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Strom aus dem Norden: Windkraft in Schweden

Ökostrom aus dem Norden Mega-Windpark erzürnt Lapplands Ureinwohner

Ein Unternehmer aus Bayern errichtet in Nordschweden den größten Windpark Europas: Mehr als tausend Anlagen sollen in den Wäldern gebaut werden - mit einer Leistung von vier Atomkraftwerken. Doch es regt sich Widerstand gegen das Mammutprojekt, Lapplands Ureinwohner fürchten um ihre Rentierherden.
Von Daniela Schröder

Im Winter liegt meterhoch Schnee, im Sommer scheint die Mitternachtssonne, die Wälder sind dicht und weit. Tourismus und Holzindustrie gehen gut, sonst gibt es nicht viel in Schwedisch-Lappland. Doch bald wird in der endlos wirkenden Natur ein neuer Wirtschaftszweig entstehen: Nicht weit entfernt vom Polarkreis errichtet ein Unternehmer aus Bayern riesige Windräder. Es soll der bisher größte Windenergiepark Europas werden.

In Wolfgang Kropps Geschäftsplan stehen gigantische Zahlen. Auf 450 Quadratkilometern - eine Fläche halb so groß wie Berlin - will er 1101 Windkraftanlagen aufstellen. Zusammen werden sie über eine installierte Leistung von bis zu 4000 Megawatt verfügen. Das entspricht der Kapazität von vier Atomkraftwerken. Acht bis zwölf Milliarden Kilowattstunden Strom soll der schwedische Windpark pro Jahr erzeugen, damit ließen sich zwei Millionen Haushalte im Land versorgen.

Insgesamt sieben Milliarden Euro kalkuliert Kropp für sein Mammutprojekt. Bisher hat er vor allem Investoren aus Deutschland gewonnen, doch auch die schwedische SEB-Bank   will einsteigen. "Es wird bei der Finanzierung Stück für Stück vorangehen, wir werden immer internationaler", sagt Kropp. Den offiziellen Baubeginn plant er für 2013, nach acht bis zehn Jahren soll der Windpark komplett sein. Zwei Pilotanlagen laufen seit Dezember 2008, Ende des Jahres sollen sich schon ein Dutzend Windräder drehen. Gebaut wurden sie vom ostfriesischen Windradhersteller Enercon, der mit 25 Prozent an dem Projekt in Lappland beteiligt ist.

Windenergie

Im März gab die schwedische Regierung grünes Licht für Kropps Plan. Das Ja galt als reine Formsache, denn der Windpark nahe der Hafenstadt Pitea passt gut in das Energiekonzept des Landes: Er soll gut die Hälfte der gesamten grünen Energie liefern, die Schweden im Jahr 2020 verbrauchen wird. Noch produziert das Land den meisten Strom in Atommeilern und Wasserkraftwerken. Beim Thema ist das größte skandinavische Land ein Entwicklungsgebiet. Zwischen Trelleborg im Süden und der nördlichsten Stadt Kiruna drehten sich Ende des vergangenen Jahres nur knapp 1600 Windräder. In Deutschland waren es fast 26.000.

Lokalpolitiker hoffen auf neue Arbeitsplätze

Dabei hat Schweden die besten Voraussetzungen für Windkraft. Und das nicht nur in Lappland, die windreichen Gebiete liegen eher im Süden. Allerdings wohnen dort die meisten Menschen. "Der Süden ist auch außerhalb der Städte zersiedelt, überall stehen Ferienhäuser und Bauernhöfe", sagt Kropp. 1996 war der ehemalige Siemens-Ingenieur nach Schweden gegangen, zuvor hatte er zehn Jahre lang Windparkprojekte in Deutschland aufgezogen. Als ein Freund immer wieder von der Weite des skandinavischen Landes schwärmte, wurde Kropp hellhörig.

Svevind , Wind für Schweden, nannte er seine Firma. Aber über eine Handvoll Windräder im Süden kam Kropp nicht hinaus - die Schweden wollen sich ihre idyllische Landschaft nicht verschandeln lassen, entsprechend stark ist der Widerstand gegen hohe Anlagen. Kropp studierte gründlich Landkarten, dann machte er sich auf in den Norden. In Lappland fand er schließlich den perfekten Standort für ein Großprojekt: die kaum besiedelten Wälder von Markbygden. "Der Wind bläst dort so stark wie an der deutschen Nordseeküste."

Umweltverbände protestierten kaum, der Industriewald gilt als wenig schützenswert. Mit den wenigen Grundstücksbesitzern wurde Kropp schnell einig. "In Deutschland müssten für eine solche Fläche vermutlich 10.000 Eigentümer ihr Okay geben. Hier gehören 95 Prozent des Gebietes zwei Besitzern." Für sie stelle der Windpark lediglich eine weitere Einnahmequelle dar, und unter den hochhängenden Rotoren der Anlagen sollen sich auch künftig Bäume fällen lassen. Lokalpolitiker sehen in Kropps Projekt daher die Chance, in der strukturschwachen Region eine neue Industrie hochzuziehen und Arbeitsplätze zu schaffen.

Lapplands Ureinwohner sind gegen den Windpark

Doch nicht alle sind glücklich über den ambitionierten Plan. Widerstand kommt von Lapplands Ureinwohnern. Die Sami fürchten, dass der Windpark ihre Rentierherden stört, die während der Wintermonate in dem Gebiet grasen. Vor allem aber wollen die Sami nicht länger hinnehmen, wie der industrialisierte Süden ihr Land ausbeutet. Die Papierindustrie verwertet bereits die Wälder, Wasserkraftwerke beherrschen die Flüsse, Eisenerzminen plündern den Boden. "Nun kommen auch noch die Windturbinen", sagte jüngst ein Vertreter von Svevind. "Doch so ist das nun mal mit der wirtschaftlichen Entwicklung."

Den ersten Vorschlag Svevinds für eine Entschädigung von jährlich fünf Millionen Kronen (523.000 Euro) haben die Sami abgelehnt. Der Windpark bedroht unsere traditionelle Lebensweise, argumentieren sie. Doch der schwedische Staat gibt den Sami nicht das Recht auf eigenes Land. Nun haben sie bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eine Klage gegen die deutsche KfW Ipex-Bank eingereicht, die den Windpark mitfinanziert. Wenn sich die Bank an dem Projekt beteiligt, argumentieren die Sami, verletze die KfW ihre eigenen Menschenrechtsstandards.

Gegen den Willen der schwedischen Regierung aber wird wohl niemand ankommen. Denn der offizielle Energiekurs steht fest, und in die Pilotanlage für Kropps Windpark hat Stockholm bereits elf Millionen Euro gesteckt. Die windreiche Provinz Pitea soll sich sogar zu einem Zentrum der erneuerbaren Energien entwickeln.

Noch sind die wenigen Stromleitungen das Haupthindernis für Windprojekte im Norden. Deshalb will Kropp die Energie aus seinem Windpark zunächst in die Trassen der Wasserkraftwerke einspeisen. Doch künftig will die Regierung massiv in neue Leitungen investieren, heißt es bei der staatlichen Energiebehörde. Schwedens dürres Stromnetz soll dichter werden - außerdem soll es mit Nachbarnetzen in Finnland und Litauen verknüpft werden.

Kropp jedenfalls denkt längst über Grenzen hinaus: Ob Schweden, Norwegen oder Finnland - der Norden Skandinaviens mit seinen langen Küsten habe unschlagbar gute Windverhältnisse und kaum Bewohner. "Windkraft aus Skandinavien", sagt er, "die könnte bald auch Deutschland mit Energie versorgen."

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