Bayers 62-Milliarden-Angebot für Monsanto Mit Risiken und Nebenwirkungen

Es wäre die größte Übernahme in der deutschen Wirtschaftsgeschichte: Bayer will Monsanto für 62 Milliarden Dollar schlucken. Aber ist das überhaupt sinnvoll? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Bayer-Chef Baumann

Bayer-Chef Baumann

Foto: ROBERTO PFEIL/ AFP

Nun ist klar, wie viel der US-Agrarkonzern Monsanto dem deutschen Unternehmen Bayer wert ist: 62 Milliarden Dollar. Damit bieten die Leverkusener noch einmal mehr, als in der vergangenen Woche erwartet wurde, nachdem Bayer die Offerte bestätigt hatte. Über 50 bis zu 60 Milliarden Dollar wurde da spekuliert.

Der neu entstehende Konzern wäre auf einen Schlag Weltmarktführer in der Agrarchemie. Doch zu welchem Preis? Antworten auf die wichtigsten Fragen.


Wie realistisch ist die Übernahme?


Als offiziell wurde, dass Bayer ein Übernahmeangebot vorlegt, reagierte Monsanto wenig begeistert. Der Verwaltungsrat prüfe nun die unverbindliche - und unerbetene - Offerte, die an bestimmte Bedingungen geknüpft sei, teilte Monsanto in dürren Worten mit.

Die Lust, von einem Konkurrenten geschluckt zu werden, hält sich bei Monsanto offenbar in sehr engen Grenzen. Schließlich hatte Monsanto erst im vergangenen Sommer selbst die Übernahme eines großen Konkurrenten versucht und war gescheitert. Der Schweizer Syngenta-Konzern hatte ein 46-Milliarden-Dollar-Angebot zurückgewiesen.

Andererseits befindet sich Monsanto - ebenso wie Bayer - in einer strategischen Zwickmühle. Beide Konzerne sehen ihre Zukunft im Geschäft mit Agrarchemie und Saatgut - sind aber jeweils für sich allein zu klein, um in der Branche bestehen zu können. Denn die wird derzeit durch zwei riesige Fusionen neu geordnet:

Sowohl Bayer als auch Monsanto sind also in diesem Umfeld gezwungen, sich ebenfalls durch Übernahmen zu vergrößern. Auswahl haben sie dabei kaum: Die beiden sind die einzigen verbliebenen Schwergewichte in der Branche. Für Monsanto ist es jedenfalls keine sinnvolle Option, Bayers Angebot auszuschlagen und allein bestehen zu wollen.

Zudem legt Bayer bereits beim ersten Angebot sehr viel Geld auf den Tisch. Viele Analysten gehen davon aus, dass die Leverkusener auch noch einmal nachbessern, wenn es sein muss. Zwar hielt sich Bayer-Chef Werner Baumann am Montag bei der Frage bedeckt, ob er auch eine feindliche Übernahme erwäge. Doch die Aussichten dafür wären wohl nicht schlecht: Wenn Monsantos Aktionäre ein Angebot für so verlockend halten, dass sie es nicht ablehnen können, hat auch der Widerstand des Top-Managements keine Aussicht auf Erfolg.

Werbebanner an Bayer-Zentrale in Leverkusen

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Foto: ROBERTO PFEIL/ AFP


Welche Vorteile sieht Bayer?


Für Bayer wäre der Kauf von Monsanto strategisch nicht nur deshalb sinnvoll, um mit den neuen Schwergewichten in der Branche mithalten zu können. Zudem ergänzen sich die Konzerne sehr gut, sowohl beim Produktportfolio als auch regional. Monsanto ist weltweit die Nummer eins der Saatguthersteller; Bayer hinter Syngenta die Nummer zwei bei Pflanzenschutzmitteln, also der Agrarchemie. Während Monsanto auf dem US-Markt sehr stark ist, ist Bayer in Europa und in Asien sehr erfolgreich.

Zudem würde sich der Zukauf fast optimal in Bayers Konzernstrategie der vergangenen Jahre fügen. Der bis Ende April amtierende Konzernchef Marijn Dekkers hatte den Konzern unaufgeregt und schrittweise weiter umgebaut: Die Kunststoffsparte gliederte er endgültig aus, indem er Covestro an die Börse brachte, die klassische Chemie war bereits 2004 mit Lanxess abgetrennt worden. Übrig blieb ein Konzern mit zwei Säulen: das Pharmageschäft und die Agrarchemie mit Saatgut.

