Noa-Bank-Gründer Jozic Wie sich der Anti-Zocker verrannte

Noa-Gründer Jozic: Fleißiger Blogger
Foto: Boris BreuerFrançois Jozic fühlt sich verfolgt. Die Gegner sind aus seiner Sicht die dunklen Mächte das Kapitals. "In diesem Moment, in dem ich zu Ihnen spreche, üben die großen Banken und das Establishment Druck auf die Finanz-Autoritäten aus, um die Noa Bank verschwinden zu lassen", schrieb der 37-Jährige Gründer des alternativen Kreditinstituts vor kurzem in seinem Internetblog. Sein Traum von der "finanziellen Demokratie" drohe im Keim erstickt zu werden, so der Mann mit der überdimensionalen schwarzen Brille.
Tatsächlich scheint die Existenz der Noa Bank ernsthaft gefährdet - allerdings sind daran weniger die deutschen Großbanken Schuld als die klaren Regeln der . Die Finanzaufsicht hat dem Institut mit Sitz in Frankfurt bis auf weiteres verboten, neue Spareinlagen einzusammeln oder Kredite zu vergeben. Die Eigenkapitaldecke der Noa Bank war den Aufsehern offenbar zu dünn für sichere Geschäfte. Sollte es Jozic nicht gelingen, irgendwoher neue Geldgeber aufzutreiben, ist sein Projekt von der Anti-Zocker-Bank wohl gescheitert.
Dabei war Jozic im November 2009 rasant gestartet. Der Belgier, der bis dahin als Berater und Unternehmer gearbeitet hatte, gab mit seiner Vorliebe für Turnschuhe und offenen Hemden den Rebellen in der geschniegelten Bankerkaste. Transparenz lautete das Versprechen - und: "keine Spekulation." Die Sparer sollten selbst entscheiden, was mit ihrem Geld passiert. Egal, ob es als Kredit an Mittelständler aus der Region, an Kultur-, Gesundheits- oder Umweltprojekte fließen sollte.
Vor allem aber bot die Noa Bank überdurchschnittlich gute Zinsen. Für das Tagesgeldkonto gab es 2,2 Prozent. Es klang wie ein modernes Märchen: Gutes tun und trotzdem gutes Geld verdienen. Mit diesem Versprechen sammelte die Bank fast 300 Millionen Euro von 15.000 Sparern ein.
Kunden zweifeln am moralischen Wert des Portfolios
Nur konnte sie selbst mit dem Geld nicht arbeiten, denn das Kreditgeschäft klappte eher schlecht: Zuletzt waren lediglich rund 60 Millionen Euro an Krediten vergeben. Die Lücke ist ein Problem - schon weil die Zinsen für die Kunden irgendwie finanziert werden müssen. Im April zog das Management deshalb die Notbremse: Die Annahme von neuem Tagesgeld wurde vorübergehend gestoppt. Das zähe Darlehengeschäft sei aber nicht verwunderlich, hieß es seitens der Bank gleichzeitig. Die Kreditnehmer müssten schließlich ordentlich geprüft werden.
Kein Grund zur Sorge also? Das sieht so mancher Sparer mittlerweile anders. Zumal die Bank bei ihrer Suche nach Investitionszielen die eigenen moralischen Grundsätze inzwischen eher großzügig interpretiert. So stehen neben Kontokorrentkrediten für die "Arlen Spinnerei" in Volkertshausen und das "Natursteinwerk Schubert" auch Unternehmensanleihen von Konzernen wie Porsche, Lufthansa oder Otto in den Büchern.
Jozic erklärt auf Anfrage, die Bank verwende "nur einen kleinen Teil des gesamten Einlagenbestandes für die finanzielle Unterstützung größerer Unternehmen" und wähle diese zudem sorgsam aus. Einem Teilnehmer des Forums auf der Website der Bank schmecken solche Investments trotzdem nicht: "Es bleibt sehr nüchtern festzuhalten, Noa wollte es anders machen, aber es blieb beim 'Wollen'", lästert er.
Klare Vorgaben bei Kundengesprächen?
Noch dazu ist der größte Kreditnehmer der Noa Bank mit rund 26 Millionen Euro die Tochterfirma Noa Factoring. Das früher unter dem Namen Quorum eigenständige Unternehmen hat Jozic einst selbst mit demselben Partner gegründet, mit dem er sich auch für die Noa Bank zusammentat. Trotzdem findet er nichts Anrüchiges an der praktischen Verbindung - betreibt doch die Noa Factoring ein Geschäft, dass seiner Meinung nach perfekt zu den Grundsätzen der Bank passt. Die Factoring-Tochter kauft Firmen ihre offenen Forderungen ab und begleicht sie umgehend. So würde vor allem kleinen und mittleren Unternehmen, deren Finanzbasis oft schwach ist, geholfen, lautet die Logik.
