
Auto-Manager Matthias Müller Mit dem Porsche nach Wolfsburg
Es ist noch nicht lange her, da zeigte der Porsche-Chef seine weiche Seite. Matthias Müller erinnerte sich an den Tag seines 61. Geburtstags im vergangenen Sommer. "Als ich die Schachtel geöffnet habe, war das Luxus, der nichts mit Tausenden von Euro zu tun hat", erzählte er dem Wirtschaftsmagazin "Bilanz". In der Schachtel lagen Waffeln und Schokokugeln, die es schon zu DDR-Zeiten gab. Außen knusprig, innen weich. Das nostalgische Geschenk kam von seiner Tochter. Müller stammt gebürtig aus Chemnitz.
Müller selbst ist eher knusprig als weich. In seinem Job gilt er als exzellenter Fachmann, durchsetzungsstark und alles andere als konfliktscheu. Eigenschaften, die ihn noch weiter nach oben katapultieren könnten im Volkswagen-Konzern. Dabei wollte sich der studierte Informatiker, der zuvor seine Karriere bei Audi als Werkzeugmacher begann und nach dem Studium sukzessive nach oben arbeitete, vor einigen Jahren mit 60 eigentlich zur Ruhe setzen. Nun könnte er noch einmal richtig durchstarten.
Denn niemand sonst wird derzeit höher gehandelt im Volkswagen-Reich als Müller. Er gelte als erste Wahl, falls Konzernchef Martin Winterkorn ein Ziegelstein auf den Kopf fiele, schrieb jüngst das manager magazin. So weit muss es vielleicht gar nicht kommen.
Müller soll im VW-Konzern weiter aufsteigen
Im Konzern werden nämlich zwei Varianten für den Aufstieg Müllers diskutiert: Müller könnte Winterkorn als Chef der Kernmarke VW ablösen, erzählen Insider SPIEGEL ONLINE - und gleichzeitig in den Konzernvorstand aufrücken. Das Gerücht hält sich hartnäckig. Damit wäre der Machtwechsel im Riesenreich der zwölf Marken sanft eingeleitet. Dagegen spricht: Winterkorns anhaltender Wille zur Macht. Als Nachfolger von Müller als Porsche-Chef ist VW-Entwicklungsvorstand Heinz-Jakob Neußer im Gespräch.
Doch selbst wenn diese Rochade vor der Aufsichtsratssitzung im November verworfen werden sollte, gilt Müller als heißer Kandidat für den Konzernvorstand. Bereits jetzt sitzen dort mit Audi-Chef Rupert Stadler oder Leif Östling zwei Manager im Gremium, die entweder eine Marke oder mit den Nutzfahrzeugen einen Geschäftsbereich repräsentieren. Warum dann nicht auch Müller? Zumindest als Porsche-Markenchef oder - wie auch spekuliert wird - als Leiter einer Luxusgruppe, zu der neben Porsche auch Bentley und Bugatti gehören sollen.
Für die Kernmarke VW wäre Müller der Feuerlöscher. Die verliert zunehmend an Schwung. Schlechte Performance auf entscheidenden Märkten wie den USA, erhebliche Verkaufsrückgänge in Brasilien und Russland, rund zwei Prozent Rendite, keine echte Präsenz in Südostasien. Selbst das Wachstum in China, bislang stets eine feste Größe für VW, schwächelte im September ein wenig. Für die VW-Kernmarke macht China inzwischen rund 45 Prozent der weltweiten Verkäufe aus.
Müller kennt den Konzern bis ins Detail
Die von Winterkorn versprochene operative Rendite in Höhe von sechs Prozent des Umsatzes bis 2018 scheint in weite Ferne gerückt. Mit der Ankündigung eines schmerzhaften Sparprogramms im Sommer sorgte der VW-Chef für Aufruhr. Er selbst wirkte zunehmend dünnhäutiger, der Vertraute Müller wäre eine echte Unterstützung für den mittlerweile 67-Jährigen. Derzeit ballt sich sehr viel Macht in einer Hand: Winterkorn ist nicht nur Konzernvorstand und Markenchef VW in Personalunion, sondern darüber hinaus noch oberster Entwicklungschef. Viele Aufgaben, die ein Mensch alleine eigentlich nicht bewältigen kann.
Müller kennt den Konzern bis ins Detail. Er arbeitete im Produktmanagement von Audi, verantwortete später als Generalbevollmächtigter die übergreifende Produktstrategie aller Marken und war zuständig für den Ausbau des Baukastensystems, das im Konzern für Synergien sorgen soll. Im Auftrag von VW-Patriarch Ferdinand Piëch erarbeitete er vor vier Jahren ein Konzept für eine neue Konzernstruktur. Müller schlug vor, drei Markengruppen zu gründen - eine für die Volumen-, zwei für die Premiummarken.
Der Ruf Winterkorns, Porsche-Chef zu werden, hat Müller 2010 kalt erwischt. Doch vom ersten Tag an in Stuttgart entwickelte er großen Ehrgeiz. "Als ich bei Porsche angefangen habe, bin ich tagelang im Museum, den Werkshallen und den Entwicklungslaboren verschwunden und habe erst einmal versucht zu verstehen, was Porsche ausmacht", sagte Müller kürzlich. Mit dem Produkt identifizierte er sich schnell. Erst bei Porsche habe er richtig Autofahren gelernt, scherzte Müller.
Der Porsche-Chef lebt lieber szenig als zurückgezogen
Verglichen mit den anderen Managern gilt Matthias Müller im VW-Konzern als jugendlich - obwohl er 61 Jahre alt ist. Wegbegleiter halten es nicht einmal für ausgeschlossen, dass nach dem Aufstieg zum VW-Chef oder Konzernvorstand er Winterkorn einmal komplett an der Spitze des Weltkonzerns ablösen könnte.
Müller wäre ein ungewöhnlicher Konzernlenker. Er spricht breites Bayerisch, fühlt sich in Süddeutschland wohl und kann mit vornehmen Attitüden eines Spitzenmanagers eigentlich nicht viel anfangen.
Als er 2010 nach Stuttgart zu Porsche kam, bezog er keine Villa im Grünen, sondern nahm sich eine Wohnung im szenigen Heusteigviertel. Zuvor wohnte dort Horst Heldt, Manager beim VfB Stuttgart, der kurz zuvor zu Schalke gewechselt war. Dass Müller als Top-Manager in einem so lebte und abends gern mal in den umliegenden Kneipen unbeschützt ein Bier trinken ging, sollen die Sicherheitsleute bei Porsche mit großer Sorge betrachtet haben. Von einer Rückkehr nach Wolfsburg würde Müller nicht begeistert sein. Seine Sicherheitsleute vielleicht schon. Dort gibt es garantiert weniger Kneipen.