Nachruf auf Theo Albrecht Vater der reinen Discount-Lehre

Oft kopiert, nie erreicht: Mit Aldi haben die Albrecht-Brüder Wirtschaftsgeschichte geschrieben. Sie setzten die Idee konsequent um, ein knappes Sortiment in bester Qualität zu günstigsten Preisen mit minimalem Aufwand zu verkaufen. Und niemand hatte diese reine Lehre so verinnerlicht wie Theo.
Von Sören Jensen
Aldi-Laden 1968: Theos Nordreich lehnte Veränderungen ab

Aldi-Laden 1968: Theos Nordreich lehnte Veränderungen ab

Foto: ullstein bild - AP

Hamburg - Was wäre, wenn es Theo Albrecht nicht gegeben hätte? Wenn er nicht Anfang der sechziger Jahre den ersten Laden vom Typus Aldi (Albrecht-Discount) eröffnet hätte? Und wenn er nicht mit seinem älteren Bruder Karl das erfolgreichste Einzelhandelsformat der Welt geschaffen hätte?

Ganz sicher würden die deutschen Verbraucher nicht davon profitieren, dass die Lebensmittelpreise hierzulande mit zu den niedrigsten in Europa gehören. Zwar ist das Modell Aldi in den vergangenen Jahrzehnten von vielen nachgeahmt worden, wie etwa von Lidl. Doch niemand setzte das Credo, ein knappes Sortiment in guter Qualität zu günstigen Preisen mit minimalem Aufwand zu verkaufen, so konsequent um wie die Albrecht-Brüder.

Dennoch gibt es Unterschiede im Aldi-Imperium, gewaltige Differenzen zwischen Aldi Süd und Aldi Nord. Das lange Zeit von Karl geleitete Halbreich im Süden Deutschlands, in Südosteuropa, in England, in den USA und in Australien ist Kompromisse eingegangen, hat sich ein Stück vom "Harddiscount" entfernt, bietet mehr Artikel mit gefälligerer Ausstattung in schönerer Umgebung.

Bis die Teile auseinanderfallen

Theos Nordreich hingegen, vor allem im Norden und Osten Deutschlands sowie in Westeuropa und Polen aktiv, hat die reine Lehre noch heute verinnerlicht - was allerdings auch unschöne Seiten hat. Bei Aldi Nord sind viele Geschäfte heruntergekommen. Es besteht ein großer Nachholbedarf an Investitionen; Regale, Lampen und Einkaufswagen werden so lange genutzt, bis sie auseinanderfallen.

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Aldi: Die Brüder, die Erben, das Imperium

Foto: Roland_Scheidemann/ picture-alliance/ dpa

Sowohl Karl als auch Theo Albrecht hatten sich längst aus der operativen Führung zurückgezogen und die Firmenanteile in Stiftungen eingebracht. Wie auch immer die Regelungen für den Todesfall aussehen, sie werden den Bestand der beiden Unternehmen sichern.

Während im Süden eine Tochter und ein Enkel Karl Albrechts im Vorstand der Aufsicht führenden Siepmann-Stiftung sitzen, gehören im Norden die beiden Söhne Theo Albrechts, Theo junior, 59, und Berthold, 55, nicht nur dem Vorstand der Markus-Stiftung, sondern auch dem operativen Leitungsgremium an: dem Verwaltungsrat.

Ohne die beiden sähe der Einzelhandel anders aus

Doch weder Theo junior noch Berthold hatten bislang allzu viel mitzureden. Die Entscheidungen traf Verwaltungsratsmitglied und Generalbevollmächtigter Hartmuth Wiesemann, 65. Wiesemann ist der einzige familienfremde Manager, der in den vergangenen Jahren den Kontakt zu dem kranken und immer schwächer werdenden Theo Albrecht hielt. Der hatte seine Villa in den vergangenen Jahren kaum noch verlassen.

Wiesemann steht als Garant dafür, dass das Konzept des Nordens auch nach Theo Albrechts Tod nicht verändert wird. Wiesemann, der mit 65 Jahren nach landläufigen Maßstäben das Rentenalter erreicht hat, ist nach Aldi-Maßstäben hingegen noch ein junger Mann, der noch viele Jahre lang das Unternehmen leiten kann. Wie einst Theo Albrecht lehnt Wiesemann jede Veränderung ab. Die meisten Aldi-Manager, die versucht haben, Neues durchzusetzen, hat er aussortiert.

Was einmal nach Wiesemann kommen wird, ist ein großes Rätsel. Berthold Albrecht hat fünf Kinder, Theo junior eines. Ob die dritte Generation eines Tages in der Führung eine Rolle spielen wird, ist völlig offen. Und auch, ob das vom Norden konsequent verfolgte Harddiscount-Konzept für die fernere Zukunft tragfähig ist.

In jedem Fall hat Theo Albrecht - genau wie sein Bruder Karl -Wirtschaftsgeschichte geschrieben. Ohne die beiden sähe die Einzelhandelslandschaft anders aus.

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