Das Problem ist: Unter dem Namen Quorum hat das Unternehmen sich vor einigen Jahren einen reichlich zweifelhaften Ruf erworben. SPIEGEL ONLINE berichtete bereits über Vorwürfe, das Unternehmen habe zur Kundenakquise früher Drückerkolonnen eingesetzt. Jozic erklärte damals auf Anfrage: "Bis vor zwei Jahren haben wir mit einem Netzwerk von Selbständigen gearbeitet". Deshalb sei es zu mittlerweile längst behobenen Problemen gekommen.
Ex-Mitarbeiter bestreiten diese Version der Geschichte allerdings. Die Vorgehensweise bei einem Gespräch mit Kunden sei klar vorgegeben und in regelmäßigen Schulungen vermittelt worden, sagt einer von ihnen SPIEGEL ONLINE. Lange habe es sogar Vorgaben gegeben, "wann man ein besorgtes Gesicht zu machen hat".
Auch die Art, wie man auf einem Dokument einen Teil des Textes mit einer Hand abdeckt und mit der anderen den Kuli zur Unterschrift reicht, sei geübt worden. "Das stimmt absolut nicht", lautet Jozics Reaktion auf solche Vorwürfe. "Derartige Vorgehensweisen waren und sind nicht üblich".
"Das wussten wir nicht"
Ein Problem aber, das weiß auch Jozic, tauchte bei der Noa Bank mit der neuen Tochter auf jeden Fall auf: Weil die BaFin bei ihren Prüfungen die gesamte Gruppe berücksichtigt, verschärften sich die Eigenkapitalanforderungen durch die Verschmelzung weiter. "Rechtlich ist dies korrekt, aber das wussten wir nicht", sagt Jozic schlicht in seinem Blog.
Dieses Zugeständnis sei ein Zeichen, mit welch "großer Naivität" der Belgier an das Bankgeschäft herangegangen sei, kritisiert Martin Faust, Bankenexperte von der Frankfurt School of Finance and Management. "Das sind Dinge, die sollten eigentlich bekannt sein." Er habe den Eindruck, dass das von Jozic ausgewählte Management "keinen Einblick hat, wie eigentlich eine Bank zu führen ist", sagt Faust.
Das werfe auch "kein gutes Licht auf die Bankenaufsicht", so Faust weiter. Die müsse schließlich nicht nur das Geschäftsmodell im Vorfeld einer Bankeröffnung prüfen, sondern auch die Eignung des Führungspersonals.
Für den Spezialisten ist die Geschichte der Noa Bank ein echtes Ärgernis - weil sie ein schlechtes Beispiel ist und "damit das Thema Nachhaltigkeit in Verruf kommt". Dabei brauche man eigentlich mehr Ethikbanken in der Branche.
Bis zu 15 Millionen Euro neues Geld
Jozic kämpft derweil um das Überleben seines Projekts. Denn mittlerweile hakt es scheinbar an allen Ecken und Enden. In einem Brief der Tochter Noa Factoring an einen Kunden wird etwa von "Verzögerungen in den Auszahlungen" gesprochen - eine kleine Katastrophe, geht es doch beim Factoring genau darum: Offene Rechnungen zügig zu begleichen.
Es komme nur bei "einigen Auszahlungen" zu Verspätungen, die "geringfügig" seien, erklärt Jozic auf Anfrage. Für Bankenexperte Faust ist die gesamte Bank nach dem Einschreiten der BaFin trotzdem schon "eigentlich tot". Denn Faust bezweifelt, dass das Geldinstitut die nötigen Finanzmittel auftreiben wird, um den Anforderungen der BaFin gerecht zu werden.
Wie viel Geld die Noa Bank auftreiben müsste, um nicht endgültig geschlossen zu werden, darüber schweigt sich die BaFin zwar aus. Jozic selbst erklärt auf seiner Seite aber offen, die Aufseher verlangten zusätzlich 10 bis 15 Millionen Euro. Zwei Millionen Euro hat er eigenen Angaben zufolge gerade aufgetrieben. Weitere Verhandlungen mit "potentiellen Investoren sind weit fortgeschritten und stehen kurz vor dem Abschluss", erklärt er außerdem SPIEGEL ONLINE. "Mit Abschluss der Verhandlungen wird genügend Kapital bereitstehen."