VW-Zukunftspakt Halbherziger Rettungsplan

Volkswagen-Werk in Wolfsburg
Foto: Carsten Koall/ Getty ImagesFast könnte man sagen, die VW-Leute müssten ihren Bossen dankbar dafür sein, dass sie das mit dem Diesel verbockt haben. Wenn sie nur nicht selbst diejenigen wären, die am Ende den größten Teil der Last übernehmen müssen. Denn die Rosskur, die Volkswagen in den nächsten Jahren bevorsteht, wird sie zwingen, sich von liebgewonnenen Privilegien zu verabschieden.
Lohnsteigerungen und Prämien werden weniger üppig fließen, der Leistungsdruck wird steigen. Und die Sicherheit in Bezug auf den eigenen Arbeitsplatz dürfte schwinden - denn in den kommenden Jahren stehen allein in Deutschland weit mehr als 20.000 Arbeitsplätze auf der Streichliste. Weltweit sind es rund 30.000.
Darauf jedenfalls haben sich VW-Management und Betriebsrat im Rahmen des sogenannten Zukunftspakts geeinigt. Seit Monaten hatte die rund 60 Personen starke Kommission in unterschiedlichen Arbeitsgruppen beraten. Es ging darum, sich endlich zu Schritten durchzuringen, die bereits unter der Ägide von Martin Winterkorn diskutiert wurden.
Doch erst jetzt, nachdem der Konzern und auch die Marke VW durch den Abgasskandal tief in die Krise gerutscht ist, war der Handlungsdruck groß genug. Die chronische Renditeschwäche ist schon seit Jahren ein zentrales Thema, ebenso wie die Frage, wie der Wechsel zu einem Antrieb der Zukunft zu bewältigen ist.
Solange die Verkaufszahlen stiegen und die Legende, besonders umweltverträgliche Autos zu bauen, aufrechterhalten werden konnte, hatten Innovationsbremser im Konzern leichtes Spiel. Wer wollte schon auf geliebte Gewissheiten verzichten und auf den Komfort, den die mit viel Geld geschmierte Maschinerie des Produktionsalltags gewährleistete? Das galt für die Mitarbeiter am Band ebenso wie für die Ingenieure, die einzig das technisch Machbare im Blick hatten und sich nie die Frage stellten, wer denn den Preis dafür zahlen musste.
Inzwischen, nach Monaten peinlicher Enthüllungen, nach Erschütterung der Hierarchien und unter dem Druck von Prozessen und Sanktionen, sind endlich jene Sperrgitter eingerissen, die zuvor einen konstruktiven Blick nach vorn verhindert hatten. Heraus kam ein Zukunftspakt, der zeigen soll, wie die Zukunft von Deutschlands wichtigsten Autoherstellers aussehen könnte.
Vor allem geht es darum, die Rendite zu steigern. Bei der Kernmarke VW waren es zuletzt magere 1,6 Prozent. Das Management will Milliarden für den Ausbau alternativer Antriebe mobilisieren. Auch die Digitalisierung und Vernetzung der Autos erfordern noch großen Entwicklungsaufwand.
Das zweite Kapitel des Pakts betrifft die vielen Mitarbeiter, die spätestens dann nicht mehr gebraucht werden, wenn die Motoren- und Getriebefertigung von dem neuen viel simpler zu bauenden Elektroantrieb abgelöst worden ist. Das wird zwar erst in fünfzehn bis zwanzig Jahren der Fall sein, doch am Band wird der Strukturwandel viel früher spürbar.
Allerdings wecken die ersten bekannt gewordenen Details durchaus Zweifel, ob alle Beteiligten den vollen Ernst der Lage erkannt haben. Denn auch wenn am Ende knapp 23.000 Stellen allein in Deutschland wegfallen, soll keiner der Standorte zur Disposition stehen. Zudem stehen dem Abbau von Arbeitsplätzen, 9000 geplante Neueinstellungen im Bereich neue Antriebe gegenüber. Auch betriebsbedingte Kündigungen will der Konzern vermeiden und stattdessen lediglich auf Fluktuation, Altersteilzeit und Vorruhestandsregelungen setzen.
VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh verhinderte außerdem, dass die bestehenden Haustarifverträge aufgeschnürt werden. Einkommen und Arbeitszeit werden sich - zumindest für die Etablierten - so schnell nicht ändern.
Markenchef Herbert Diess und Osterloh wollen nun den Plan im Aufsichtsrat vorstellen, der auf der Sitzung den Investitionsplan 2021 beschließen will. Dabei geht es um die Verteilung von rund 100 Milliarden Euro innerhalb des Konzerns.
Die Bedeutung der Sitzung ist allen klar, das zeigt schon das Aufgebot, das die beiden begleitet. Konzernchef Matthias Müller wird ebenso anwesend sein wie Ministerpräsident Stephan Weil, der das mit gut 20 Prozent an VW beteiligte Land Niedersachsen im Aufsichtsrat vertritt.