

Hamburg - Die Farbe des Geräts ist etwas dunkler, doch sonst ist kein Unterschied zu erkennen: Die Knöpfe der beiden Heißluftföne sind gleich, das Display ebenfalls. Besonders dreist: Das Logo der deutschen Firma Steinel aus Herzebrock-Clarholz, dem Original-Hersteller des Geräts, prangt auch auf der Kopie aus China. Ein normaler Kunde könnte das Original nicht von der Fälschung unterscheiden. Das Plagiat ist fast perfekt.
Dafür ist die Firma aus Fernost nun mit dem "Plagiarius 2015" prämiert worden - doch stolz kann die "Shenzen Jin Xiong of internal and external electronic tools Co., Ltd." nicht sein: Es handelt sich um einen Schmähpreis, der seit 1977 für besonders dreiste Nachahmungen verliehen wird. Als Trophäe dient ein schwarzer Zwerg mit goldener Nase, laut Preisverleihern ein "Symbol für die exorbitanten Profite, die die Nachahmer sprichwörtlich auf Kosten kreativer Designer und innovativer Hersteller erwirtschaften".
36 Millionen Plagiate - die meisten im Internet bestellt
Produktfälschungen sind ein enorm profitables Geschäft: Allein im Jahr 2013 beschlagnahmten die Zollbehörden der Europäischen Union knapp 36 Millionen Waren im Wert von 760 Millionen Euro. Am häufigsten waren die Produkte im Internet bestellt und per Post verschickt worden, der Onlinehandel hatte einen Anteil von rund 70 Prozent.
Der Großteil der sichergestellten Plagiate kam damals aus China und Hongkong, auch die diesjährigen Plagiarius-Preisträger kommen mehrheitlich aus Fernost. Doch auch hiesige Unternehmen haben es in die Auswahl geschafft. Gleich drei Firmen aus Deutschland finden sich in der wenig schmeichelhaften Rangliste wieder.
Das Unternehmen Wagner System GmbH aus Lahr landete mit seiner Möbelrolle gar auf dem zweiten Rang der Top Ten - und ist entsetzt: "Es handelt sich um eine Standard-Möbelsockelrolle, davon gibt es viele. Die sehen sich alle ähnlich. Zudem ist unsere Rolle technisch auch anders aufgebaut", sagt Ellen Wagner, Mitglied der Geschäftsführung, SPIEGEL ONLINE: "Es ist uns unbegreiflich, wieso wir nominiert wurden."
Der Geschäftsführer Roland Wagner hat gar eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, in der er mitteilt, die Möbelrolle sei von ihm entwickelt worden und das angeblich plagiierte Produkt der Konkurrenz habe ihm nicht als Vorlage gedient.
Der Plagiate-Markt ist in den vergangenen Jahren extrem facettenreich geworden. "Heutzutage gibt es Plagiate und Fälschungen in allen Preis- und Qualitätsabstufungen", schreiben die Preisverleiher. Interessant sei neuerdings das Geschäftsverhalten mancher westlicher Firmen. "Sie nehmen ein erfolgreiches Produkt eines Mitbewerbers und prüfen sehr gezielt, ob dieses durch gewerbliche Schutzrechte abgesichert ist." Ist dies nicht der Fall, "wird das Produkt ungeniert kopiert".
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Platz eins: Die zwei Heißluftföne der deutschen Firma Steinel aus Herzebrock-Clarholz haben es der Shenzen Jin Xiong of internal and external electronic tools Co., Ltd. aus China angetan. Die Plagiate sind für ungeübte Baumarkt-Kunden nicht zu erkennen. Selbst die Verpackungen gleichen dem Original. Die Firma war jedoch nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
Platz zwei: Nicht nur chinesische Unternehmen, sondern auch deutsche Firmen sind in der Plagiarius-Auswahl zu finden. Die Silbermedaille geht an die Wagner System GmbH, ihre Möbelrolle ähnelt jener der Gross+Fröhlich GmbH ebenfalls ein deutsches Unternehmen. Bei Wagner ist man entsetzt: "Es handelt sich um eine Standard-Möbelsockelrolle, davon gibt es viele. Die sehen sich alle ähnlich. Zudem ist unsere Rolle technisch auch anders aufgebaut", sagt Ellen Wagner, Mitglied der Geschäftsführung, SPIEGEL ONLINE: "Es ist uns unbegreiflich, wieso wir nominiert wurden." Der Geschäftsführer Roland Wagner hat gar eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, in der er mitteilt, die Möbelrolle sei von ihm entwickelt worden und das angeblich plagiierte Produkt der Konkurrenz habe ihm nicht als Vorlage gedient.
