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Verhandlungs-Odyssee: Der lange Kampf um Opel

Foto: Martin Meissner/ AP

Opel-Verkauf an Magna Einstieg in eine verzwickte Ehe

Angela Merkel verkündet es mit Genugtuung, die Arbeiter feiern - der US-Konzern GM hat endlich den Verkauf von Opel an Magna beschlossen. Doch die Beziehung zum neuen Eigentümer ist belastet, Streit programmiert: SPIEGEL ONLINE analysiert die Zukunft des Autobauers.

Hamburg - Es ist eine Überraschung nach wochenlangem Hickhack: Der Verwaltungsrat von General Motors hat am Donnerstag dem Verkauf der Opel-Mehrheit an den österreichisch-kanadischen Zulieferer Magna   zugestimmt. Nach Darstellung von Magna sogar ohne neue Bedingungen, und auch die Bundesregierung musste nach den Worten von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) keine weiteren Zugeständnisse machen.

Trotzdem gibt man sich bei Magna skeptisch. "Wir sind noch nicht durch", sagte ein Insider aus dem Umfeld des kanadisch-österreichischen Autozulieferers zu SPIEGEL ONLINE. GM sei ein zuverlässiger Partner, wenn man einen Vertrag unterzeichnet habe - "aber auch wirklich erst dann". Wann der Opel-Verkauf tatsächlich besiegelt sei, könne deshalb niemand abschätzen. "Man darf sich nicht in die Irre führen lassen", sagte der Magna-Insider. Während der Verhandlungen in den vergangenen Monaten hätten sich zu viele Leute "immer wieder geirrt".

Die Skepsis ist wohl berechtigt. Denn zum gleichen Zeitpunkt wie Merkel präsentierte GM-Chef Fritz Henderson seine Sicht der Dinge. Demnach soll Opel eng im Produktentwicklungs- und Einkaufsverbund von GM eingebunden bleiben, damit "alle Seiten vom Austausch von Technologie- und Entwicklungskapazitäten profitieren". Fahrzeuge wie das Elektroauto Ampera etwa könnten wegen der teuren Antriebstechnologien nur mit vereinten Kräften auf den Markt gebracht werden.

Vieles spricht also dafür, dass, wenn die Kooperation zustande kommt, die Zeit der Reibereien erst richtig beginnt. Denn auch wenn die Beteiligten jedes Detail geregelt haben - die gedeihliche Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern lässt sich auch mit einem lückenlosen Vertragswerk nicht garantieren. Und nach dem, was bislang bekannt ist, lassen die Vereinbarungen jede Menge Möglichkeiten für Streit und Blockaden.

SPIEGEL ONLINE analysiert die wichtigsten Knackpunkte:

Wer hat bei Opel künftig das Sagen?

Das Konsortium aus Magna und der russischen Sberbank soll 55 Prozent der Opel-Anteile bekommen, GM will 35 Prozent behalten, und zehn Prozent gehen an die Arbeitnehmer. "Die unternehmerische Verantwortung liegt bei Magna", heißt es im Umfeld des österreichisch-kanadischen Autozulieferers.

Doch dies ist nur die Theorie. Wie sich die Zusammenarbeit der Anteilseigner tatsächlich gestaltet, muss die Zukunft zeigen. So ist keineswegs sicher, dass sich Magna und Sberbank   immer einig sein werden - von General Motors und den Opel-Mitarbeitern ganz abgesehen.

Falls sich das Konstrukt als brüchig erweisen sollte, besteht theoretisch die Möglichkeit eines Rückkaufs. Sollte einer der Partner wieder aussteigen, könnte GM die frei werdenden Anteile übernehmen. Würden die Amerikaner auf diese Weise mehr als 50 Prozent an Opel erhalten, hätten sie wieder das Sagen. Allerdings betonen sowohl Magna als auch die Russen, an einer langfristigen Lösung interessiert zu sein.

Was kommt auf die Mitarbeiter zu?

Gegenwärtig sieht es so aus, als ob Magna sein bisheriges Konzept umsetzen könnte - ohne weitere Einschränkungen. Dies würde bedeuten, dass bei Opel und der britischen Schwester Vauxhall europaweit 10.000 Stellen wegfallen. Wie viele Arbeitsplätze in Deutschland gestrichen werden, verrät Magna noch nicht.

Nur so viel: Alle deutschen Standorte sollen erhalten bleiben, also Rüsselsheim, Bochum, Eisenach und Kaiserslautern. Außerdem verspricht Magna Investitionen in die deutschen Werke in Milliardenhöhe.

Im Vergleich zu anderen Alternativen hört sich dies aus Sicht der Arbeitnehmer gut an. Denn im Falle einer Insolvenz könnten deutlich mehr Stellen wegfallen als bei einem Magna-Einstieg. Auch ein Verbleib von Opel bei GM hätte wohl harte Einschnitte zur Folge. Einen Verkauf an den Finanzinvestor RHJI hatten Bundesregierung und Betriebsrat ebenfalls abgelehnt. Entsprechend groß ist nun, da ein Zuschlag an Magna in greifbare Nähe rückt, die Erleichterung bei Arbeitnehmern und Politikern.

Welche Rolle spielen die Regierungen?

