rentenzuschüssen käme er damit auf ein Jahresgehalt von 4,2 Millionen Pfund. Insgesamt könnte die frühere Skandalbank, die 2008 den größten Verlust der britischen Wirtschaftsgeschichte einfuhr, eine Milliarde Pfund an ihre Mitarbeiter ausschütten.

Banker haben von der liberalkonservativen Regierung nichts zu befürchten

Vielen Politikern ist die Renaissance der Riesenprämien ein Dorn im Auge. Labour-Oppositionsführer Ed Miliband forderte, der RBS-Chef dürfe keine 2,5 Millionen Pfund bekommen. Die Chefs der öffentlich finanzierten Banken sollten keinen Bonus bekommen, solange sie nicht genug Kredite an britische Unternehmen vergäben, sagte auch der finanzpolitische Sprecher der Liberaldemokraten, Lord Oakeshott. "Jedes Pfund an Boni ist ein Pfund weniger für kleine Unternehmen." Auch Aktienoptionen seien "nicht akzeptabel".

Miliband forderte, die einmalige Boni-Sondersteuer vom letzten Jahr einfach noch einmal zu verlängern. Sie habe 3,5 Milliarden Pfund in die Staatskasse gespült. Die Bankenabgabe, welche die liberalkonservative Regierung an ihre Stelle gesetzt hat, werde dieses Jahr hingegen nur 1,25 Milliarden Pfund einbringen. Warum, fragte der Labour-Chef, würden die Banken entlastet, wenn gleichzeitig die große Mehrheit der Briten unter dem Sparkurs leidet?

Tatsächlich haben die Banken von der liberalkonservativen Regierung nicht mehr viel zu befürchten. Die Tories scheuen vor weiteren unilateralen Sanktionen zurück. Stattdessen verweisen sie auf die neuen EU-Regeln zur Banker-Vergütung. Weiterreichende Pläne, etwa eine Obergrenze für die Bonus-Pools einzelner Banken, wurden verworfen. Auch die Idee, alle Empfänger einer Millionenprämie öffentlich mit Namen zu nennen, will Finanzminister George Osborne nicht im Alleingang umsetzen, sondern allenfalls im europaweiten Einvernehmen.

Lobby-Offensive der Branche trägt Früchte

Die Strategie der britischen Banken scheint aufzugehen. Nach dem Trauma der Boni-Sondersteuer im vergangenen Jahr hatten sie das "Projekt Merlin" ins Leben gerufen - eine Lobby-Offensive unter Leitung des damaligen Barclays-Chefs John Varley, die einen Waffenstillstand mit der Politik zum Ziel hatte.

Bei einem Treffen kurz vor Weihnachten boten sie Finanzminister Osborne an, in diesem Jahr 200 Milliarden Pfund an Krediten für Unternehmen bereitzustellen, ein Drittel davon für kleine Unternehmen. Zugleich versprachen sie, bei der Bezahlung der Mitarbeiter "Disziplin" walten zu lassen. Im Gegenzug wollten sie von weiteren Angriffen während der anstehenden Bonusrunde verschont bleiben.

Die Charme-Offensive hat offenbar gewirkt: Zumindest die führenden Tories und Liberaldemokraten schlagen deutlich konziliantere Töne an. Cameron droht zwar mit einem Veto der Regierung, falls die Boni bei den Staatsbanken zu üppig ausfallen sollten. RBS dürfe die Branche nicht anführen, sondern müsse auf einem hinteren Platz bleiben, sagte er am Wochenende. Gleichzeitig ließ er aber durchblicken, dass er sich am liebsten nicht in Management-Fragen einmischen wolle. Vage Appelle sollen ausreichen.

Cameron hat erkannt, dass ein Politiker in der Boni-Frage nicht gewinnen kann. Die Bevölkerung wird die Bankergehälter immer zu hoch finden. Deshalb legt die Regierung den Schwerpunkt jetzt darauf, die Banken zur Kreditvergabe an Unternehmen und Verbraucher anzuhalten. Das wirkt konstruktiver.

Darüber reden auch die Banker viel lieber. Im Ausschuss ratterte Barclays-Boss Diamond herunter, wie viel Geld seine Bank in den vergangenen Jahren in die britische Wirtschaft gepumpt habe. "Wir verleihen gern Geld", sagte er. "Das ist unser Geschäft."

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