Mögliche Monsanto-Übernahme Der kontaminierte Konzern

Bayer und BASF prüfen den Kauf von Monsanto, heißt es. Keine gute Idee. Der weltgrößte Hersteller von genetisch verändertem Saatgut würde für die Deutschen zum unkalkulierbaren Risiko.
Gentechnisch veränderter Mais

Gentechnisch veränderter Mais

Foto: Patrick Pleul/ picture-alliance/ ZB

Ausgerechnet Monsanto. Es gibt wohl keinen Konzern, der in Deutschland und Europa einen schlechteren Ruf hat als der weltgrößte Saatguthersteller aus St. Louis, Missouri. Wo immer auf der Welt genetisch veränderter Mais oder Sojabohnen heranwachsen - sie gehen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf genetisch getuntes Saatgut von Monsanto zurück.

Seit Jahren streitet die EU über die weitere Verwendung des möglicherweise krebserregenden Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat - es ist der Wirkstoff des Breitband-Herbizids Roundup, das Monsanto seit 40 Jahren höchst erfolgreich in aller Welt vertreibt.

Nun prüfen die deutschen Chemiekonzerne Bayer und BASF ein Kaufangebot für Monsanto, meldete am Donnerstag die Nachrichtenagentur Bloomberg. Der US-Riese mit dem miesen Image wird an der Börse mit rund 43 Milliarden Dollar bewertet - und kämpft seit Jahren mit hausgemachten Problemen und einem fallenden Aktienkurs.

Die ganz speziellen Probleme von Monsanto

Monsantos Zentrale liegt mitten in Missouri, umgeben von riesigen Mais- und Sojafeldern, wo auch die Gesetzgeber keine Probleme mit genetisch veränderten Pflanzen haben. Von dort aus wollte Monsanto die Welt erobern, mit harten Vorgaben und straffen Hierarchien - und stellte überrascht fest, dass der Rest der Welt doch etwas anders tickt. Er werde noch einmal "verrückt" wegen dieser zermürbenden Debatte über genetisch veränderte Pflanzen, hatte Monsanto-CEO Hugh Grant vor wenigen Wochen gegenüber CNN eingestanden. Dabei ginge es doch nur darum, die Menschheit (mithilfe von Monsanto-Saat und des Breitband-Pestizids Roundup) endlich satt zu bekommen.

Monsanto-Chef Grant weiß: Er muss Verbündete finden, Kritiker mithilfe von Lobbyarbeit umstimmen. Das ist für Monsanto kein neues Feld. Doch diesmal muss Monsanto nicht nur potenzielle Kunden überzeugen, sondern auch mögliche Partner oder gar Käufer auf dem Kapitalmarkt.

Bayer und BASF äußern sich nicht zu einer möglichen Offerte - dass viele Börsianer einen solchen Megadeal für wahrscheinlich halten (und den Monsanto-Aktienkurs seit Donnerstag zweistellig in die Höhe schickten), hat mit dem derzeit grassierenden Übernahmefieber in der Agrarchemiebranche zu tun.

Zwei Deals heizen Übernahmefieber an

Fressen oder gefressen werden, lautet derzeit das Motto im Agrarsektor. Die Preise für Agrarprodukte sind am Boden. Die Krise in Brasilien und anderen großen Schwellenländern verstärken den Druck auf die großen Spieler der Branche. In den vergangenen Monaten haben vor allem zwei Deals dafür gesorgt, dass sogar die beiden Dax-Dickschiffe Bayer und BASF in Kürze in Schwierigkeiten geraten könnten. Trotzdem wären Übernahmen aufgrund der niedrigen Zinsen derzeit einigermaßen gut zu stemmen.

  • Im Dezember schlossen sich die US-Konzerne Dow Chemical und DuPont zum weltgrößten Chemiekonzern DowDuPont zusammen . Mit 130 Milliarden Dollar Börsenwert ist DowDuPont etwa doppelt so viel wert wie der bisherige Spitzenreiter BASF aus Ludwigshafen. Der neue Riese will sich jedoch wieder in drei eigenständige, börsennotierte Unternehmen aufspalten: Eines für den Agrarsektor, eines für die Spezialchemie und eines für den klassischen Chemiesektor. Damit sind für Monsanto, Bayer und BASF drei neue und schlagkräftige Konkurrenten geboren - auf sie wächst der Druck, sich ebenfalls Partner zu suchen.
  • Derzeit prüfen die Wettbewerbshüter die 43 Milliarden Dollar teure Übernahme des Schweizer Pflanzenschutz-Spezialisten Syngenta durch den staatlichen Chemieriesen Chemchina. Die Zustimmung gilt als wahrscheinlich und dürfte die Branche neu sortieren. Monsanto selbst wurde von Syngenta zurückgewiesen, die Schweizer trauten dem US-Konzern nicht über den Weg und hatten sich für den Bieter aus China entschieden. Statt sich selbst mit Syngenta zu stärken, droht Monsanto nun mächtige Konkurrenz durch das neue Bündnis - und die Amerikaner sind zum Teil selbst schuld daran.

