Neuer Staatskonzern EnBW Drei Masterpläne für den Energieriesen

Die Zukunft von EnBW entscheidet sich nach der Landtagswahl im Frühjahr. Mehrere Parteien schmieden bereits Pläne für den Umbau des verstaatlichten Energieriesen. Sogar die Grünen könnten am Ende als Mitbetreiber von Atomkraftwerken dastehen - und finden das gar nicht schlimm.
EnBW-Logo: Vom Privatunternehmen zum Staatskonzern

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Foto: dapd

EnBW

Hamburg - An der Mär von der Übergangslösung hält nicht einmal der Landeschef mehr fest. Als Minsterpräsident Stefan Mappus am Montag bekanntgab, Baden-Württemberg werde 45 Prozent von übernehmen, versprach er noch, die Anteile rasch wieder an die Börse zu bringen. Tags darauf präzisierte er: Das Land könnte EnBW auch länger besitzen, voraussichtlich zwei bis drei Jahre. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" zitiert den CDU-Mann sogar mit dem Satz, der Börsengang sei "nur eine Option".

Was Mappus zu Wochenbeginn als lohnende Kurzfristinvestition beworben hat, könnte also de facto eine Verstaatlichung werden - und das nicht nur unter der Ägide der Union: SPD-Spitzenkandidat Nils Schmid würde die EnBW-Anteile gleich ganz behalten - vorausgesetzt, seine Partei setzt sich bei der Landtagswahl im März durch. Auch die Grünen wollen bei einer Regierungsbeteiligung einen Börsengang von EnBW verhindern - und stattdessen Stadtwerke und regionale Energieversorger ins Boot holen.

Mehr noch: Die Parteien haben schon große Pläne für EnBW. Sowohl Mappus' CDU als auch die rot-grünen Herausforderer reden offen darüber, was sie mit dem Energiekonzern in Zukunft so alles anstellen würden.

Im Kern werden drei strategische Änderungen diskutiert:

  • die Neuausrichtung der Atomsparte,
  • die Neuordnung von EnBWs Beteiligungen an regionalen Gasversorgern,
  • Abtrennung oder Erhalt der Stromnetztochter EnBW Transportnetze AG.

Als Anteilseigner hat die Landesregierung große Gestaltungsmöglichkeiten bei EnBW. Sie kann gleich auf zwei Ebenen auf den Konzern einwirken.

Erstens kann sie die vom Bund beschlossenen Atomregeln landespolitisch auslegen. Die Methode ist verbreitet. So verfolgte die rot-grüne Koalition in Hessen jahrelang eine Politik der Nadelstiche, indem sie Sicherheitsvorschriften eng auslegte und AKW-Betreibern besonders strenge Kontrolleure auf den Hals hetzte. "Das Bundesumweltministerium hat zwar das letzte Wort", sagt Joachim Wieland, Atomrechtler an der Hochschule Speyer. "Es müsste aber bei jedem Disput eine Weisung erlassen." Doch dafür fehlen personelle Ressourcen, außerdem ist es für Minister Norbert Röttgen wenig attraktiv, er würde dann ständig als Verteidiger der Atomindustrie dargestellt.

Zweitens sitzt die Landesregierung bald als großer Anteilseigner im EnBW-Aufsichtsrat. "Je nachdem, wer an der Macht ist, können Verträge von Vorständen verlängert oder Manager installiert werden, die die eigene Linie stützen", sagt Wolfgang Pfaffenberger von der Jacobs University Bremen. Da mit der Landesregierung einer der Hauptanteilseigner wechselt, lassen sich Eingriffe in den Vorstand sogar gut begründen. Die strategische Einflussnahme hat allerdings Grenzen. "Die Regierung kann keine Entscheidungen durchsetzen, die dem Unternehmen ökonomisch schaden", sagt Wieland. "Der Vorstand aber auch der Anteilseigner selbst müssten sich dann dem Vorwurf der Untreue stellen."

Die Pläne der Grünen

"Sollten die Grünen die Landtagswahl gewinnen, wären wir auf einmal AKW-Mitbetreiber", sagt Tübingens Grüner Oberbürgermeister Boris Palmer. "Das Leben ist schon voller ironischer Wendungen." Tatsächlich sei diese Konstellation für die Grünen eine Chance. "Es ist auch unter den Energierversorgern Konsens, dass die Gewinne künftig immer stärker aus erneuerbaren Energien kommen", sagt Palmer. "Auf diesen Strategiewandel könnten wir über den Aufsichtsrat positiv einwirken."

Eine Stellschraube sei, die Sicherheitsphilosophie des Unternehmens zu stärken - so dass er nicht länger nur die Minimalanforderungen erfülle, sondern mehr investiert als er muss. "Bei Neckarwestheim I und vermutlich auch bei Philippsburg I würde sich der Konzern dann wohl zweimal überlegen, ob sich ein Sicherheits-Upgrade tatsächlich rentiert oder ob Abschalten die bessere Lösung ist."

Zudem würden sich die Grünen wohl dafür einsetzen, dass EnBW seine Stromnetztochter verkauft, um den Ausbau der Leitungen voranzubringen. "Denn der ist für den Konzern selbst wirtschaftlich nicht attraktiv", sagt Palmer. "Baden-Württemberg braucht die Leitungen aber dringend - für Strom aus der Nordsee."

