Öl-Dienstleister Halliburton Der unsichtbare Dritte

Halliburton-Hauptsitz in Houston: Kaum für Ölpest belangt
Foto: ? Reuters Photographer / Reuters/ REUTERSFlorida ist noch immer schön. Das ist zumindest die Botschaft einer neuen Werbekampagne, mit der der US-Sonnenstaat verzweifelt um Touristen wirbt. Denn die bleiben plötzlich aus, seit an den Stränden die ersten Ölklumpen aus dem Golf von Mexiko angeschwemmt wurden: Hotels und Ferienhaus-Vermieter klagen über Buchungsrückgänge von bis zu zehn Prozent.
"Florida hat 1325 Kilometer Strand", intoniert deshalb der Sprecher in einem TV-Spot. "Es gibt viele Orte, wo Sie kristallklares Wasser und einen großartigen Strandurlaub genießen können."
Die PR-Aktion, die pro Monat fast zehn Millionen Dollar kostet, wird größtenteils von BP finanziert. Der Konzern muss als Hauptschuldiger des Öldesasters für die Folgekosten aufkommen. Seit zehn Wochen sprudelt Öl aus einem BP-Bohrloch im Golf, der Energiemulti gerät massiv unter Druck.
Die Kosten für die Umweltkatastrophe steigen für BP immer schneller an. In den vergangenen drei Tagen habe man 300 Millionen Dollar gezahlt, teilte das Unternehmen am Montag mit. Erstmals erreichten die Kosten pro Tag damit die 100-Millionen-Marke. Insgesamt hat BP inzwischen für die Beseitigung der Umweltschäden, für Ausgleichszahlungen an Betroffene und die Rettungsmaßnahmen 2,65 Milliarden Dollar gezahlt.
Ein anderer Protagonist des Dramas hingegen kommt bisher ungeschoren davon - obwohl er tief in die Sache verstrickt ist. Es ist ein Konzern, dessen Name bis heute für allerlei Skandale steht, nicht nur in den USA: .
Halliburton hat den Zement für die missglückte BP-Bohrung gemischt, vier Angestellte befanden sich auf der havarierten Ölplattform "Deepwater Horizon". Neben Transocean - der Firma gehörte die Anlage - und dem BP-Konzern, der die Plattform geleast und betrieben hatte, war Halliburton das dritte Unternehmen, das an dem Projekt beteiligt war, das zum Umweltdesaster im Golf von Mexiko führte. Und Halliburton war die einzige US-Firma.
Halliburton - der unsichtbare Dritte
Halliburtons Rolle in dem wurde dennoch bislang kaum thematisiert. Der BP-Vertragspartner war mitbeteiligt, mitanwesend und womöglich mitverantwortlich. Doch die Medien und die Öffentlichkeit haben sich an BP festgebissen. Halliburton ist der unsichtbare Dritte.
"BP ist verantwortlich", sagte auch US-Präsident Barack Obama bei seinem letzten Besuch am Golf. "BP wird die Rechnung zahlen." Der britische Konzern, von Kurseinbrüchen und Schadensersatzforderungen geplagt, fügt sich zähneknirschend, um sein Image nicht noch mehr zu lädieren. "Sie hatten keine andere Wahl", sagte der Juraprofessor Peter Henning dem "Christian Science Monitor": "Eine der großen Ölfirmen muss immer den Kopf hinhalten."
BP dagegen ärgert es, dass Halliburton bisher so einfach den Kopf aus der Schlinge ziehen konnte. "Auch andere Beteiligte könnten für die Kosten und Verbindlichkeiten aus der Ölpest mit haftbar sein", sagte BP-Chef Tony Hayward. "Und wir erwarten, dass diese Beteiligten ihre Verpflichtungen erfüllen."
Doch da sieht es schlecht aus für BP - und gut für Halliburton. Der Oil Pollution Act (OPA) von 1990 - das im Kielwasser der Tankerhavarie der "Exxon Valdez" erlassene Gesetz über die Konsequenzen von Ölkatastrophen - legt die finanzielle Bürde der Einfachheit halber der Partei auf, "die für das Schiff oder die Anlage verantwortlich ist, aus der das Öl ausläuft". In diesem Fall: BP.
Ein Vertrag soll Halliburton vor Forderungen schützen
Auch hatte Halliburton über die "Deepwater Horizon" einen Vertrag mit BP abgeschlossen, der garantiert, dass Halliburton bei "potentiellen Ansprüchen und Unkosten schadlos" gehalten werde. So hat es das Unternehmen seinen Investoren versichert. Außerdem habe es "im Einklang mit den Instruktionen des Plattformeigners gehandelt". Schadensersatzansprüche gälten nur, würde Halliburton der "groben Fahrlässigkeit" überführt.
Nicht alle Experten legen die Vereinbarung so aus. "Es gibt Unklarheit darüber, wo die Haftung beginnt und wo sie endet", sagte Bart Nash, ein Sprecher des mitbetroffenen Versicherers Lloyd's, der "Washington Post". Der Anwalt Mike Papantonio, der Fischer und Anwohner an der US-Golfküste vertritt, sieht das ähnlich: "Es gibt Dutzende Firmen, die hier eine Rolle spielten", sagte er der Zeitung.
