
Milliardäre mit Raketen Schwanzvergleich im Weltall – kann uns nur recht sein


Amazon-Gründer Jeff Bezos vor einer Weltraumkapsel
Foto:Chuck Bigger / dpa
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In der Katastrophenregion Ahrweiler gibt es wieder Internet – »Starlink« sei Dank. Vergangenen Dienstag stellten die Behörden die ersten Schüsseln des neuartigen Satellitennetzwerks auf. Flutopfer können sich mit dem Handy kostenlos einwählen. Ein Rettungshelfer berichtet, der Empfang via Weltraum funktioniere gut.
Ich erzähle die Episode, weil sich derzeit viele Menschen über drei Männer aufregen, die ihr Vermögen für Raketenflüge ausgeben, Virgin-Eigner Richard Branson, Tesla-Chef Elon Musk und Amazon-Gründer Jeff Bezos. Von »größenwahnsinnigen Milliardären« spricht Linken-Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow. Das seien »reiche, ältere Männer, die ihr eigenes Ego befriedigen wollen«, urteilte eine »Tagesschau«-Kommentatorin. Halb Twitter ist sich einig: Weiße alte Säcke machen Schwanzvergleich im Weltall – ach, wie ist das peinlich!

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Mag sein, dass Branson, Musk und Bezos von männlicher Eitelkeit getrieben sind. Vielleicht haben sie auch zu viel »Star Trek« geguckt. Uns kann es nur recht sein. Sicher ist, dass Musks Raketenfimmel der Grund ist, warum viele Menschen im Ahrtal wieder Netz haben, denn das neue »Starlink«-System gehört zu seinem Weltraumkonzern. Mehr als tausend Satelliten hat er für den Testbetrieb bereits ins All geschossen, mehrere Tausend weitere sollen folgen.
12 Starlink-Satellitenschüssel für die Bevölkerung im Kreis Ahrweiler aufgebaut. Die Zahl wird im Verlauf auf 35 gesteigert. Hier können sich betroffene Personen einwählen und so einen Zugang zum Internet erhalten.
— Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (@ADD_rlp) July 20, 2021
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Musks Ziel ist, im Orbit ein schnelles Internet für Privatkunden zu errichten, das jeden Winkel der Erde erreicht. Auch sein Lieblingsfeind Jeff Bezos plant ein satellitengestütztes Internet und steckt Milliarden in das Projekt. Größenwahn? Nun, für westliche Raumfahrtbehörden wie Nasa und Esa, die mit Steuergeld arbeiten, sind Weltraumhotels, Mondkolonien und bemannte Marsmissionen tatsächlich unfinanzierbar. Wenn wir das All nicht den Chinesen überlassen wollen, braucht es verrückte Finanziers wie Bezos und Musk.
Einige sagen, die jüngsten Weltraumausflüge brächten keine neuen Erkenntnisse, seien wissenschaftlich wertlos, umso schlimmer die schlechte Klimabilanz. Ich halte diese Kritik für kleingeistig. Abgesehen davon, dass die Milliardäre die Einmalrakete durch Mehrweg ersetzt haben: Natürlich weiß niemand, wie ihre Reise ins Weltall weitergeht, das macht die Mission gerade so faszinierend. Bei der ersten Mondlandung vor 52 Jahren ahnte niemand, dass uns die Raumfahrt nicht nur ein neues Bild der Erde bescheren würde, sondern auch digitale Fotosensoren, GPS, kratzfeste Brillengläser, feuerbeständige Textilien und die Nutzung spezieller Algen, die für eine Extraportion Omega-3-Fettsäuren in Lebensmitteln sorgen.
Wer Transportfahrräder für das Allheilverkehrsmittel der Zukunft hält, darf sich weiter über Milliardäre aufregen. Alle anderen sollten froh sein, dass es Menschen gibt, die ihren Kindheitsträumen nachjagen.