Rocket-Internet-Tochter Hello Fresh liefert in die Schweiz

Seinen Börsengang sagte Hello Fresh ab, nun sendet Rocket Internets Hoffnungsträger wieder Lebenszeichen: Das Kochboxen-Start-up expandiert in die Schweiz - und verteidigt sein Geschäftsmodell gegen Kritik.
Hello-Fresh-Chef Dominik Richter

Hello-Fresh-Chef Dominik Richter

Foto: HelloFresh

Wer in den vergangen Monaten mal durch den Hauptbahnhof in Berlin oder Hamburg gelaufen ist, ist ihnen fast sicher begegnet: den Hello Fresh-Flyerverteilern in hellgrünen T-Shirts, die Reisenden einen Gutschein für eine Kochbox des Berliner Start-ups in die Hand drücken.

Für den Rabattcoupon bekommt man zum vergünstigten Preis eine Kiste mit Zutaten für mehrere Mahlzeiten, die man selbst zubereitet. Anders als Essenlieferplattformen wie Lieferheld oder Lieferando richtet sich Hello Fresh an Kunden, die zwar selbst gern kochen, aber das Einkaufen lieber anderen überlassen.

Bald wird man Hello-Freshs-Werbetrommlern wohl auch in Zürich oder Basel begegnen. Wie SPIEGEL ONLINE erfuhr, liefert Hello Fresh seine Kochkisten ab kommender Woche auch in der Schweiz. Für den Essenslieferanten, der mehrheitlich dem Berliner Start-up-Konzern Rocket Internet gehört, ist die Expansion das erste größere Lebenszeichen seit dem abgesagten Börsengang im vergangenen November.

Rocket Internet und andere Investoren hatten die Bewertung von Hello Fresh im vergangenen Jahr in einer einzigen Finanzierungsrunde auf 2,6 Milliarden Euro mehr als vervierfacht und danach den Börsengang (IPO) des Essenslieferanten forciert.

Der war aber schiefgegangen: Nur wenige Wochen nach der Ankündigung sagte Hello-Fresh-Chef Dominik Richter die Erstnotiz seiner Firma wieder ab und verwies auf das schwierige Marktumfeld für Börsengänge von Wachstumsunternehmen.

Laut übereinstimmenden Medienberichten zu der Zeit hatte aber auch Rocket-Internet-Chef Oliver Samwer seinen Anteil an dem gescheiterten IPO: Er soll einen noch höheren Preis für seine Hello-Fresh-Anteile angestrebt haben, was die Börse nicht goutierte und zudem einen Konflikt mit Rocket-Internet-Großinvestor Kinnevik auslöste.

"Verantwortung gegenüber unseren Investoren"

Dennoch ist Hello Fresh weiter einer der größten Hoffnungsträger im Hause Rocket. Wohl auch dank seiner aggressiven Werbung ist die Firma bemerkenswert schnell gewachsen: Im dritten Quartal 2015 lieferte das Berliner Unternehmen weltweit an mehr als 500.000 Kunden - eine Verfünffachung des Kundenstamms binnen eines Jahres. Der Umsatz soll 2015 von 70 auf 300 Millionen Euro gestiegen sein.

Profitabilität spielt bei dem 2011 gegründeten Unternehmen bislang noch keine Rolle. Im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE verwehrt sich Gründer Dominik Richter aber gegen den Vorwurf, sein Wachstum durch teure Marketing-Aktionen aufzublasen: "Lediglich ein sehr niedriger Prozentsatz unserer aktiven Kunden sind Aktionskunden. Der Rest zahlt den vollen Preis."

Richter will mit Hello Fresh eine globale Nahrungsmittelmarke aufbauen. Als seinen zu erobernden Markt sieht Hello Fresh nicht etwa die Restaurant- oder Lieferdienstbranche, sondern den gesamten Markt für Nahrungsmittel. Als eines der wenigen Rocket-Unternehmen ist Hello Fresh auch in den USA aktiv - ein Markt, auf den sich Oliver Samwers Beteiligungsholding normalerweise nicht traut.

Fraglich ist für Beobachter allerdings, ob das Kundenpotenzial von Hello Fresh tatsächlich über gestresste Großstädter mit einer Neigung zu gesunder Ernährung hinausreicht - oder ob Investoren hier Millionen in ein Nischengeschäft stecken? Laut Richter liefert Hello Fresh aber schon an Kunden in kleineren Städten und auf dem Land: "Die Verteilung unserer Kunden in Deutschland entspricht etwa der Bevölkerungsverteilung."

Ein baldiger Börsengang wäre vor allem für die Konzernmutter Rocket Internet wichtig. Oliver Samwer braucht Erfolgsgeschichten, um den anämischen Aktienkurs seines Sammelsuriums an Internet-Geschäften wieder anzutreiben. Neben der Essenslieferplattform Delivery Hero erscheint Hello Fresh als einzige Beteiligung, die in diesem Jahr noch börsenreif werden könnte.

Drängen lassen will sich Richter offenbar nicht, bei jeder Gelegenheit betont er die Unabhängigkeit von Rocket und seinem fordernden Chef Oliver Samwer. Auf seiner Agenda bleibt der IPO aber trotzdem: "Wir haben auch eine Verantwortung gegenüber unseren Investoren. Dafür wäre der Börsengang gut gewesen", sagt er.

Nur auf einen Zeitpunkt will er sich aktuell nicht mehr festlegen: "Wir sind aber gut finanziert und können, wenn wir Kapitalbedarf haben, auch eine weitere Finanzierungsrunde machen."

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