Seit Jahrzehnten beherrscht Monsanto als Quasi-Monopolist den Markt für gentechnisch verändertes Saatgut - und geht entsprechend ruppig mit Kunden und Wettbewerbern um. US-Farmer klagten bereits vor Gericht gegen überhöhte Preise; der extrem straff organisierte Konzern schickt Landwirten im Gegenzug gerne mal die "Saatgutpolizei" vorbei. Farmer werden wegen Patentverletzung vor Gericht gezerrt, wenn sie Monsanto-Samen ohne Zahlung der fälligen Lizenzgebühren nutzen.

Vom Herrscher zum Getriebenen

Monsanto ist von einem herrisch auftretenden Fast-Monopolisten zu einem Getriebenen geworden. Der Umsatz ging im abgelaufenen Quartal um rund 13 Prozent auf 4,5 Milliarden Dollar zurück, die Aktie ist in den vergangenen 12 Monaten um rund 15 Prozent eingebrochen. Die Preise für Weizen, Mais und Soja sind gefallen, Farmer kaufen weniger, und in Europa tobt die Debatte um ein Verbot genmanipulierter Pflanzen ebenso wie um ein Verbot von Monsantos ewigem Blockbuster Glyphosat.

Monsanto-CEO Grant braucht dringend eine neue Story, um wieder für Kursphantasie zu sorgen. Warum sich also, trotz aller Probleme, nicht einmal selbst als attraktives Übernahmeziel ins Spiel bringen? Die Signale für einen solchen Deal seien vom Monsanto-Management "selbst ausgesendet" und ein Kauf durch Bayer "unwahrscheinlich", sagt Analyst Jeremy Redenius von Bernstein Research. Bayer brauche Monsanto aus strategischer Sicht nicht - allerdings sei eine Übernahme auch nicht auszuschließen, da sich die Geschäftsbereiche beider Unternehmen ergänzen, so Redenius. Doch für Bayer wäre Monsanto noch aus anderen Gründen ein Risiko.

Neuer Chef, hohe Verschuldung

Es ist erst wenige Wochen her, dass der neue Bayer-Chef Werner Baumann seinen Vorgänger Marijn Dekkers ersetzt hat. Der Niederländer Dekkers hatte den Aktienkurs des Leverkusener Chemieriesen auf neue Höhen getrieben. Zuvor hatte Bayer den 2006 übernommenen Pharmakonzern Schering erfolgreich integriert - unter anderem unter Mitwirkung Baumanns. Rund 90 Milliarden Dollar ist Bayer inzwischen an der Börse wert, die Verschuldung ist im Verhältnis zum freien Cashflow vergleichsweise hoch - möglicherweise zu hoch, um eine 50 Milliarden Dollar teure Übernahme zu stemmen. Zu dem aktuellen Börsenwert von Monsanto von 43 Milliarden Dollar käme ja noch eine Übernahmeprämie hinzu.

Nicht viel anders sieht es bei BASF aus. Der Chemieriese aus Ludwigshafen hat durch die Fusion von Dow Chemical und DuPont die Position des Branchenführers verloren. Gleichzeitig setzt die Konjunkturschwäche in China und anderen Schwellenländern dem Grundstofflieferanten zu. Der Börsenwert der BASF ist zuletzt auf knapp 70 Milliarden Dollar geschrumpft, eine 50 Milliarden Dollar teure Übernahme scheint da eine Nummer zu groß.

BASF-Chef Kurt Bock hatte zuletzt betont, man wolle bei möglichen Übernahmen "sehr diszipliniert" vorgehen - ein teures Abenteuer mit Monsanto erscheint da unwahrscheinlich.

Bei Bayer in Leverkusen wie auch bei BASF in Ludwigshafen dürften derzeit viele Manager darüber nachdenken, wie man sich angesichts der raschen Konsolidierung in der Branche selbst stärken soll. Dennoch sei Monsanto derzeit alles andere als ein schmackhafter Übernahmekandidat, heißt es in der Branche: Nicht nur aufgrund seines ausgeprägt schlechten Image, sondern auch wegen seiner sehr eigenwilligen Unternehmenskultur.

Zusammengefasst: Im Agrarsektor jagt derzeit eine Übernahme die andere. Für Bayer und BASF könnte das ein Motiv sein, Monsanto zu übernehmen. Fressen, um nicht gefressen zu werden, lautet das Motto. Der US-Konzern ist für die Deutschen allerdings zu teuer, zudem gibt es Zweifel an der Substanz seines Geschäftsmodells.

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