Beide Geschäftsbereiche haben allein wegen des globalen Bevölkerungswachstums gute Aussichten. Dekkers Nachfolger Werner Baumann verweist darauf, dass bis zum Jahr 2050 drei Milliarden Menschen zusätzlich ernährt werden müssten; zudem stelle der Klimawandel für die Landwirtschaft eine Herausforderung dar. Das kombinierte Know-how von Bayer und Monsanto könnte dafür Lösungen bieten, argumentiert Baumann.

Derzeit laufen die Geschäfte bei Monsanto zwar nicht rund, vor allem wegen der Wirtschaftskrise und schwachen Geschäften in Südamerika musste der Konzern sogar seine Gewinnprognose kappen. Gerade deshalb scheint allerdings der Zeitpunkt für eine Übernahme ideal. Auch wenn das Angebot Bayers hoch erscheint - günstiger als jetzt wäre Monsanto künftig wohl nicht mehr zu haben.

Nicht zuletzt erwartet der Bayer-Chef wie bei Fusionen üblich einen Synergieeffekt. Bereits nach drei Jahren soll dieser bei 1,5 Milliarden Dollar liegen.

Anti-Monsanto-Protest in Morges/Schweiz

Anti-Monsanto-Protest in Morges/Schweiz

Foto: Jean-Christophe Bott/ dpa


Wo liegen die Gefahren für Bayer?


Die meisten Analysten sind sich einig: An den Kartellwächtern wird die Übernahme wohl nicht scheitern. Allenfalls bei einzelnen Produkten könnten die Behörden in den USA und Europa Einspruch erheben; hier müsste sich Konzernchef Baumann eventuell von diesen Bereichen trennen.

In Europa und speziell in Deutschland steht insbesondere Bayers Ruf auf dem Spiel. Hier gilt Monsanto als eines der unbeliebtesten Unternehmen: als Großproduzent des Pflanzengifts Glyphosat und führender Genfood-Konzern. Dieser Malus ist außerhalb Europas aber weit weniger ausgeprägt und wird von der Bayer-Spitze in Kauf genommen.

Das finanzielle Risiko ist für Bayer schon etwas höher. Die Leverkusener haben in den vergangenen Jahren Schering und Teile des US-Konzerns Merck gekauft und dadurch derzeit Schulden von rund 16 Milliarden Euro. Trotz der angekündigten Kapitalerhöhung könnte der Monsanto-Kauf den Schuldenstand auf 40 Milliarden Euro steigern. Das ist für sich genommen noch kein Problem, Bayer könnte künftig aber Probleme haben, seine Pharmasparte durch weitere Zukäufe zu stärken.

Nicht zu unterschätzen sind auch die unterschiedlichen Unternehmenskulturen. Während bei Bayer gerade unter Dekkers ein kooperativer und konsensorientierter Stil gepflegt wird, erscheint Monsanto wie die Antithese: Auch in den USA steht der Konzern seit Langem wegen seines Umgangs mit Landwirten in der Kritik.

Die Bauern würden mit Knebelverträgen gezwungen, jedes Jahr aufs Neue Saatgut zu kaufen, anstatt einen Teil der Ernte dafür zu nutzen. Monsanto kontrolliere dies streng und verklage seine Kunden bei Verstößen gnadenlos, werfen Organisationen wie Greenpeace dem Konzern vor. Unternehmenschef Hugh Grant gilt überdies als streitbar und Mann klarer Worte - dementsprechend straff dürfte der Führungsstil bei Monsanto sein.

Wenn zwei so große Konzerne zusammenwachsen sollen, sind Konflikte ohnehin vorprogrammiert, selbst wenn sie sich kulturell nahestehen. Die Integration des aggressiven Monsanto-Konzerns könnte daher die größte Bewährungsprobe für den neuen Bayer-Chef Baumann werden.

Zusammengefasst: Bayer will Monsanto für 62 Milliarden Dollar kaufen - ein Preis, der sogar noch etwas steigen könnte, falls Monsanto sich für unterbewertet erklärt. Dennoch ergibt der Kauf für Bayer Sinn: In der Agrarchemiebranche entstehen derzeit durch Fusionen Riesenkonzerne. Bayer muss nachziehen, um bestehen zu können. Zudem ergänzen sich die beiden Konzerne sowohl bei den Produkten als auch regional. Während Monsanto weltweit die Nummer eins bei Saatgut ist, rangiert Bayer in der Agrarchemie auf Platz zwei. Monsanto ist in den USA sehr stark, Bayer in Europa und Asien. Doch der Kauf birgt für Bayer auch Risiken: Außer einem hohen Schuldenstand muss Vorstandschef Baumann einen Imageverlust fürchten - und die Integration zweier sehr unterschiedlicher Unternehmenskulturen moderieren.

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