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Roland Koch: Alphatier aus Hessen

Foto: Boris Roessler/ dpa

Plötzlich Konzernchef Koch, der Baumeister

Roland Koch ist am Ziel: Der Ex-Ministerpräsident hat die Führung des Baukonzerns Bilfinger Berger übernommen. Der Seitenwechsel ist ein Experiment, das viele Politiker gespannt beobachten. Doch schon jetzt gibt es Zweifel, ob er für den Posten geeignet ist.

Hamburg - Sein Verhältnis zu Wirtschaftsbossen war lange so wie das eines Sportjournalisten zu Fußballtrainern: Roland Koch hielt sich für mindestens genauso gut wie die Chefs der großen deutschen Konzerne - er kam aber nie in die Verlegenheit, dies auch beweisen zu müssen.

Doch seit Freitag steht der Beobachter nun selbst auf dem Platz - um im Bild des Koch-Biografen Hajo Schumacher zu bleiben. Der langjährige Hoffnungsträger der Konservativen in der Union übernimmt den Chefposten bei Bilfinger Berger  : 58.000 Mitarbeiter, acht Milliarden Euro Umsatz pro Jahr, insgesamt gehören 500 Firmen zu dem Konzern. Koch, der 25 Jahre Politik gemacht hat, steht vor einer gewaltigen Aufgabe. Auch wenn er schon seit März als Lehrling dem Vorstand angehörte.

Der 53-Jährige hat einen Weg gewählt, der in der deutschen Politik nur extrem selten vorkommt: Meist findet der Wechsel andersherum statt - Manager gehen in die Politik. Regierungschefs und Minister dagegen suchen nach ihrer politischen Karriere meist lukrative Beraterjobs ohne große Verantwortung. Zum Beispiel Gerhard Schröder, der beim Pipeline-Projekt Nord Stream als Aufsichtsratschef angeheuert hat. Kochs Weg ist ein Novum, ein Experiment, dessen Ausgang junge Minister wie Daniel Bahr und Philipp Rösler sehr genau beobachten werden. Denn schließlich war auch Koch in der Politik sehr früh erfolgreich: Mit 32 Jahren wurde er Fraktionschef, mit 41 Jahren Ministerpräsident in Hessen.

Fehler darf Koch sich in seinem neuen Job nicht erlauben: Aktionärsvertreter sagen, sie hätten es sinnvoller gefunden, wenn Koch eine längere Zeit einfaches Vorstandsmitglied geblieben wäre. "Koch ist immer noch ein Nobody bei Bilfinger Berger", sagt Markus Kienle von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger. Die Einarbeitungszeit von vier Monaten kritisiert Kienle als "viel zu kurz". Man werde dem neuen Chef keine Schonfrist einräumen. Der Kritisierte selbst gibt sich demütig: "Ich muss mich erst bewähren", sagt Koch.

Arbeitnehmer überrascht von Kochs zurückhaltendem Auftreten

Dabei klingt der Job auf den ersten Blick fast entspannter als der eines Ministerpräsidenten: Koch übernimmt ein gesundes Unternehmen. Vorgänger Herbert Bodner hat den Umbau vom reinen Baukonzern zum Dienstleister geschafft: Zwei Drittel des Umsatzes macht Bilfinger Berger mittlerweile mit der Wartung von Kraftwerken, Industrieanlagen und Gebäuden. 2010 konnte Bodner den Gewinn auf 343 Millionen Euro verdoppeln. Klar: Es gibt ein paar Baustellen wie die Korruptionsvorwürfe gegen die nigerianische Tochterfirma Julius Berger und den Einsturz des Kölner Stadtarchivs, der immer noch nicht aufgeklärt ist. Doch generell übernimmt Koch ein solide geführtes Unternehmen - das sich nach der spanischen Übernahme von Hochtief   sogar Deutschlands größte Baufirma nennen darf.

Wie hat Koch sich nun in seinen ersten vier Monaten bewährt? Aus dem Unternehmen kommt viel Lob: Er sei "sehr positiv überrascht", sagt etwa Rainer Knerler, Vertreter der IG Bau im Aufsichtsrat. Wie viele Arbeitnehmervertreter sei er zunächst skeptisch gewesen - wegen Kochs Ruf als konservativer Hardliner. Doch der Neue, wie sie ihn bei Bilfinger Berger nennen, trete "angenehm zurückhaltend" auf, gehe auf die Betriebsräte zu und habe mit seiner Loyalität zu Konzernchef Bodner viel Respekt gewonnen.

In mehr als 30 Jahren als Politiker hat Koch zweifellos gelernt, Menschen für sich zu gewinnen. Er war nie nur der Vertreter der hessischen Stahlhelm-CDU, der durch das Ausnutzen von ausländerfeindlichen Ressentiments Wahlkämpfe gewann. Er konnte auch anders, bei der Wahl 2003 etwa präsentierte er sich als menschelnder Landesvater. Bei Bilfinger Berger verschaffte er sich nun alleine dadurch Sympathien, dass er mehrfach in der Kantine der Mannheimer Konzernzentrale speiste.

"Konzern darf kein Friedhof für abgehalfterte Politiker werden"

Doch die Arbeitnehmer stellen auch Forderungen: "Wir erwarten, dass der Baubereich eine Stütze des Unternehmens bleibt", sagt Knerler. Ähnlich äußert sich auch Aktionärsvertreter Kienle: "Meine große Sorge ist, dass das Baugeschäft zu stark in den Hintergrund gerät." Es sei aber extrem wichtig, um das Know-how für den Dienstleistungsbereich zu sichern. "Ein Gutachter, der selbst mal Autos gebaut hat, weiß auch besser Bescheid, als einer, der nur die Theorie gelernt hat", mahnt Kienle.

Insgesamt loben aber auch die Aktionäre Kochs strategische Fähigkeiten. Skeptischer sind sie, wenn es um seine Führungsqualitäten geht: "In der Politik musste er menschliche Schwächen ausnutzen", sagt Hans-Martin Buhlmann von der Vereinigung Institutioneller Privatanleger. Als Konzernchef sei nun eine positivere Art des Führens gefragt. Ob der Ex-Politiker diesen Wechsel hinbekomme, sei offen. "Der Aufsichtsrat muss aufpassen, wo Kochs Schwächen liegen", fordert Buhlmann. Bei Problemen müsse das Kontrollorgan sofort eingreifen.

So dürfe Bilfinger Berger nun keinesfalls zum "Friedhof für abgehalfterte Politiker" werden, warnt Buhlmann - und verweist auf Kochs 35-jährigen Büroleiter, den dieser aus der hessischen Landesregierung mitgebracht hat. Die mahnenden Worte zeigen vor allem eins: Der neue Trainer von Bilfinger Berger steht von Beginn an mächtig unter Druck.

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