Sondersitzung des Finanzausschusses Altmaier und Scholz sehen beim Wirecard-Skandal keine Fehler, aber Reformbedarf

Alles richtig gemacht, aber ändern muss sich dennoch etwas - so der Tenor der Minister Scholz und Altmaier vor dem Finanzausschuss. Die Opposition kritisiert den Auftritt der beiden.
Peter Altmaier bei der Sondersitzung des Finanzausschusses

Peter Altmaier bei der Sondersitzung des Finanzausschusses

Foto: Michael Kappeler / dpa

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sieht bei der Aufarbeitung des Wirecard-Skandals keine Fehler bei der Aufsicht über die Wirtschaftsprüfer. Altmaier sagte am Mittwochabend nach einer Sondersitzung des Finanzausschusses, die Abschlussprüferaufsichtsstelle habe, soweit er das nachvollziehen könne, sehr früh und zu jedem Zeitpunkt die notwendigen und die richtigen Schritte ergriffen. Die entsprechenden Fragen der Abgeordneten seien beantwortet worden. "Ich glaube nicht, dass es Unklarheiten in dieser Richtung noch in irgendeiner Weise gibt."

Die SPD hatte Altmaier vorgeworfen, bisher zu wenig zur Aufklärung beigetragen zu haben; er sei zuständig für die Aufsicht über die Wirtschaftsprüfer. Das Wirtschaftsministerium hat stets darauf verwiesen, die Abschlussprüferaufsichtsstelle sei eine unabhängige berufsrechtliche Aufsicht über Wirtschaftsprüfer-Regelungen für die Wirtschaftsprüfer und die Anforderungen an die Prüfungen lägen in der Zuständigkeit des SPD-geführten Justizministeriums.

Ein großes Wirtschaftsprüfungsunternehmen hatte für die Wirecard-Jahresabschlüsse von 2009 bis 2018 jeweils einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt. Manipulationen wurden nicht erkannt. Der inzwischen insolvente Zahlungsdienstleister Wirecard hatte im Juni Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt.

Altmaier nannte die Vorgänge um Wirecard "bedrückend" und "besorgniserregend". Es sei die gemeinsame Verantwortung der Bundesregierung, nun die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. "Ich habe aber auch darauf hingewiesen, dass es wichtig ist, die Vorgänge so aufzuklären, damit wir keine Konsequenzen ergreifen, bevor wir genau wissen, wo die Probleme im Einzelnen liegen, wer welches Fehlverhalten sich hat zuschulden kommen lassen."

Ähnlich hatte sich zuvor SPD-Finanzminister Olaf Scholz im Finanzausschuss geäußert: "Das, was zu tun war, ist getan worden", sagte der SPD-Politiker laut Nachrichtenagentur Reuters. Nach seiner mehrstündigen Befragung betonte Scholz anschließend seinen Reformwillen: "Das ist meine große Sorge: Wenn sich die gegenwärtige Aufregung gelegt hat, wenn nicht mehr dieses Thema so sehr im Fokus steht, dass dann alle nicht mehr die Kraft und den Mut haben, der jetzt für diese Reformen wichtig ist", sagte der SPD-Politiker. "Wenn wir Widerstände überwinden wollen, dann gelingt das nur jetzt in diesem Moment und nicht in sechs, sieben, acht oder neun Monaten." Es sei "eine gute, notwendige Diskussion mit vielen Details" gewesen.

Opposition behält sich Untersuchungsausschuss vor

Die Forderung nach Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses bleibt im Wirecard-Skandal dennoch auf dem Tisch. Der FDP-Obmann im Finanzausschuss, Florian Toncar, sagte nach der Anhörung von Scholz, dieser habe zwar "viele Fragen beantwortet", seine Aussagen seien aber "in sich nicht stimmig" gewesen. Es sei nicht logisch, dass laut Scholz zwar die Finanzaufsicht die Probleme ernst genommen, jedoch nicht gehandelt habe.

Mit Blick auf einen Untersuchungsausschuss sagte Toncar daher nach der Sondersitzung des Finanzausschusses: "Ich hielte das für das geeignete Instrument, um Transparenz zu schaffen", auch weil ein Untersuchungsausschuss über das Recht auf Akteneinsicht verfüge. Die FDP biete daher nun Linkspartei und Grünen Gespräche an, um einen solchen Ausschuss durchzusetzen, "nicht als Instrument gegen einen einzelnen Minister, sondern als Aufklärungsbeitrag".

Eine durchwachsene Bilanz der Anhörung von Scholz und Altmaier zog auch der Grünen-Finanzexperte Danyal Bayaz. "Einige Fragen sind beantwortet worden, einige sind neu entstanden", sagte er nach der Sitzung. "Scholz konnte heute nicht den Vorwurf beiseite räumen, dass das politische Frühwarnsystem bei ihm nicht funktioniert hat", kritisierte er den Finanzminister.

Daher sei aus seiner Sicht "die Wahrscheinlichkeit, dass ein Untersuchungsausschuss kommt, heute größer, als dass er nicht kommt", sagte Bayaz weiter. Zunächst blieben aber weitere Sondersitzungen des Finanzausschusses "das effektivste Mittel, um schnell an Informationen zu kommen". Auch hätten die Grünen der Regierung eine Frist bis zum 10. August gesetzt, um weitere Fragen zu beantworten.

Linkspartei und AfD hatten sich schon vor der Sitzung auf die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss festgelegt, auch Unionspolitiker signalisierten dafür Offenheit. Wirecard hatte Ende Juni Insolvenz angemeldet. Scholz steht unter Druck, weil er frühzeitig Informationen über Probleme bei dem Finanzdienstleister erhalten hatte, ohne dass die Finanzaufsichtsbehörde Bafin einschritt.

mfu/dpa
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