RWE-Tochter Darum musste der Innogy-Chef gehen

Peter Terium
Foto: Ina Fassbender/ dpaEs lag schon lange vieles im Argen beim Ökostromkonzern Innogy. Doch vor allem einer wollte das offenbar nur bedingt wahrhaben: Vorstandschef Peter Terium selbst.
Branchenkenner, die Terium regelmäßig sehen, sagen, er habe bis zuletzt dieselbe Zuversicht wie eh und je verströmt. Nun plötzlich tritt er mit sofortiger Wirkung zurück. In den zugehörigen Pressemitteilungen von Innogy und Mutterkonzern RWE finden sich die obligatorischen Dankesfloskeln, aber auch Hinweise auf Teriums Verfehlungen. Innogy mangle es an Kostendisziplin und strategischem Fokus, heißt es.
Das sind ungewöhnlich scharfe Worte für einen Abschied, und sie zeigen gleich mehrere Dinge. Wie groß der Respektverlust gegenüber Terium ist. In welch einem Dilemma der Konzern mit seinen rund 42.000 Mitarbeitern steckt. Und wie rasch die einst so mächtigen Stromkonzerne in Deutschland an Einfluss verlieren.
Wenn sie sich nicht bald besser auf die neue Energiewelt einstellen, dann werden nicht sie die Zukunft gestalten, sondern andere, innovativere Firmen, teils womöglich aus anderen Branchen.
Der schwierigste Job im Energiemarkt
Teriums mögliche Schwächen sind immer wieder diskutiert worden. Schon als er im Juli 2012 bei RWE den Chefposten übernahm, sagten Kritiker bald, ihm fehle die Vision für einen funktionierenden Konzernumbau.
Terium hat seinerzeit den wohl schwierigsten Job in der deutschen Energiebranche übernommen. Er sollte RWE, einen Kohle- und Atom-Dino mit ein paar erfolglosen Ökostrombeteiligungen, zu einem innovativen Vorreiter der Energiewende umbauen. Geld dafür war kaum da - einerseits wegen der hohen Schulden, die Teriums Vorgänger Jürgen Großmann angehäuft hatte, andererseits wegen der hohen Dividende, die vor allem die kommunalen Aktionäre einforderten.
Ein paar Jahre experimentierte Terium scheinbar erfolglos herum. Um verkrustete Denkmuster aufzubrechen, verordnete er Mitarbeitern unter anderem Waldspaziergänge und Achtsamkeitstrainings mit Rosinen - was ihm den Spitznamen Eso-Terium einbrachte. Dann aber gelang ihm ein Coup: Er lagerte das Geschäft mit den Stromnetzen und den erneuerbaren Energien in die neue Firma Innofgy aus und machte sich selbst zu deren Chef.

Terium beim Börsendebüt von Innogy
Foto: KAI PFAFFENBACH/ REUTERSAls Terium am 7. Oktober 2016 zum Börsendebüt eine große Glocke läutete, wirkte er wie ein strahlender Sieger. Bis zu 20 Milliarden Euro war Innogy am ersten Handelstag wert - rund doppelt so viel wie die Mutterfirma RWE und deutlich mehr als Erzrivale E.on und dessen Ausgliederung Uniper zusammen.
Innogy war plötzlich die Nummer eins am deutschen Energiemarkt. Warum ist Terium nur etwas mehr als ein Jahr später am Ende?
Stationen des Niedergangs
Laut Insidern hat Terium die Investoren verprellt. Anteilseigner wie der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock hätten mehr Wachstum gefordert. Auch der Mutterkonzern RWE, der noch immer gut drei Viertel der Innogy-Anteile besitzt, sei unzufrieden gewesen. Aus Sicht von dessen kommunalen Anlegern habe Terium zu viel Geld und Aufmerksamkeit in Innogys neuen Außenposten im Silicon Valley gesteckt - und zu wenig in den Heimatmarkt.
Die Perspektiven von Innogy hatten sich zuletzt immer mehr verdüstert. Schon vor vier Jahren sollten die erneuerbaren Energien mindestens eine halbe Milliarde Euro zu dem um Sondereffekte bereinigten Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) beisteuern. Noch immer sind sie davon weit entfernt. Selbst deutlich kleinere Firmen sind Innogy in Sachen Know-how und Strategie überlegen.
Die neuen Geschäfte im Ausland bringen ebenfalls kaum Wert, kosten dafür aber umso mehr. Innogy hat zum Beispiel auf dem britischen Markt wegen EDV-Problemen massiv Kunden verloren.
Das einzige, was zuverlässig Geld bringt, ist das Geschäft mit den Stromnetzen. Doch die Einnahmen in diesem Bereich werden bald sinken. Die Bundesnetzagentur will die staatlich garantierten Renditen für die Stromnetze schrittweise reduzieren, um die verantwortlichen Unternehmen zu mehr Effizienz zu zwingen.
Innogy ist so seit vielen Monaten immer unattraktiver für Investoren geworden. Vor knapp einer Woche dann kam der endgültige Bruch.
Warum Terium nicht mehr zu halten war
Terium musste eine Gewinnwarnung für 2017 und 2018 herausgeben. Das Ebitda werde 2017 nur bei 4,3 Milliarden Euro liegen statt bei den bislang angepeilten 4,4 Milliarden Euro, gab Innogy bekannt.
Was zunächst nur wie eine kleine Korrektur wirkte, war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte: Die Innogy-Aktie schmierte binnen Stunden um bis zu 14 Prozent ab, die Aktien des RWE-Konzerns um bis zu zwölf Prozent.
Mit einer solch heftigen Reaktion habe Terium nicht gerechnet, sagt ein Insider. Finanzvorstand Bernhard Günther habe noch hektisch eine Telefonkonferenz mit Analysten und Anlegern einberufen. Doch der Unmut der Investoren sei nicht mehr zu besänftigen gewesen. Manche hätten gemutmaßt, dass hinter der 100-Millionen-Euro-Korrektur noch mehr stecke, heißt es. Dass sie womöglich erst der Anfang ist.
Laut "Handelsblatt" schreib das RWE-Management kurz darauf einem Brief an Terium und mahnte mehr Sparsamkeit an. Auch Werner Brandt, Aufsichtsratschef von RWE und aktuell auch noch von Innogy, habe Druck gemacht.
Am Dienstag zogen die Beteiligten die Konsequenzen: Terium verließ das Unternehmen. Gelöst sind die Probleme damit noch lange nicht. Es muss sich erst ein neuer Chef finden, der bei Investitionen den richtigen Riecher besitzt - und der der wachsenden Konkurrenz auf dem Energiemarkt etwas entgegensetzen kann.
Es klingt fast wie die Jobbeschreibung von Terium, als er selbst im Juli 2012 bei RWE antrat.