Börsengang von Rocket Internet Diese Firma soll mehr wert sein als die Lufthansa

Am Donnerstag geht Oliver Samwers Firma Rocket Internet an die Börse. Die Papiere sind mehrfach überzeichnet - obwohl das Unternehmen als undurchsichtig und defizitär gilt. Was ist dran an der Kritik, welche Risiken gehen Anleger ein? Die Analyse in Grafiken.
Logo von Rocket Internet: Euphorie der Anleger hält nach Alibaba-Debüt an

Logo von Rocket Internet: Euphorie der Anleger hält nach Alibaba-Debüt an

Foto: DADO RUVIC/ REUTERS

Rocket Internet soll die größte Internet-Plattform außerhalb der USA und China werden - dieses Ziel hat Gründer und CEO Oliver Samwer für den Internet-Inkubator ausgegeben. Mit dem anstehenden Börsengang sollen mehr als 1,6 Milliarden Euro frisches Kapital eingesammelt werden. Schon eine Stunde nach Beginn der Zeichnungsfrist für die Rocket-Aktie waren nach Bankangaben die Orderbücher einmal gefüllt. Nach dem Rekord-Börsengang des Onlineriesen Alibaba in New York hält die Euphorie der Anleger an - davon profitiert nun auch der weit verzweigte Börsenaspirant Rocket. Das Geschäftsmodell dahinter: Rocket produziert Start-ups nach dem Baukastensystem, oft nach bereits erfolgreich laufenden Vorbildern, und exportiert sie in Schwellenländer. Das Kopieren von Businessideen wird häufig kritisiert und hat den Brüdern den Ruf der Copycats eingebracht.

Foto: SPIEGEL ONLINE

Die Finanzen

Mit Zalando ging am 1. Oktober ein Rocket-Ableger an die Börse, Rocket selbst folgt nur einen Tag später. Der Inkubator war zwar vor einem Jahr bei dem E-Commerce-Unternehmen ausgestiegen, die Samwer-Brüder sind weiter über ihren Global Capital Fund an Zalando beteiligt. Zalando schaffte es kurz vor dem Börsengang noch, in die schwarzen Zahlen zu rutschen, wenn auch knapp. Anders Rocket: In den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres machte das Berliner Unternehmen 13,3 Millionen Euro Verlust.

Foto: SPIEGEL ONLINE

Die Eigentümer

Fast ein Viertel von Rocket Internet soll an der Börse platziert werden. Das verwässert die Anteile der bisherigen Anteilseigner - und führt zu einer Zäsur: Die Samwer-Brüder Marc, Oliver und Alexander, die Rocket ab 2007 gemeinsam aufbauten und damit von Gründern zu Investoren wurden, verlieren durch den Schritt ihre Mehrheit bei Rocket. Ihr Anteil sinkt von gut 52 auf knapp 40 Prozent.

Foto: SPIEGEL ONLINE

Die Beteiligungen

Die wichtigsten jungen Unternehmen unter dem Rocket-Dach - im Börsenprospekt eingeteilt in "Proven Winners" und "Ermerging Stars" - schrieben im vergangenen Jahr Verluste. Den Wert seiner elf größten Beteiligungen beziffert Rocket mit fast 4,5 Milliarden Euro. Die Anteile des Inkubators an den elf "Proven Winners" liegt dabei zwischen 21,4 und 49,5 Prozent. Als wertvollstes Start-up unter den Beteiligungen von Rocket Internet gilt der in Südamerika aktive Modehändler Dafiti. Er wird insgesamt mit 778 Millionen Euro bewertet, auf den Rocket-Anteil entfielen davon 177 Millionen Euro. Im vergangenen Jahr verzeichnete er einen Verlust von 67 Millionen Euro. Zu den kleineren Firmen im Portfolio der Start-up-Schmiede wurden auch im Börsenprospekt keine Finanzdaten veröffentlicht.

Foto: SPIEGEL ONLINE

Der Börsengang

Ursprünglich wollte Rocket am 9. Oktober an die Börse gehen, zog den Starttermin aber kurz nach Ausgabe des Börsenprospekts um eine Woche vor. Als Grund nannte die Firma die außergewöhnlich hohe Nachfrage von Investoren. Für die Aktien war zuvor eine Preisspanne von 35,50 Euro bis 42,50 Euro gesetzt worden. Wird das Papier zu dem Maximalpreis erstmalig gehandelt, würde Rocket einen Börsenwert von etwa 6,7 Milliarden Euro ansteuern - und wäre damit mehr wert als Dax-Unternehmen wie die Lufthansa. Rocket selbst gibt den Wert seiner Firmenbeteiligungen mit 2,6 Milliarden Euro an, der Rest sei mit dem Wert der Plattform an sich begründet. Diese Rechnung wird von Experten kritisch gesehen. Ebenso wie die Entscheidung, dass Rocket sein Börsendebüt, immerhin das größte in Deutschland seit sieben Jahren, nicht im Prime- sondern im Entry Standard geben wird. Damit entfällt etwa die Pflicht, Quartalszahlen zu veröffentlichen.

Foto: SPIEGEL ONLINE
Foto: SPIEGEL ONLINE

Die Risiken

Im Börsenprospekt von Rocket Internet  werden mehr als 50 Risiken für die künftigen Anleger aufgeführt. Darunter diese:

  • "Nahezu alle unsere Unternehmen weisen eine begrenzte Historie ihrer Geschäftstätigkeit auf, machen derzeit bedeutende Verluste und verfügen über einen negativen operativen Kapitalfluss, erfordern einen hohen Kapitaleinsatz und werden möglicherweise nie gewinnbringend oder zahlungsmittelgenerierend sein."

  • "Aufgrund unserer weltweiten Expansion, insbesondere in eine große Anzahl von Schwellenländern, sind wir politischen, wirtschaftlichen, rechtlichen sowie sonstigen Risiken und Unsicherheiten ausgesetzt."

  • "Die Emittentin [Rocket Internet AG, Anm. d. Red.] wurde von Oliver Samwer, dem derzeitigen Vorstandsvorsitzenden der Emittentin, mitgegründet und ist weiterhin auf seine Führung angewiesen. Interessenkonflikte zwischen Oliver Samwer und uns können entstehen, und es kann keine Garantie dafür übernommen werden, dass Oliver Samwer uns weiterhin seine Zeit und seinen Arbeitseinsatz widmet."

Fazit: Wer Aktien von Rocket Internet kauft, setzt allein auf die versprochenen Wachstumsperspektiven. Die Substanz des Unternehmens kann die hohe Bewertung nicht annähernd rechtfertigen. Eine Geldanlage nur für Zocker.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten