Nord Stream 2
Merkel hofft auf Pipeline-Verhandlungen mit US-Präsident Biden
Kanzlerin Merkel stellt sich demonstrativ hinter die umstrittene Ostseepipeline – und will Joe Biden auf die Russlandgeschäfte der US-Ölindustrie ansprechen. Unterdessen wollen viele Manager den Bau der Gasleitung stoppen.
Bleibt ein Konfliktthema auch mit der neuen US-Regierung: Die Gaspipeline Nord Stream 2
Foto: MAXIM SHEMETOV / REUTERS
Bundeskanzlerin Angela Merkel hält weiterhin am Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 fest. Ihre Einstellung zu dem Projekt habe sich nicht geändert, sagte Merkel am Donnerstag in Berlin. Auch die Verhaftung des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny führe nicht dazu, dass sich dies ändere. Merkel forderte aber die sofortige Freilassung Nawalnys durch die russischen Behörden.
Zugleich ließ Merkel erkennen, dass sie mit dem neuen US-Präsidenten Joe Biden auf eine Verhandlungslösung zu der umstrittenen Gasleitung hofft. Man wolle mit Washington »auch darüber sprechen, welche Wirtschaftsbeziehungen im Gasbereich mit Russland akzeptabel sind und welche nicht«, sagte die CDU-Politikerin am Donnerstag in Berlin.
Merkel verwies darauf, dass auch die USA Handelsbeziehungen mit Russland im Ölbereich hätten. »Das heißt, das müssen wir dann alles auf den Tisch legen«, so die Bundeskanzlerin. Man müsse sich darüber unterhalten, ob man nun gar keinen Handel mehr mit Russland im Gasbereich haben wolle oder welche Abhängigkeit tolerabel sei.
Die gegen Nord Stream 2 verhängten US-Sanktionen kritisierte Merkel erneut. Die USA werfen Deutschland vor, Europa mit der fast fertig gebauten Pipeline zwischen Russland und Deutschland in eine zu starke Abhängigkeit von russischen Energielieferungen zu führen. Befürworter der Pipeline werfen den USA dagegen vor, nur ihr Flüssiggas besser in Europa verkaufen zu wollen.
Streit um Genehmigung könnte sich lange ziehen
Der Streit in Deutschland um die Genehmigung für den Weiterbau der Röhre könnte sich derweil bis ins nächste Jahr hinziehen. »Das kann ein Weilchen dauern«, sagte die Leiterin des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie, Karin Kammann-Klippstein. Nach den Widersprüchen gegen die Genehmigung vom 15. Januar müssten die beiden Umweltverbände ihren Schritt nun schriftlich begründen. Dafür gebe es keine konkrete Frist. Sollte das Bundesamt die Widersprüche dann zurückweisen, könnten die Verbände dagegen klagen.
Die Amtschefin betonte zugleich, dass ihre Behörde nur die Zulässigkeit unter naturschutzfachlichen und anderen Gesichtspunkten prüfe. »Aber wir sind nicht für irgendwelche politischen Entscheidungen zuständig«, sagte Kammann-Klippstein.
Das deutsch-russische Projekt war Ende 2019 wegen angedrohter US-Sanktionen gestoppt worden. Am vergangenen Freitag hatte das Amt den sofortigen Weiterbau der Gaspipeline in deutschen Gewässern genehmigt. Gegen diese Entscheidung haben die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der Naturschutzbund Deutschland Widerspruch eingelegt. Am Dienstag hatte die US-Regierung noch unter Präsident Donald Trump erstmals ein Unternehmen wegen der Beteiligung am Bau der Pipeline bestraft.
Deutsche Manager für Baustopp
Unterdessen zeichnet sich immer stärker ab, dass die Vergiftung Nawalnys auch in Teilen der deutschen Wirtschaft zu einem Umdenken mit Blick auf Russland geführt hat. In einer Teilumfrage des Ifo-Instituts wurden 196 deutsche Manager zu handelspolitischen Themen im Verhältnis zu Russland befragt. Eine knappe einfache Mehrheit von 48 Prozent gab dabei an, einen Baustopp der Pipeline zu befürworten.
Allerdings gibt es große Unterschiede zwischen den Branchen: Drei von vier Managern in der Elektrobranche sind für ein Ende des Projekts, in der Chemiebranche hingegen liegt dieser Anteil nur bei einem Drittel: »Angesichts der Abhängigkeit der Chemiebranche von Öleinfuhren verwundert dies nicht«, so das Fazit der Ifo-Forscher.
Der Ostausschuss der deutschen Wirtschaft hat die Sanktionen der USA gegen die russisch-europäische Gaspipeline jüngst kritisiert. Die USA lehnen die 1200 Kilometer lange Doppelröhre durch die Ostsee mit dem Argument ab, Europa gerate dadurch in Abhängigkeit von Russland. Die USA wollen allerdings auch selbst mehr von ihrem Gas in Europa verkaufen.
Deutsche Häfen bislang nicht von US-Sanktionen getroffen
Häfen und Firmen in Mecklenburg-Vorpommern sind laut zuständigem Landesministerium nicht direkt von den zuletzt verhängten US-Sanktionen gegen Nord Stream 2 betroffen. »Es sind damit keine unmittelbaren Sanktionen gegenüber Häfen oder anderen Unternehmen Mecklenburg-Vorpommerns verbunden«, teilte das Infrastrukturministerium von Mecklenburg-Vorpommern mit.
Wegen entsprechender Regeln in den US-Sanktionsgesetzen gehe man davon aus, dass die US-Regierung zunächst die Bundesregierung konsultieren würde, falls Sanktionen für ein deutsches Unternehmen bevorständen. »Bislang sind uns solche Fälle nicht bekannt.«
Die mittlerweile abgelöste Trump-Regierung hatte am Dienstag eine russische Firma bestraft und deren Verlegeschiff »Fortuna« als »blockiertes Eigentum« eingestuft. Es war das erste Mal, dass die US-Regierung auf Grundlage der Sanktionsgesetze gegen Nord Stream 2 ein Unternehmen wegen der Beteiligung am Bau der deutsch-russischen Gaspipeline bestraft hat.