Roboterboten im Test Achtung, Rollpost

Hermes-Paketroboter
Foto: SPIEGEL ONLINEEs wirkt ein bisschen, als führe Jan Werum einen gut dressierten Hund aus. Auf "wait" bleibt Werums Begleiter stehen, "go", und er setzt seinen Weg durch den Hamburger Stadtteil Ottensen fort, "attention" warnt ihn vor überholenden Radfahrern.
Doch Werum geht nicht mit seinem Hund spazieren. Der Student begleitet für das Logistikunternehmen Hermes ein kleines, sechsrädriges Gefährt, einen Paketrobotor. Und der lernt gerade Laufen, also Fahren.

Hermes-Mitarbeiterin bepackt den Roboter
Foto: SPIEGEL ONLINEOb Paketroboter oder Lieferdrohnen: Fast alle Logistikunternehmen testen momentan die automatisierte Zustellung. Amazon experimentiert mit unbemannten Fluggeräten, die Post hat den "DHL Paketkopter" auf Probeflüge geschickt. Hermes dagegen setzt nicht auf Drohnen, sondern auf das Gefährt des estnischen Unternehmens Starship Technologies, geführt vom Skype-Mitgründer Ahti Heinla.
Warum keine Drohnen wie die Konkurrenz, sondern ein knuffiges Miniauto? Eben auch weil der Starship-Roboter so niedlich aussieht, viel weniger bedrohlich als eine über dem Vorgarten kreisende Drohne. Viele Passanten und Kunden reagierten positiv auf den Roboter, heißt es bei Hermes, das zeigten die ersten Tests.
Mit ihnen begann der Logistikdienstleister Mitte August, noch bis Jahresende sollen drei gemietete Starship-Roboter in den Hamburger Stadtvierteln Ottensen, Volksdorf und Grindel im Einsatz sein. Am Mittwoch stellte die Otto-Tochter ihre Roboter und erste Testergebnisse vor.
Als "Meilenstein" bezeichnet Frank Rausch, Geschäftsführer von Hermes Deutschland, den Einsatz der Roboter. Dieser gebe einen "faszinierenden Einblick in die Logistik der Zukunft".
Die Realität zeigt, wie weit diese Zukunft wohl noch entfernt ist.

Paketroboter
Foto: SPIEGEL ONLINEZwanzig Stunden in der Woche läuft Jan Werum mit den Robotern durch die drei Testgebiete. Bis vor einigen Tagen hatte er dabei noch keinen einzigen Kunden beliefert. Denn Werum muss dem Roboter erst einmal den Weg zeigen, ihm beibringen, wie er allein zum Empfänger findet. Die Kiste auf Rädern ist zwar mit GPS ausgestattet, verfügt über ein Lokalisierungssystem und erkennt ihre Umgebung mit neun Kameras. Doch während der Roboter den Weg zum Kunden auf einer Karte finden würde, scheitert er in der Praxis an hohen Bordsteinen oder Baustellen. Wie sie mit solchen Hindernissen umgehen soll, muss die Maschine erst lernen - oder den Menschen fragen.
Ragt ein Ast auf den Bürgersteig, soll der Roboter eine Einfahrt queren, bleibt er stehen. Erst wenn Werum mit einem "safe" den Weg freigibt, rollt das Gefährt weiter. Dabei kommuniziert Werum nicht mit dem Roboter selbst, sondern per Internettelefon mit einem Starship-Mitarbeiter in der estnischen Hauptstadt Tallinn. Dieser steuert mithilfe der Kamerabilder den Roboter. Noch.
Diebe soll der Roboter mit einem Alarmsignal abhalten
Irgendwann soll der Zustellroboter autonom fahren, ein Starship-Mitarbeiter würde dann nur noch mehrere Maschinen auf einem Monitor überwachen und im Notfall eingreifen. Einen menschlichen Begleiter wie Werum, im Testmodus eine Auflage der Stadt Hamburg, soll der Roboter dann ebenfalls nicht mehr brauchen.
An diesem Vormittag hilft Werum dem Roboter nicht nur bei der Orientierung, sondern auch bei der Kommunikation. Denn der Zusteller auf Rädern löst Reaktionen aus: "Das ist doch ein Scherz, ne?", fragt ein Mann; ein paar Meter weiter erkundigen sich drei ältere Damen, was sie tun müssen, um künftig ihre Post vom Roboter zu bekommen. Einmal brauchte Werum Minuten, um einem Mann zu erklären, dass er nicht zu der Spaßsendung "Die versteckte Kamera" gehöre.

Mitarbeiter Jan Werum mit Roboter
Foto: SPIEGEL ONLINEEine Frage hört Werum besonders oft: Kann man das Ding klauen? Man kann. Doch der Roboter sendet seine Position permanent an die Firmenzentrale, versucht jemand, ihn aufzubrechen, gibt er einen Warnton von sich. Außerdem ist es nicht so unauffällig, einen mehr als 20 Kilogramm schweren Roboter unter dem Arm davonzutragen.
Kein Ersatz für menschliche Zusteller
Doch einige Fragen können auch Werum und Hermes nicht beantworten: Wer haftet, wenn der Roboter in einen Unfall verwickelt wird? Was ist, wenn die Kameras Gesichter oder Nummernschilder filmen?
Etwa hundert Gespräche führt Werum am Tag. Dazu kommen der Mitarbeiter in Tallinn und der Umstand, dass der Roboter nach jeder Lieferung zur Station zurückkehren muss, da er höchstens zwei Pakete in Standardgröße fasst. Viel Aufwand, vor allem dafür, dass Starship damit wirbt, die Zustellkosten deutlich zu senken.
Er könne sich vorstellen, dass Hermes die Zustellung per Roboter irgendwann als Zusatzleistung anbiete, sagt der Sprecher Ingo Bertram. Gegen einen geringen Betrag könnten sich Kunden dann zur gewünschten Uhrzeit ihre Sendung bringen lassen, statt sie selbst von einem Paketshop abholen zu müssen. Hermes-Zusteller wolle man nicht durch die Roboter ersetzen.
Vermutlich sind die Maschinenboten aber nicht nur ein Zusatzdienst für bequeme Kunden, sondern auch eine günstige Gelegenheit für Hermes, sich selbst zu bewerben. Selbstfahrende Fahrzeuge, Mobilität von morgen - um die Roboter scharen sich beim Pressetermin die Journalisten.
In Ottensen bringt der Roboter nun seit einigen Tagen die Pakete von der Lieferstation an die Haustür der Testkunden; in Volksdorf soll es bald auch so weit sein, im Grindelviertel Mitte Oktober. Die Testkunden sind Hermes- und Otto-Mitarbeiter sowie deren Bekannte. Eine SMS benachrichtigt sie über die Ankunft des Roboters vor der Haustür, über einen Link können sie das Paketfach öffnen. Die Roboter fahren maximal Schrittgeschwindigkeit und nutzen die Fußwege.
Ungefähr 1,4 Millionen Sendungen stellt Hermes täglich zu. Ein Zusteller liefert an einem Arbeitstag zwischen 80 und 120 Pakete aus, also bis zu fünfzehn in der Stunde. Der Roboter braucht schon mal eine Stunde - für ein Paket. Und um 17 Uhr hat auch er Feierabend. Auflage der Stadt.