Nach Wirecard-Insolvenz Finanzaufsicht Bafin in der Kritik

Hätte die Bafin Wirecard früher und intensiver überprüfen müssen? Nach dem Auffliegen des Bilanzskandals bei dem Zahlungsabwickler kritisiert die Opposition die Aufsichtsbehörde.
Bafin-Präsident Felix Hufeld

Bafin-Präsident Felix Hufeld

Foto: Arne Dedert/ dpa

Weil 1,9 Milliarden Euro in der Bilanz fehlten, hat der Zahlungsdienstleister Wirecard Insolvenz angemeldet. Der Konzern geht inzwischen davon aus, dass das Geld bei zwei philippinischen Banken "mit überwiegender Wahrscheinlichkeit" gar nicht existiert. Die Oppositionsparteien kritisieren deshalb auch die Finanzaufsichtsbehörde Bafin: "Der Imageschaden für den deutschen Finanzstandort ist schon jetzt immens", sagte die finanzpolitische Sprecherin der Grünen, Lisa Paus. "Es ist unverständlich, warum die Bafin nicht schon viel früher aktiv geworden ist und längst eine Sonderprüfung veranlasst hat, statt kritische Stimmen zu ignorieren."

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte: "Olaf Scholz und Peter Altmaier als die zuständigen Minister stehen hier in einer besonderen Verantwortung." Der Finanz- und der Wirtschaftsminister müssten das Fehlverhalten ihrer Behörden erklären.

Anschuldigungen gegen Wirecard waren bereits seit Langem bekannt: Die britische "Financial Times" hatte schon vor mehr als einem Jahr über mögliche Bilanzmanipulationen bei Wirecard berichtet. Da es anschließend zu außergewöhnlichen Kursstürzen der Wirecard-Aktie an der Frankfurter Börse gekommen war, hatten die Bafin und die Münchner Staatsanwaltschaft zuerst Untersuchungen eingeleitet, ob illegale Manöver von Börsenspekulanten dahinter steckten. Der in der vergangenen Woche zurückgetretene und kurzzeitig festgenommene Wirecard-Chef Markus Braun hatte die Berichterstattung der "FT" über Monate als haltlos zurückgewiesen.

Streit um Ausweitung der Bafin-Befugnisse

Die FDP fordert als Konsequenz aus dem Bilanzskandal, die Bafin nicht mit weiteren Aufgaben zu betrauen. "So ein Patzer darf nicht passieren", sagte der Fraktionsvize im Bundestag, Christian Dürr. Das Finanzministerium müsse nachsteuern. Zum Beispiel sollten Pläne auf Eis gelegt werden, 98.000 Finanzvermittler künftig von der Bafin kontrollieren zu lassen statt bisher vor allem von Industrie- und Handelskammern. Das könne die Bonner Behörde überfordern. Im Falle von Wirecard habe es über Jahre Hinweise gegeben. "Das darf nicht passieren. Das schadet dem Vertrauen."

Das Bundesfinanzministerium hingegen will als Konsequenz aus dem Bilanzskandal die Kompetenzen der Bafin erweitern. "Wir müssen bei der Bafin schauen, was schiefgelaufen ist", sagte Finanzstaatssekretär Jörg Kukies dem Nachrichtenportal "The Pioneer". "Wir müssen überlegen, ob die Möglichkeiten der Bafin einzuschreiten, ausreichen. Ob Unternehmen wie die Wirecard AG, die ja effektiv Finanzdienstleistungen erbringt, nicht auch in ihrer Gesamtheit auch als Finanzdienstleister beaufsichtigt werden können."

Weil 1,9 Milliarden Euro in der Bilanz fehlen, meldete der Zahlungsabwickler Wirecard an diesem Donnerstag Insolvenz an. Die Aktie des Dax-Unternehmens stürzte erneut ab.

Bafin-Chef Felix Hufeld muss den Abgeordneten im Bundestag-Finanzausschuss kommende Woche Rede und Antwort dazu stehen. Er hat bereits Fehler seiner Behörde eingeräumt. "Wir sind nicht effektiv genug gewesen, um zu verhindern, dass so etwas passiert", sagte Hufeld. Wichtig sei nun rasche Aufklärung. Was mit Wirecard passiere, sei ein "Desaster".

Auch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY steht in der Kritik, die Bilanzen von Wirecard jahrelang ohne Beanstandung testiert zu haben. EY erklärte dazu nun, es sei "unter Umständen nicht möglich, diese Art von konspirativem Betrug aufzudecken".

Insolvenz könnte einige Banken viel Geld kosten

Die absehbare Insolvenz von Wirecard könnte eine Reihe von Banken teuer zu stehen kommen, die dem Unternehmen über eine Kreditlinie einem Anleiheprospekt zufolge bis zu 1,75 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt haben. Dazu gehören laut Prospekt als führende Institute die Commerzbank und die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), die niederländische ABN Amro und die Deutschland-Tochter der niederländischen ING.

Nach Informationen der Nachrichtenagenturen dpa und Bloomberg hatten die Banken Wirecard gerade erst einige Tage Aufschub gewährt, um die langfristige Überlebensfähigkeit des Unternehmens zu prüfen, bevor sie die ausstehende Summe zurückfordern. Commerzbank und LBBW äußerten sich auf Nachfrage nicht offiziell zu dem Wirecard-Kredit.

Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Fabio De Masi, sprach von einem "Fiasko für den Finanzplatz Deutschland". "Sollten größere Summen bei der Commerzbank abgeschrieben werden müssen, wird Wirecard auch zur Belastung für die Steuerzahler", sagte er. Er forderte personelle Konsequenzen bei der Bafin und eine Abschaffung von Haftungsgrenzen der Wirtschaftsprüfer.

kko/dpa
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