»So etwas noch nicht erlebt« Ministerpräsident Weil sagt Besuch bei Amazon ab – und kritisiert Unternehmen

Wollte Amazon sein Verhältnis zu Arbeitnehmerrechten unter den Teppich kehren? Für einen geplanten Besuch von Ministerpräsident Weil soll das Unternehmen jedenfalls versucht haben, Vorgaben zu machen – auch der Presse.
Stephan Weil: Vermutet, dass das »Verhältnis von Amazon zur Betriebsverfassung nicht hinterfragt werden sollte«

Stephan Weil: Vermutet, dass das »Verhältnis von Amazon zur Betriebsverfassung nicht hinterfragt werden sollte«

Foto: Christoph Soeder / dpa

Vor Gericht bekam Amazon zuletzt recht: Die ständige Mitarbeiterkontrolle bei dem Versandhändler in Winsen südlich von Hamburg sei rechtens, entschied das Verwaltungsgericht. Nun wollte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil den Logistikstandort im Landkreis Harburg besuchen, doch offenbar fürchtete man in dem Unternehmen weiterhin, auf die Arbeitnehmerrechte angesprochen zu werden.

Amazon soll jedenfalls vor dem Termin darum gebeten haben, die Medien nicht über das Treffen zu informieren. Das teilte die Staatskanzlei in Hannover mit. Als die Staatskanzlei dies ablehnte, habe der Versandhändler um eine Verschiebung gebeten. Dann reichte es dem Regierungschef: Weil hat den Besuch wegen Unstimmigkeiten mit dem Unternehmen abgesagt.

»Ich habe in den letzten Jahren eine Vielzahl von Unternehmen besucht, aber so etwas noch nicht erlebt«, teilte Weil mit. »Die Vermutung liegt nahe, dass das Verhältnis von Amazon zur Betriebsverfassung nicht hinterfragt werden sollte.«

Weil: Auch über Auseinandersetzung mit Betriebsrat sprechen

Dem SPD-Politiker zufolge häuften sich zuletzt Auseinandersetzungen von Amazon mit Betriebsräten, die in Gerichtsverfahren mündeten, so auch am Standort Winsen. »Dass dieser Umstand bei einem Besuch zur Sprache gekommen wäre, erachte ich als selbstverständlich«, sagte Weil. Er betonte, Betriebsräte und Mitbestimmung gehörten zu den tragenden Säulen der Arbeits- und Sozialordnung. Daran lasse die Landesregierung an keiner Stelle Zweifel zu.

Amazon teilte mit, man bedauere es, den Besuch verschieben zu müssen und habe einen Nachholtermin angeregt. Das Unternehmen setze auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit den gewählten Betriebsräten. »Wichtig ist uns auch, regelmäßig die Türen zu öffnen und zu zeigen, wie die Arbeit bei uns aussieht.«

Winsen ist eines von 20 großen Logistikzentren in Deutschland. Zuletzt waren dort 1950 Mitarbeiter auf 64.000 Quadratmeter Fläche beschäftigt. Die meisten arbeiten in einem Drei-Schichten-Modell. Der Betriebsrat hatte zuletzt angegeben, die Beschäftigten verdienten bei der Abfertigung der Pakete den Mindestlohn. Amazon widersprach dem: Der Einstiegslohn liege mit 13,17 Euro je Stunde darüber, teilte das Presseteam in einer Mail mit. Im September 2022 hätten alle Mitarbeiter an deutschen Logistikstandorten eine Lohnerhöhung erhalten.

Anmerkung der Redaktion: Wir haben die Angaben zum Gehalt nach einem Statement von Amazon aktualisiert.

apr/dpa
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