Opel-Krise GM-Führungschaos erzürnt Betriebsräte

GM-Verwaltungsratschef Edward Whitacre: Dann bezahlen wir das eben selbst
Foto: Carlos Osorio/ APFrankfurt am Main - Der Machtkampf an der Spitze des US- Autobauers General Motors (GM) sorgt für Verwirrung um mögliche Staatshilfen für die Opel-Sanierung. Während das GM-Management bei der rund 3,3 Milliarden Euro teuren Rettung der angeschlagenen Tochter weiter fest auf staatliche Unterstützung in Europa setzt, hält Verwaltungsratschef Edward Whitacre sie für unnötig: "Ich glaube, dass wir gar keine Gelder der Bundesregierung für Opel brauchen. Wenn Frau Merkel nichts zur Verfügung stellen will, dann bezahlen wir das eben selbst", hatte er in einem Interview mit der "Kölnischen Rundschau" erklärt.
Ein GM-Sprecher bestätigte am Freitag, dass GM bei den europäischen Opel-Ländern Unterstützung in Form von Krediten und Bürgschaften ersuchen werde - obwohl Berlin dem um Unterstützung buhlenden GM-Management in dieser Woche die kalte Schulter gezeigt hatte.
Der Opel-Betriebsrat zeigt sich darüber erzürnt - er warf GM am Freitag gravierende Abstimmungsprobleme vor. "Wir erleben Chaostage bei GM. Das ist mehr als ein Bermuda-Dreieck, da weiß der Verwaltungsratschef nicht, was der Vorstandsvorsitzende macht", wetterte Opel-Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schloss sich der Kritik an und verlangte von GM eindeutige Aussagen, ob der US-Autokonzern Staatshilfen für Opel haben will oder nicht. Ihr Sprecher Ulrich Wilhelm sagte am Freitag: "Die Bundesregierung erwartet von General Motors, Klarheit herzustellen."
Doch auch in der deutschen Regierung gibt es Abstimmungsprobleme. Den angemeldeten Milliarden-Sanierungsbedarf hatte Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) nach Gesprächen mit GM-Spitzenmanagern zur Wochenmitte bestätigt. Im ZDF erklärte er dann am Donnerstagabend, dass der GM-Verwaltungsrat inzwischen erklärt habe, GM schaffe die Opel-Sanierung aus eigener Kraft. Dies sei eine "freudige Mitteilung". Das Thema Opel sei damit für ihn "entschärft".
Der Wirtschaftsminister hatte dem GM-Management am Mittwoch eine deutliche Absage erteilt. "Ich habe meine Erwartung ausgedrückt, dass General Motors grundsätzlich die Finanzierung selbst ausübt."
Schäuble schließt Staatshilfen nicht aus
Auf ein offenes Ohr könnte GM offenbar dagegen bei Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) stoßen. Dieser schließt Staatshilfen für Opel nicht grundsätzlich aus. Der Bund könnte sich auch an einem Sanierungsplan von General Motors beteiligen, sagte Schäuble der "Wirtschaftswoche", die am Montag erscheint.
"Wir können doch nicht sagen: Für Magna hätten wir alles Mögliche getan, weil wir auch eine Verantwortung für die Menschen und die Standorte spüren, und jetzt kommt das bei einem anderen Eigentümer überhaupt nicht in Frage." GM hatte den Magna-Deal nach monatelangen Verhandlungen abgeblasen und will Opel selbst sanieren.
Nach Einschätzung von Opel-Betriebsratschef Franz tobt in Detroit ein Machtkampf zwischen Whitacre und GM-Vorstandschef Fritz Henderson, der das operative Geschäft leitet. Henderson hatte sich für einen Opel- Verkauf an Magna ausgesprochen, wurde aber vom Verwaltungsrat unter Führung Whitacres überstimmt. Zudem hält Whitacre den von Konzernchef Henderson geplanten Termin für den Börsengang von GM im zweiten Halbjahr 2010 für verfrüht. Franz sagte: "Henderson wird von Whitacre blamiert. Es gibt keine abgestimmte Kommunikationsstrategie und keine abgestimmte Unternehmenspolitik."
Auch in dem Interview ging der von US-Präsident Barack Obama entsandte Whitacre deutlich auf Distanz zu Henderson. Dessen Entschuldigung für das Platzen des Magna-Deals in mehreren deutschen Medien sei unangebracht gewesen. Er stimme "da ganz und gar nicht mit Henderson überein", sagte Whitacre. Und weiter: "Das Entscheidungsverfahren mag auf manche konfus gewirkt haben, aber wir haben uns da nichts vorzuwerfen."
Betriebsrat fordert nachhaltigen Finanzierungsplan
Der deutsche Betriebsratsvorsitzende Franz geht ebenfalls auf Distanz zu Henderson. Das Chaos sei ein strukturelles Problem von GM. Deshalb glaube er auch den versöhnlichen Worten von Henderson vom Anfang dieser Woche nicht: "Wir haben ein hohes Maß an Übereinstimmung gehabt. Aber es ist ein Unterschied, ob Romeo unter dem Balkon steht und säuselt, oder ob er nachher ins Schlafzimmer hochkommt." So lange die Versprechungen nicht in Verträgen und Beschlüssen rechtlich festgelegt seien, werde sich die Arbeitnehmervertretung keinen Millimeter auf GM zubewegen.
Franz rief GM dazu auf, jetzt einen nachhaltigen Unternehmens- und Finanzierungsplan vorzulegen, der sich nicht nur bis ins nächste Quartal erstreckt, sondern bis ins Jahr 2014 reicht. Möglicherweise wisse man in zwei bis drei Wochen mehr über den Plan. "Wir werden ihn genau überprüfen lassen und dabei auf Dinge wie die Höhe der Lizenzgebühren achten, die Opel an GM bezahlen soll, auf mögliche Arbeitnehmerbeiträge und insbesondere darauf, welche Märkte Opel künftig erschließen darf." Bisher versperrt GM der Tochter den Zugang zu wichtigen Märkten weltweit.
Weitere 200 Millionen Euro zurückgezahlt
Zudem müsse in dem Plan klargestellt werden, welche Fahrzeuge, Motoren und Getriebe Opel in Zukunft baut. Vorbedingung des Betriebsrats für die Aufnahme von Verhandlungen mit GM ist weiterhin, dass wichtige strategische Entscheidungen künftig in einer Opel AG in Rüsselsheim getroffen werden und dort auch die Entwicklungsverantwortung liegt, betonte Franz: "Was nützen uns die ganzen schönen GM-Arien, wenn wir nachher per Gesellschafterbeschluss aus Detroit durchregiert werden."
Am Freitag wurde ebenfalls bekannt, dass GM die Rückzahlung des Überbrückungskredits für Opel fortgesetzt hat. "GM hat heute weitere 200 Millionen Euro des Brückenkredites zurückbezahlt. Der noch ausstehende Betrag in Höhe von 400 Millionen Euro wird bis 30. November bezahlt werden", sagte der Finanzvorstand des Europa-Geschäfts von GM, Enrico Digirolamo, laut Mitteilung des Unternehmens.
Der deutsche Staat hatte Opel einen Überbrückungskredit von 1,5 Milliarden Euro gewährt, der aber nicht komplett genutzt worden war. Damit sollte die Liquidität von Opel während der Insolvenz der Konzernmutter gesichert werden.