Raj-Rajaratnam-Skandal Wie eine SMS die Wall Street zum Beben brachte

Hedgefonds-Chef Rajaratnam: "Möchte sicherstellen, Anweisungen okay"
Foto: Louis Lanzano/ APHamburg - soll seinen Bekannten gern erzählen, sein erster Name bedeute auf Hindi "König". In Kombination mit seinem Nachnamen mache ihn das zum "König der Könige". Laut "Wall Street Journal" erzählte der Chef des Hedgefonds Galleon diese Geschichte bisweilen "mit jenem breiten Grinsen, mit dem er sich auch bei den Chefs großer Silicon-Valley-Firmen einschmeichelte". Und das mit Erfolg: Im Jahr 2009 schätzte das Wirtschaftsmagazin "Forbes" sein Vermögen auf 1,3 Milliarden Dollar.
Das Grinsen dürfte Rajaratnam inzwischen vergangen sein. Er ist wegen Verdachts auf Insiderhandel formell angeklagt. Es geht es um Gewinne in Höhe von 20,8 Milliarden Dollar, die sein Fonds auf der Basis illegaler Informationen erzielt haben soll. Laut US-Presseberichten droht dem Manager eine Höchststrafe von 145 Jahren Gefängnis. Rajaratnam selbst beteuert seine Unschuld; einige Unternehmen haben Vergehen zugegeben und kooperieren mit den Ermittlern.
Unabhängig davon, wie der Prozess ausgeht: Die Wall Street wird schon jetzt vom größten Insider-Skandal seit Jahrzehnten erschüttert. Seit den Geschichten um den Insiderhändler Ivan Boesky und deren Verfilmung in dem Kinoklassiker "Wall Street" (siehe Fotostrecke unten) hat es in der Finanzbranche kein solches Beben mehr gegeben wie dieses.
Ausgelöst wurde es von einer einzigen SMS.
Laut "Wall Street Journal" schickte die frühere Intel-Managerin Roomy Khan Rajaratnam eine kompromittierende Kurznachricht. Sie riet ihm, keine Aktien des Videokonferenzspezialisten Polycom zu kaufen, bis sie "Anweisungen erhalte". "Möchte sicherstellen, Anweisungen okay", so lautet Ermittlern zufolge der kurze, kryptische Text, mit dem das Wall-Street-Desaster begann.
Wie Roomy Khan zur Kronzeugin wurde
Die SMS brachte einen Mann auf Rajaratnams Spur: Andrew Michaelson, Anwalt bei Amerikas Börsenaufsicht, der Securities and Exchange Commission (SEC). Der hat laut "Wall Street Journal" ("WSJ") Anfang 2007 zwischen Aktenbergen gesessen, zwischen Millionen Dokumenten mit Informationen über den Hedgefonds Galleon. Zumindest einen Teil davon habe Rajaratnam freiwillig zur Verfügung gestellt. Zu diesem Zeitpunkt ermittelten die Börsendetektive gegen seinen jüngeren Bruder, eine Untersuchung, die letztlich nichts ergab.

Finanzskandale: Die spektakulärsten Betrugsfälle
Stattdessen fand Michaelsons Team Roomy Khans Text - und die Ermittler wurden stutzig: Die Intel-Managerin stand schon länger im Verdacht, Insiderinformationen an Rajaratnam weiterzureichen. Im November 2007 konfrontierte die SEC Khan mit der SMS - und die Managerin wurde zur Kronzeugin. Sie erlaubte den Ermittlern, ihre Telefonate mit Rajaratnam abzuhören und mitzuschneiden.
Das führte laut "WSJ" dazu, dass das Telefon des Hedgefonds-Tycoons verwanzt wurde - und ein weit verzweigtes Informantennetz zum Vorschein gekommen sei. Gleich mehrere Seilschaften seien sichtbar geworden, in verschiedenen Branchen seien die Ermittler auf Gruppen von Angestellten gestoßen, die Insider-Informationen weiterreichten.
Hat die Wall Street ein Kulturproblem?
Zweieinhalb Jahre trug Michaelsons Team Hinweise zusammen, hörte Tausende Telefonate ab, scannte unzählige Dokumente, versuchte, potentielle Zeugen zu überreden, gegen die eigenen Freunde auszusagen.
Dann, Mitte Oktober, nahmen die Ermittler Rajaratnam fest. Seitdem schickt der Fall Schockwellen durch die Wall Street.
Mindestens 20 mutmaßliche Komplizen des "Königs der Könige" müssen hohe Haftstrafen fürchten. Und die gesamte US-Finanzwelt gerät in den Augen hochrangiger Staatsangestellter durch den Fall ins Zwielicht.
Es gebe Grund zur Befürchtung, dass in manchen Hedgefonds und Unternehmen eine regelrechte Kultur herrsche, derzufolge das Weitergeben geheimer Informationen nicht problematisch sei, sagte Manhattans Staatsanwalt Preet Bharara dem "WSJ". Zum Fall Galleon wollte er sich aber nicht äußern.