
Windräder: Giganten auf hoher See
Offshore-Energie Deutschland bekommt ersten Mega-Windpark auf dem Meer
Der Wind bläst heftig über die Deiche von Emden. Auf dem Werksgelände der Firma Bard eilen Männer - die Köpfe vor dem Regen zwischen den Schultern eingezogen - vorbei an Rotorenblättern, die halb so lang sind wie ein Fußballfeld. Daneben Gondeln mit Generatoren, groß wie Einfamilienhäuser. Alles ist für "Bard Offshore I" vorbereitet, jetzt kann es losgehen. Noch im September sollen die Bauarbeiten für das erste deutsche kommerzielle Windkraftanlagen-Feld auf dem Meer beginnen.
Der Grundstein dafür wurde bereits 2002 gelegt, als die Bundesregierung erstmals Offshore-Felder in ihre nationale Nachhaltigkeitsstrategie aufnahm. Schließlich bläst der Wind auf dem Meer regelmäßiger und stärker als auf dem Land. Zudem können die Anlagen in ganz anderen Dimensionen geplant werden - was ihren Wirkungsgrad deutlich erhöht. Und eigentlich sollten die ersten Windräder bereits im vergangenen Jahr in Betrieb gehen. Doch die Finanzkrise stoppte die Pläne - der Start wurde verschoben.
Das Testfeld Alpha Ventus hat den Anfang gemacht
Nun aber soll 2009 das Jahr der Offshore-Windkraft in Deutschland werden. Einen erheblichen Anteil hat daran eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG): Die Bundesregierung setzte zum 1. Januar dieses Jahres die garantierte Vergütung für den eingespeisten Strom von Offshore-Windkraftanlagen von 9,1 Cent pro Kilowattstunde auf 15 Cent hoch. "Für Unternehmen und Finanzierer war dies der Startschuss, endlich mit der Umsetzung der lang geplanten Projekte zu beginnen", sagt Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands Windenergie.
Das Testfeld Alpha Ventus hat in diesem Jahr den Anfang gemacht. Im August hat das Konsortium Doti die ersten Windkraftanlagen auf dem Meer 45 Kilometer nördlich der Insel Borkum in Betrieb genommen. Der Betrieb wird zu Forschungszwecken ausgewertet.
Nun folgt in diesem Monat mit "Bard Offshore I" 90 Kilometer nordwestlich von Borkum die erste kommerzielle Anlage. Man habe dank des EEG nun Planungssicherheit für weitere Investitionen, sagt Andreas Kölling, Sprecher des Bard-Konzerns. Neue Fertigungshallen ließen sich nun früher realisieren. Doch selbstbewusst heißt es beim Konzern, dass man auch ohne die Erhöhung der Einspeisevergütung eine Rendite erwirtschaftet hätte. "Wir haben schon vor der Wirtschaftskrise unsere Hausaufgaben gemacht", sagt Kölling.
Mit der Unicredit-Gruppe, die schon seit 2005 an dem Projekt beteiligt ist, hatte man von Beginn an einen finanzkräftigen Partner. Ende August ist noch die Südwest-Strom, ein Kooperationsunternehmen von Stadtwerken aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, mit 70 Prozent als Betreibergesellschaft von "Bard Offshore I" eingestiegen. Denn allein lassen sich die geschätzten 1,5 Milliarden Euro Investitionskosten für die geplanten 80 Windkraftanlagen und die zugehörige Infrastruktur kaum stemmen.
Die Infrastruktur kommt teilweise auch von Bard: Denn das Unternehmen produziert nicht nur Anlagen, sondern definiert sich auch selbst als Kraftwerksbetreiber. Von der neu gebauten Leitwarte in der Emdener Konzernzentrale haben die Ingenieure, Techniker und Logistiker einen Überblick über sämtliche, später in Betrieb befindlichen Windkraftanlagen. Ein gutes Dutzend riesiger Flachbildschirme wurde zu einer durchgehenden Videowand zusammengefügt.
Schon jetzt ist eine schematische Darstellung des zukünftigen Netzes zu sehen. 400 Windkraftanlagen können hierüber gesteuert werden. Die Übersicht dient zudem als Werkzeug für die Logistik. "Wir wissen zu jedem Zeitpunkt, wo sich Mitarbeiter und Material auf See befinden. So können wir sie optimal einsetzen", sagt Ingenieur Eugen Firus. Ist eine Anlage einmal in Betrieb, kann über Videokameras zudem zu jeder Zeit nach dem Rechten geschaut werden.
Hohe Wellen, starke Winde - das Material muss einiges aushalten
Schließlich sind die Giganten auf dem Meer harten Witterungsbedingungen ausgesetzt. Das Salzwasser und die salzhaltige Luft lassen Metalle schneller rosten. Stürme und Wellen ziehen und zerren an der Konstruktion der bis zur äußersten Flügelspitze fast 150 Meter hohen Anlagen.
Grundsätzlich ist das Material zwar so ausgelegt, dass es diesen Belastungen standhält. Sollten dennoch Reparaturarbeiten erforderlich sein, werden Teams per Hubschrauber zu den Schiffen im Offshore-Feld gebracht, die sie weiter zum Einsatzort fahren. Ein Manöver, das auch bei extremen Witterungsbedingungen stattfinden muss, um den Ausfall einer Anlage auf ein Minimum zu begrenzen. Bis zu einer Wellenhöhe von zwei Metern können Komponenten in das Baugebiet gebracht werden. Das von Bard neu für den Bau von Offshore-Anlagen konzipierte Schiff "Wind Lift I" kommt sogar mit einer Wellenhöhe von 4,80 Metern zurecht. Der Kran, der beim Bau verwendet wird, ist bis zur Windstärke sieben einsatzbereit.
Wegen dieser extremen Bedingungen müssen Mitarbeiter von Bard, die offshore arbeiten, ein spezielles Sicherheitstraining durchlaufen. Sogar die Notwasserung mit einem Helikopter und das Aussteigen unter Wasser werden dabei in einem Übungsbecken durchgespielt.
An Land wäre natürlich alles einfacher. Doch der Konzern schwört auf die Offshore-Zukunft. "Es ist schon jetzt sehr schwierig, in Deutschland auf dem Land neue Flächen zu finden, auf denen Windkraft überhaupt noch genehmigt wird", sagt Sprecher Kölling. Dimensionen, wie die von "Bard Offshore I", könnten dort kaum verwirklicht werden. Schließlich soll das Feld einmal 1,6 Terawattstunden Strom im Jahr produzieren. Eine Leistung, mit der rund 400.000 Mehrpersonenhaushalte versorgt werden können.