"Es ist voreilig und unverantwortlich, über spezifische Kausalfragen zu spekulieren", widerspricht Halliburton. Die Aktionen der Firma in den Stunden und Tagen vor dem Unglück hätten "Industrienormen" genügt.
Halliburton war für die Zementmischung verantwortlich, mit der das Bohrrohr und das Bohrloch der "Deepwater Horizon" in zwei Schritten abgedichtet und vorübergehend verschlossen werden sollten. Was genau dabei schiefging und wo, ist bis heute ungeklärt und Gegenstand laufender Ermittlungen.
Fest steht, dass der Zement ein genereller Risikofaktor ist: Eine Studie kam 2007 zu dem Schluss, dass der Zementiervorgang das zentrale Problem bei fast der Hälfte aller bisherigen Bohrunfälle im Golf gewesen ist. Und nicht nur dort: Im August vorigen Jahres explodierte eine Ölbohrinsel in der Timor-See vor der Küste Australiens, schätzungsweise 220.000 Barrel Öl traten aus. Auch dort könnte die Unfallursache schlechter Zement gewesen sein. Dessen Hersteller: Halliburton.
US-Abgeordnete wollen Halliburton nicht davonkommen lassen
Entsprechend wollen die Abgeordneten des Energieausschusses im US-Repräsentantenhaus Halliburtons Rolle weiter beleuchten. Das Gremium unter Leitung des Demokraten Henry Waxman ist die treibende Kraft bei der Enthüllung diverser Schlampereien auf der "Deepwater Horizon".
Waxman und sein Kollege Bart Stupak haben Halliburton-Vorstandschef David Lesar inzwischen um schriftliche Auskünfte gebeten. In einem Brief forderten sie alle Akten über "Status, Eignung, Qualität, Kontrolle und Inspektion der Zementarbeiten" auf der "Deepwater Horizon" an. Schließlich seien Probleme mit dem Zement "schon oft" der Grund für Bohrplattform-Explosionen gewesen.
An der Wall Street hat das bislang noch keine Folgen. Die Halliburton-Aktie brach zwar nach der Explosion der "Horizon" zunächst ebenso ein wie die von BP. Seit Anfang Juni erholt sie sich aber wieder. Und die Rating-Agentur Fitch bekräftigte vorige Woche, dass sie ihr A-Rating für den Konzern nicht herabstufen werde: Man glaube nicht, dass Halliburton durch die Ölpest finanziellen Schaden erleiden werde. Tiefseebohrungen seien ein "relativ unbedeutender" Bestandteil aller Aktivitäten Halliburtons.
Halliburton schon früher in Skandale verwickelt
Das stimmt nicht ganz. Im vergangenen Jahr machte Halliburton 14,7 Milliarden Dollar Umsatz. Gut die Hälfte davon - 7,3 Milliarden Dollar - kam aus dem Bohrgeschäft, davon wiederum fast ein Drittel aus Nordamerika. "Unbedeutend" ist das nicht.
Halliburton, ein Krake aus Hunderten Firmen mit insgesamt mehr als 50.000 Angestellten, ist der zweitgrößte Dienstleister der Welt für die Ölbranche - und einer der größten Akteure im globalen Zementmarkt. Es ist nicht das erste Mal, dass der Konzern in Skandale verwickelt ist.
Schon im ersten US-Golfkrieg 1991 und dann im Irak-Krieg 2003 geriet Halliburton in die Kritik. So erklärte sich der Konzern Mitte der neunziger Jahre für schuldig, Export-Sanktionen gegen den Irak und Libyen verletzt zu haben, und musste rund vier Millionen Dollar Strafe zahlen. Voriges Jahr warf ein unabhängiger Untersuchungsbericht dem Unternehmen "Betrug, Verschwendung und Missbrauch" vor. Dies habe bei der "Privatisierung" der Kriege im Irak und in Afghanistan zu "Milliardenverlusten" geführt.
Hintergrund: Dank seiner guten Beziehungen ins Weiße Haus hatte sich Halliburton lukrative, doch oft dubiose Wiederaufbau-Verträge gesichert. Dick Cheney, im Golfkrieg Verteidigungsminister, wurde später Vorstandschef bei Halliburton - und 2001 Vizepräsident unter George W. Bush.
"In den Bush-Jahren war Halliburton so allgegenwärtig", schreibt der Kolumnist Dan Froomkin auf der Web-Seite "Huffington Post", "dass sein Name zum Synonym für Vetternwirtschaft und die korrupte Schnittstelle zwischen der Regierung und dem militärisch-industriellen Komplex wurde - vor allem dann, wenn es um Öl und/oder großes Geld ging."
Trotz des "Horizon"-Unglücks stellt sich Halliburton bis heute ungeniert als Meister der Tiefseebohrung dar. "Halliburton spielt eine wichtige Rolle im technologischen Fortschritt bei den Herausforderungen der Tiefsee", prahlt es auf seiner Web-Seite. "Unsere Erfahrung spricht für sich selbst."