Ohne die Bundesregierung würde der Deal nicht zustande kommen. Sie hat Opel bereits einen Kredit über 1,5 Milliarden Euro gewährt, damit das Unternehmen die Übergangsphase übersteht. Der Einstieg von Magna und Sberbank soll nun ebenfalls vom Staat unterstützt werden - mit weiteren drei Milliarden Euro. Das Geld soll mit Zinsen zurückgezahlt werden, so dass für die öffentliche Hand ein Gewinn bleibt, wenn alles gutgeht.

In die laufenden Opel-Geschäfte will die Bundesregierung nicht eingreifen. Sie hat aber klargestellt, dass die versprochenen Milliarden nur dann fließen, wenn alle deutschen Standorte erhalten bleiben. Diese Bedingung will Magna erfüllen - GM dagegen hat sich bislang sehr zurückhaltend geäußert.

Auch die US-Regierung spielt im Kampf um Opel eine wichtige Rolle. Offiziell will sie sich nicht bei General Motors einmischen. Tatsächlich hält Washington aber mehr als 60 Prozent an dem US-Autokonzern - im Zuge des Insolvenzverfahrens hatte die Regierung die Anteile übernommen. Ob die Regierung unter Präsident Barack Obama auf den Opel-Verkauf Einfluss genommen hat, ist nicht bekannt.

Das Problem: Die US-Regierung will keinen Dollar Staatsgeld nach Europa fließen lassen. Und die Bundesregierung will keinen Opel-Euro in die USA überweisen. Bei einem nach wie vor bestehenden Konzernverbund sind beide Positionen aber kaum umsetzbar - Streit zwischen Berlin und Washington ist programmiert.

Wie soll der Konzernverbund mit GM aussehen?

Die Frage, wie eng Opel in den GM-Konzernverbund eingebunden bleiben soll, war von Beginn der Verhandlungen an heftig umstritten. Aus Sicht der Amerikaner ist die Sache klar: Opel sichert den Zugang zum europäischen Markt ebenso wie zum russischen und denen in Zentralasien. Aus Sicht der Fraktion im GM-Vorstand um den Marketingvorstand Bob Lutz, die sich energisch gegen den Verkauf ausgesprochen hatte, ist die Preisgabe dieser Märkte das entscheidende Argument. Denn die Wiedereroberung könnte am Ende teurer sein als die Sanierung der Europa-Tochter. Die Forderung Hendersons, Opel auch künftig eng an die Abläufe im GM-Konzern zu binden, dürfte ein Zugeständnis an diese Strömung sein.

Für Magna könnte das bedeuten, dass in Zukunft jede Entscheidung, die die Distanz zum einstigen Mutterkonzern vergrößern könnte, hart umkämpft sein wird. Mehr noch: Die GM-Oberen werden alles daran setzen, nicht nur strategische Entscheidungen in ihrem Sinne zu beeinflussen. Magna dürfte es unter diesen Umständen schwerfallen, dem Unternehmen seinen Stempel aufzudrücken.

Wie sieht Opels strategische Ausrichtung aus?

Grund für Diskussionen gibt es genug - etwa um die strategische Ausrichtung von Opel. Denn nach wie vor bleiben Fachleute skeptisch, wie sich die Rüsselsheimer am Markt behaupten wollen.

Um im Konkurrenzkampf mit Branchengrößen wie Volkswagen   oder dem französischen PSA-Konzern zu bestehen, fehlt es Opel schlicht an Größe. Mit rund 1,8 Millionen verkauften Autos ist das Unternehmen nicht stark genug, um den Zulieferern die Preise zu diktieren. Und es ist kaum anzunehmen, dass Magna gewillt ist, seine neue Tochter über Rabatte querzusubventionieren.

Auf der anderen Seite wird Opel auch kaum in der Lage sein, die höheren Teilekosten über Premiumpreise wieder hereinzuholen - dafür fehlt den Rüsselsheimern schlicht das Image.

Welche neuen Märkte kann Opel erschließen?

Auch die Frage, auf welchen Märkten Opel an den Start gehen soll, dürfte noch für Streit sorgen. Bereits die Aufteilung des russischen Marktes war während der Verhandlungen Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen. Das Magna-Konsortium wollte nämlich auch die Vertriebsrechte für Chevrolet zugestanden bekommen, die unterhalb von Opel angesiedelt ist.

GM aber dürfte sich auf Dauer kaum mit einer solchen Rolle in Russland zufriedengeben. Dafür gilt der Markt dort als viel zu dynamisch und lukrativ.

Könnte Know-how nach Russland abwandern?

Die Frage, in welchem Umfang und zu welchem Preis Opel auf GM-Technologien zurückgreifen darf, dürfte ein weiterer Quell nachhaltigen Streits sein. Die GM-Unterhändler hatten bereits in den Verhandlungen klargemacht, dass ihnen die Vorstellung, der russische Autohersteller Gaz könnte sich als Minderheitsaktionär künftig aus dem Konzernregal bedienen, ein Graus ist. Aber auch sonst dürfte Detroit bemüht sein, über die Lizenzierung von Patenten einen möglichst guten Schnitt zu machen.

Speziell wenn es um Zukunftstechnologien wie den Elektroantrieb geht, ist der Disput programmiert. Denn die Rüsselsheimer reklamieren die Urheberschaft für sich - auch wenn die Patente schließlich in den Konzernpool nach Detroit wanderten. Kaum anzunehmen, dass sich die harten Verhandler von GM übertrieben kompromissbereit zeigen werden.

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