Platz drei: Der dritte Rang geht wieder an eine Firma aus China. Das Plagiat eines Notfallbeatmungsgeräts der deutschen Firma Weinmann aus Hamburg ist zwar keine exakte Kopie, die Gemeinsamkeiten sind jedoch unverkennbar. Immerhin: Die Nachahmung ist deutlich farbenfroher. Das chinesische Unternehmen wies den Vorwurf der Produktkopie jedoch zurück.
Neben den drei Podiums-Plätzen wurden sieben gleichrangige Produkte "ausgezeichnet": Etwa diese Parfümflaschen von Jean Paul Gaultier. Die Fälschungen aus China wurden im November vergangenen Jahres vom Hamburger Zoll beschlagnahmt. Sie sollten nach Spanien verschifft werden.
Ein weiteres innerdeutsches Plagiat: Diese Couch der Firma Christmann (r.) erinnert doch stark an jenes Möbelsystem des Originalherstellers COR aus Rheda-Wiedenbrück. Übrigens: Nicht jedes Plagiat ist auch strafbar, denn grundsätzlich gilt in Deutschland und auch in vielen anderen Ländern Nachahmungsfreiheit. Christmann wies die Anschuldigungen zurück: "Die von uns vertriebenen Sofamodelle sind keineswegs identisch mit den Sofamodellen 'Conseta' der Firma Helmut Lübke GmbH & Co. KG", heißt es in einer Stellungnahme von Christmann, um die SPIEGEL ONLINE gebeten hat: "Tatsächlich weichen die Modelle in diversen Details (u.a. Sitztiefe, Sitzhöhe, Rückenkissen etc.) voneinander ab. Eine gewisse 'Ähnlichkeit' der inkriminierten Sofas ergibt sich zwangsläufig aus der Formgebung für derartige Sitzmöbel, die im Übrigen von einer Vielzahl von Herstellern in dieser Form angeboten und vertrieben werden."
Wie ein Anspitzer funktioniert der Spiralschneider "Spirelli" des deutschen Unternehmens GEFU Küchenboss GmbH. Möhren, Gurken und Co. können hiermit geschnitten werden. Praktische Idee, dachte sich wohl auch das chinesische Unternehmen Tiptop Manufactory, das die Plagiate auf der rechten Bildseite hergestellt hat. Die Firma aus Fernost war jedoch nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
Die deutsche Firma Koziol ist in Sachen Plagiate besonders gebeutelt. Ihre Käsereibe "Kasimir" war schon im vergangenen Jahr von einem türkischen Unternehmen nachgebaut worden. Und auch in diesem Jahr gibt es Nachahmer diesmal aus Spanien. Die Firma Natura Selection vertreibt die in China hergestellten "Igel", auch das Kuchenmesser "Coco" hat dieses Schicksal ereilt. Das Unternehmen äußerte sich jedoch nicht zu den Vorwürfen.
Eine weitere innerdeutsche Nachahmung: Die Porzellanengel-Posen der Firma Wunasia (immer auf der linken Seite) sehen denen der Rosenthal GmbH aus Selb sehr ähnlich. Doch der mutmaßliche Nachahmer Rosenthal "verwahrt sich gegen den Vorwurf der Nachahmung der Porzellanengel und legt hiermit Beschwerde gegen die 'Verleihung' des 'Plagiarius-Preises' ein", hieß es in einer Stellungnahme: Die Firma habe "die streitgegenständlichen Engel bereits im Jahr 1998 unter der Marke Rosenthal auf dem Markt eingeführt. Bis vor Kurzem erfolgte die Fertigung dieser Engel noch in Zusammenarbeit mit der Firma Wunasia." Diese Engel seien seither "für unsere Kunden untrennbar mit unserem Unternehmen und der Marke Rosenthal verbunden."
Hier ein besonders dreistes Plagiat - inklusive nachgemachtem Original-Logo. Die LED-Taschenlampe "LED Lenser" der deutschen Firma Zweibrüder Optoelectronics wurde - wieder einmal - in China nachgebaut.
Gleich zwei Nachahmer hatten Produkte des Schweizer Unternehmens szizzzProzzz: Ihre Küchenschneidegeräte wurden von einer türkischen und einer indischen Firma plagiiert. Beide Firmen wollten sich nicht zu den Vorwürfen äußern.
Nicht nur Produkte werden plagiiert, auch dieses Erklärvideo der deutschen Firma simpleshow wurde gefälscht. Dabei ging das indische Unternehmen Telling Your Story Visually ganz simpel vor: Es lud das Video von der Website - und fügte in der letzten Szene das eigene Logo ein. Für eine Stellungnahme war das Unternehmen jedoch nicht zu erreichen.
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