Das Engagement von EnBW im Gasmarkt wolle man dagegen ausbauen, sagt Palmers Parteifreund Franz Untersteller. Anders als der mögliche Koalitionspartner SPD hält der Energieexperte "nichts von einer dauerhaften Verstaatlichung" des Konzerns. Stattdessen wollen die Grünen Partner suchen, "die zu einer strategischen Neuausrichtung der EnBW passen" - also die Beteiligung Schritt für Schritt an Stadtwerkekonsortien und regionale Energieversorger verkaufen.

Die Pläne der SPD

Die Sozialdemokraten machen aus ihren Plänen, bei EnBW offen mitzumischen, keinen Hehl. "Wir wollen EnBW vom Atomkonzern zum Konzern der erneuerbaren Energien umbauen", sagt Spitzenkandidat Nils Schmid. Dabei wolle er über den Aufsichtsrat die Personalpolitik und die Strategie des Konzerns steuern.

"Mappus hat uns eine riesige Chance beschert, weil wir als Eigentümer nun Einfluss auf den Konzern nehmen könnten", freut sich der Sozialdemokrat. "Natürlich würden wir das anders machen als er."

Anders als die Grünen wollen die Genossen das Netz nicht verkaufen. Hier gebe es "konstante Ertragschancen für das Unternehmen", sagt Schmid". Was die AKW angeht, kündigt der Sozialdemokrat an, dass EnBW die Laufzeitverlängerungen der Bundesregierung nicht mehr in Anspruch nehmen würde. Das hieße: Neckarwestheim I müsste schon 2011 dichtmachen, Philippsburg I ein Jahr danach.

Tatsächlich ist das vor allem Wahlkampfgetrommel. Denn schon jetzt ist absehbar, dass den Kraftwerken Neckarwestheim I und Philippsburg I keine unendliche Zukunft beschieden sein wird. Die WestLB hat beide Kraftwerke in einer Analyse mit dem Status "at risk" versehen, sprich: Es besteht das Risiko, dass sie abgeschaltet werden. "Beide Kraftwerke haben nur noch geringe Reststrommengen und im Vergleich zu anderen Kraftwerken einen größeren Bedarf an Upgrades, um die vom Bund neu verordneten Sicherheitsanforderungen zu erfüllen", sagt Peter Wirtz, Atomanalyst bei der WestLB.

"Wenn der Strompreis nicht deutlich steigt, ist es wahrscheinlich, dass EnBW sich schon aus ökonomischen Gesichtspunkten entscheidet, die beiden AKW abzuschalten und die ihnen zugeteilten Reststrommengen auf andere Meiler überträgt. Tatsächlich ist derzeit nicht von einem Anstieg der Erzeugerpreise für Strom auszugehen, da auf dem Markt eher ein Überangebot an Elektrizität besteht."

Die Pläne der CDU

Nach außen betont CDU-Chef Mappus gebetsmühlenhaft, seine Regierung werde sich "in das operative Geschäft der EnBW nicht einmischen". Der Staat sei "nicht der bessere Unternehmer". Um dies zu untermauern, hat der Ministerpräsident angekündigt, die Aufsichtsratsposten des Landes mit Experten aus der Wirtschaft zu besetzen.

Doch was von dem "Wir halten uns raus"-Versprechen wirklich zu halten ist, zeigt Mappus bei einem Auftritt vor EnBW-Mitarbeitern in Karlsruhe. Dort ließ Mappus durchblicken, dass er nicht vorhabe, sich komplett rauszuhalten. Einen strengen Sparkurs werde es mit ihm nicht geben, sagte Mappus. Wenn er die Gefahr sehe, dass die Zahl der Arbeitsplätze sinken könne, werde er alles tun, um das zu verhindern.

Konkret könnte sich die Strategie von EnBW unter einer CDU-geführten Landesregierung im Gasmarkt ändern. Man sei nun in der Lage, in Objekte zu investieren, in die man vorher nicht habe investieren können, sagt Konzernchef Hans-Peter Villis. Dabei könnte es zum Beispiel um den norddeutschen Versorger EWE gehen - auch wenn Villis dies nicht kommentieren wollte. Anders als SPD und Grüne setzen die Christdemokraten aber weiter auf die Atomenergie.

Was denkt eigentlich EnBW?

Bleibt die Frage: Was hält EnBW eigentlich selbst von all diesen Szenarien? Sind dem Konzern die Zukunftspläne der Parteien unheimlich? "Wir erwarten keine großen Differenzen", sagt ein Sprecher. "Die Landesregierung hat gesagt, nicht ins operative Geschäft hineinregieren zu wollen, und ohnehin deckt sich unsere Strategie weitgehend mit den Vorschlägen der Parteien."

Investitionsschwerpunkt seien schon jetzt die erneuerbaren Energien, vor allem die Wasserkraft und Offshore-Windparks. Auch der Ausbau des Gasgeschäftes sei Teil der Konzernstrategie. "Wir konzentrieren und dabei auch auf den Bereich Speicher", sagt der Sprecher.

In anderen strategischen Bereichen dürfte es dagegen Streit mit dem neuen Anteilseigner geben. So will EnBW die eigenen Stromnetze behalten und peilt den Weiterbetrieb aller vier AKW an. Hinter den Kulissen ist also Streit programmiert.

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