Rocket-Internet-Hauptversammlung Dicke Backen

Was ist eigentlich das Geschäftsmodell von Rocket Internet? Die Frage stellt Chef Oliver Samwer bei der Hauptversammlung. Eine Antwort auf die hohen Verluste hat er nicht.
Rocket-Internet-Management um Oliver Samwer (Mitte)

Rocket-Internet-Management um Oliver Samwer (Mitte)

Foto: AXEL SCHMIDT/ REUTERS

Zu Beginn der Hauptversammlung tritt Oliver Samwer vor die Bühne, auf der sich die anderen Vorstände und Aufsichtsräte platziert haben. Er trägt einen dunklen Anzug, eine rot-weiß-gestreifte Krawatte. Die Kritik der vergangenen Monate ist ihm anzusehen. "Was macht Rocket Internet wirklich?" fragt er ins Publikum. Die Frage ist nicht rhetorisch gemeint. Zu viele Investoren und Beobachter haben offenbar nach wie vor nicht verstanden, was der Berliner Internetkonzern da eigentlich macht - außer Jahr für Jahr große Verluste anzuhäufen. Allein 2015 verbrannten die Rocket-Beteiligungen eine Milliarde Euro.

Also fängt Oliver Samwer ganz vorne an: Rocket Internet mache vielversprechende Internet-Geschäftsmodelle ausfindig und ziehe diese anschließend hoch. "Die meisten dieser Unternehmen scheitern", so Samwer weiter, "das ist normal und Teil unserer Unternehmenskultur." Die Kunst bestehe darin, das Scheitern rechtzeitig zu erkennen und bis dahin nicht allzu viel Geld zu verlieren. Zuletzt hatte Rocket beim Lebensmittellieferdienst Bonativo die Reißleine gezogen. Dabei beschränke sich Rocket auf jene Felder, die schon jetzt erfolgreich im Internet sind: den Verkauf von Essen, Möbeln und Kleidung.

Zum zweiten Mal hat Rocket - die Internetfirma, auf die alle in der Berliner Gründerszene und darüber hinaus schauen - zu seiner Hauptversammlung geladen. Diesmal nicht in einen stickigen Raum am Bahnhof Zoo, sondern in seine neue Zentrale im Zentrum der Hauptstadt: holzvertäfelte Wände, Pfeiler aus Sichtbeton, wenn auch alles noch ein bisschen provisorisch. Ende August will das Unternehmen hier einziehen.

Ein veritabler Richtungsstreit

Rocket Internet hat alles andere als ein erfolgreiches Jahr hinter sich. Der Aktienkurs hat sich seit dem Börsengang vor knapp zwei Jahren halbiert. Eine der größten Hoffnungen im Rocket-Portfolio, der Essensboxlieferant HelloFresh, musste seine eigenen Börsenpläne kurzfristig abblasen. Und dann hat sich auch noch der wichtigste Investor Kinnevik aus dem Aufsichtsrat verabschiedet. Erstmals äußern sich die Schweden auf der Hauptversammlung zu den Hintergründen: Weil Rocket Internet zunehmend selbst zu einem Investor werde, sehe man mögliche Konflikte mit dem eigenen Geschäft, sagt Kinnevik-Chef Lorenzo Grabau.

Tatsächlich verbirgt sich dahinter ein veritabler Richtungsstreit: Will Rocket ein Investor sein, der bloß Geld gibt - oder eine Start-up-Fabrik, die selbst Internetunternehmen produziert? Zuletzt deutete einiges darauf hin, dass sich Rocket auf die Rolle eines Geldgebers konzentrieren will. Beim Berliner Lieferservice Delivery Hero, in den Rocket rund 500 Millionen Euro investierte, hat Samwer keinen nennenswerten strategischen Einfluss. Delivery Hero wehrt sich vehement dagegen.

Demut ist nicht so ganz seine Sache

Den Aktionären gegenüber übt sich Oliver Samwer auf der Hauptversammlung in Zurückhaltung. 2016 werde man alles daran setzen, die Beteiligungen des Unternehmenskosmos zumindest in die Nähe schwarzer Zahlen zu führen. Ende 2017 sollen mindestens drei der größeren Firmen die Gewinnschwelle erreichen, kündigt Samwer an. Schließlich wisse man, dass man mit dem Geld der Investoren verantwortungsvoll umgehen müsse. "Profitabilität ist sehr, sehr wichtig. Wir sind auf dem Weg dahin", sagt er. Außerdem verspricht er, die Transparenz zu erhöhen. Bislang hatte Rocket die Kennzahlen seiner Beteiligungen nur sehr spärlich öffentlich gemacht, sodass selbst Kennern nicht klar war, wie es um diese steht. "Aber auch das hat seine Grenzen", so Samwer.

Auch in anderer Hinsicht gibt sich Samwer geläutert: Zu Börsenplänen seiner Start-ups werde er sich nicht mehr äußern. Selbst wenn diese womöglich bereit für einen Gang an den Kapitalmarkt seien: "Wenn kein Wind weht, macht es keinen Sinn rauszufahren." Mit anderen Worten: Die Märkte seien zu unvorhersehbar. Dies hatte HelloFresh Ende 2015 schmerzvoll erfahren.

Dass Demut trotz allem so ganz seine Sache nicht ist, hatte Samwer erst gestern auf einer Internetkonferenz unweit der neuen Rocket-Zentrale bewiesen. Zum schlechten Aktienkurs hatte er da in gewohnter Manier erklärt: "Den Kurs schaue ich mir alle zwei Wochen an, wenn mir langweilig ist und ich in einer Schlange warte."

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