Pkw-Maut Betreiber fordern 560 Millionen Euro vom Bund

Die Mautaffäre könnte Verkehrsminister Scheuer teuer zu stehen kommen. Die Betreiberfirmen machen für das ausgefallene Geschäft mehr als eine halbe Milliarde Euro geltend. Ein Gerichtsverfahren wird immer wahrscheinlicher.
Autobahn A8: Eine Maut verstößt laut Europäischem Gerichtshof gegen EU-Recht. Das kann nun teuer werden.

Autobahn A8: Eine Maut verstößt laut Europäischem Gerichtshof gegen EU-Recht. Das kann nun teuer werden.

Foto: Peter Kneffel / DPA

Die Betreiberfirmen des gescheiterten Pkw-Mautsystems, Kapsch TrafficCom und CTS Eventim, machen finanzielle Ansprüche gegenüber dem Bund in Höhe von insgesamt 560 Millionen Euro geltend. So steht es in einer Ad-hoc-Mitteilung, die am Donnerstag von den Gesellschaftern veröffentlicht wurde.

Kapsch und Eventim berufen sich auf eine Klausel im Betreibervertrag, wonach sie mit dem Bund bei "Vertragsbeendigung durch den Bund den entgangenen Gewinn über die Vertragslaufzeit vereinbart" hätten. Weiterhin sehe der Betreibervertrag die "Kompensation der Beendigungskosten vor, zu denen auch Schadenersatzansprüche der beauftragten Unterauftragnehmer gehören" würden. Die Unternehmen wollen die mehr als eine halbe Milliarde Euro in mehreren Schritten geltend machen.

Damit rückt eine juristische Aufarbeitung der Mautaffäre näher. Im Betreibervertrag hatten sich der Bund und die Unternehmen auf ein privates Schiedsverfahren geeinigt, falls es zu Rechtsstreitigkeiten kommen sollte. Die Öffentlichkeit wäre bei einem solchen Verfahren außen vor.

Am Dienstag hatte das Ministerium unter Verweis auf das etwaige Schiedsverfahren bereits zahlreiche wichtige Dokumente zur Pkw-Maut für den angelaufenen Untersuchungsausschuss im Bundestag als "VS-Vertraulich" gestempelt. Dadurch können die Unterlagen voraussichtlich nicht mehr öffentlich im Untersuchungsausschuss diskutiert werden.

Scheuer wurde informiert

Die nun veröffentlichte Ad-hoc-Mitteilung trifft Minister Scheuer an einer empfindlichen Stelle. Denn der dort formulierte Hinweis auf die entgangenen Gewinne über die gesamte Vertragslaufzeit, die den Betreibern vertraglich zustünden, findet sich auch in einer internen Vorlage seines eigenen Hauses vom 14. Januar, die an ihn persönlich gerichtet war. Darin wurde Scheuer über die Vertragsmodalitäten aufgeklärt, falls der Europäische Gerichtshof die deutsche Pkw-Maut für europarechtswidrig erklären und der Bund den Betreibern daraufhin aus "ordnungspolitischen Gründen" kündigen sollte.

Wörtlich heißt es in dem Vermerk: "Beim Vertrag Erhebung wären Kapsch und Eventim hinsichtlich des ihnen durch die Kündigung entstehenden Gewinns so zu stellen, wie sie stünden, wenn der Vertrag bis zum Ablauf seiner ordentlichen Laufzeit fortgeführt worden wäre" (mehr dazu lesen Sie hier ).

Nachdem der Europäische Gerichtshof am 18. Juni geurteilt hatte, dass die geplante Pkw-Maut nicht mit EU-Recht vereinbar ist, kündigte der Bund den Betreibern, die sich zum Joint Venture Autoticket zusammengeschlossen hatten, noch am gleichen Tag. Allerdings beriefen sich die Rechtsberater des Ministeriums in einem Schreiben an die Betreiber an erster Stelle auf das Fehlen einer "freigabefähigen Feinplanungsdokumentation". Mit dem Hinweis auf vermeintliche Schlechtleistungen versuchten Scheuers Leute offenbar, möglichen Schadensersatzforderungen zu entgehen. Erst im zweiten Absatz des Schreibens folgte der Hinweis auf die "ordnungspolitischen Gründe".

Zudem hatte das Verkehrsministerium ein Gutachten bei der Kanzlei Linklaters in Auftrag gegeben, um seine Position zu stärken. Die Anwälte kamen darin zu dem Schluss, dass den Betreibern nicht der entgangene Gewinn über die gesamte Vertragslaufzeit zustehe wie jetzt von Kapsch und Eventim gefordert. Gutachten der Opposition kamen dagegen zu einem anderen Schluss und stützten die Sichtweise der Unternehmen.

Nun muss wohl ein Schiedsverfahren klären, welche Kosten auf den Steuerzahler zukommen. Laut Ad-hoc-Mitteilung haben sich beide Parteien auf ein "effizientes Verfahren zur Streitbeilegung" geeinigt: Zunächst wird demnach ein "unabhängiger Stichtagsprüfer die Ermittlung des entgangenen Gewinns überprüfen". Danach soll ein Schiedsgericht über die Rechtmäßigkeit aller Ansprüche entscheiden.

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