Soziale Absicherung Gewerkschaftsbund dringt auf Reform der Minijobs

Hunderttausende Minijobber verloren in der Coronakrise ihre Beschäftigung. Auf die Politik wächst nun der Druck zu grundlegenden Reformen dieses Arbeitsmodells – ehe die geringfügigen Jobs wieder boomen.
Die Gastronomie beschäftigt viele Aushilfen auf Minijob-Basis

Die Gastronomie beschäftigt viele Aushilfen auf Minijob-Basis

Foto:

Frank Rumpenhorst / dpa

Erleben die Minijobs bald ein Comeback? Nachdem fast 900.000 Minijobs in der Coronakrise verschwanden, droht die Form der geringfügigen Beschäftigung, bei der bis 450 Euro keine Abgaben und Steuern fällig werden, wieder populärer zu werden. Gewerkschaften und Sozialverbände wollen den jüngsten Umbruch jedoch nutzen – und rufen zu einer grundlegenden Reform der Minijobs auf.

»Jede neue Bundesregierung steht in der Verantwortung, Minijobs endlich in Beschäftigung mit sozialer Absicherung umzuwandeln«, sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Das sei »eine der wichtigsten Lehren aus der Pandemie«.

Piel sagte, die Coronakrise habe gezeigt, wie Tausende ihren Minijob verloren hätten und ohne Anspruch auf Kurzarbeiter- oder Arbeitslosengeld in Not geraten seien. Zugleich kritisierte die Gewerkschafterin Pläne der Union, die Verdienstgrenze bei geringfügiger Beschäftigung von derzeit 450 auf 550 Euro anzuheben. Dies sei »fahrlässig und unsozial und würde einen krassen Fehlanreiz für noch mehr Minijobs schaffen«.

Wird Teilzeitarbeit populärer?

Minijobs sind zwar nicht nur bei unteren Einkommen populär, sondern auch etwa als steuersparendes Zuverdienstmodell unter Besserverdienern. Für einen Großteil der Minijobber ist diese Tätigkeit aber ein dringend benötigtes Standbein, um – etwa neben einem Teilzeit-Hauptjob – das Haushaltseinkommen aufzubessern. 60 Prozent der insgesamt noch knapp sieben Millionen Minijobber leben in Haushalten mit einem verfügbaren Monatseinkommen von weniger als 2000 Euro. Hinzu kommt: die Gefahr, arbeitslos zu werden, für Minijobber rund zwölfmal höher als für sozialversicherungspflichtig Beschäftigte.

Entsprechend fordern auch Expertinnen und Experten Veränderungen. Statt sie nach der Pandemie wieder wachsen zu lassen, forderte die Bertelsmann Stiftung etwa eine Abschaffung der Minijobs und eine Stärkung der Teilzeitarbeit. Arbeitsmarktforscher Enzo Weber wiederum schlug in einem SPIEGEL-Gastbeitrag einen befristeten »Sozialversicherungsbonus« vor. So könnten Betriebe belohnt werden, die nun auf reguläre Arbeitsverhältnisse statt erneut auf Minijobs setzen.

Minijobs seien »eine echte Falle«, sagte Piel den Funke-Zeitungen. Nach jahrelanger Arbeit ohne soziale Absicherung seien Armutsrenten im Alter eine direkte Folge. Insbesondere gelte dies für Frauen, die rund 70 Prozent der ausschließlich geringfügig Beschäftigten im Erwerbsalter ausmachten. Frauen gelten auch deshalb von der Minijob-Falle als deshalb besonders betroffen, weil es sich durch das Ehegattensplitting finanziell lohnen kann, dass ein Ehepartner wenig oder gar kein Geld verdient.

Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider, forderte Reformen und zeigte sich zugleich offen für eine teilweise Abschaffung. »Wir müssen schauen, ob Minijobs wirklich notwendig sind und wo man sie wirklich zugunsten von sozialversicherungspflichtigen Jobs abschaffen kann und muss«, sagte er den Funke-Zeitungen. Zugleich hob er mit Blick auf das erhöhte Armutsrisiko im Rentenalter hervor: »Nur weil der Job Mini ist, darf es die Rente nicht auch noch sein.« Minijobber würden hart arbeiten, könnten aber oft nicht Vollzeit im Einsatz sein oder fänden keinen Vollzeitjob. Dies sei nicht ihre Schuld »und dafür dürfen sie im Alter nicht bestraft werden«.

apr/AFP
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten