Rücktritt von HRE-Chef Wieandt Brav gescheitert

Ex-HRE-Chef Wieandt: Spross einer Bankerfamilie
Foto: DDPMünchen - Es soll schon Wetten gegeben haben, wie lange er es noch aushält auf dem heißen Stuhl: Der Job als Chef der krisengeschüttelten Hypo Real Estate (HRE) galt von Anfang an als Himmelfahrtskommando, schon als Axel Wieandt ihn im Oktober 2008 übernahm.
Trotzdem kommt sein Abgang reichlich überstürzt: Wieandt verlässt die HRE mit sofortiger Wirkung.
Die Nachricht kam am Donnerstagnachmittag, keine 24 Stunden vor der Bilanz-Pressekonferenz in München, die am Freitag um 9.30 Uhr beginnen soll. Der Hintergrund laut offizieller Mitteilung des SoFFin, dem die HRE seit ihrer Verstaatlichung gehört: "Unterschiedliche Auffassungen bezüglich der Geschäftsleitung."
"Bedauern" drückt der Bankenrettungsfonds über den überstürzten Abschied aus. Wieandt sagt zunächst gar nichts. Trotzdem sieht es danach aus, als hätte er das Handtuch geschmissen. Nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen soll es Differenzen über Risikofragen gegeben haben. Zudem gab es wohl Streit um die Vergütung für die Mitarbeiter des Immobilienfinanzierers.
Schon im vergangenen Jahr hatte Wieandt reichlich Kritik bei den früheren Anlegern und in der Öffentlichkeit geerntet, weil er eine Prämie von einer halben Million Euro zusätzlich zu seinem Gehalt einstrich. Das Absurde: Im Zuge der Verstaatlichung hatte der Banker zuvor einem neuen Vertrag zugestimmt und dabei schmerzhafte Abstriche gemacht. Sein Gehalt wurde auf 500.000 Euro gedeckelt, Wieandt verzichtete außerdem auf bereits zugesagte Pensionszahlungen in Millionenhöhe. Doch die Sonderprämie sorgte für mächtig Ärger. Immerhin sollte sie von einer Bank gezahlt werden, die die Steuerzahler mit fast 100 Milliarden Euro stützten.
Braves Aussehen, harter Kern
Dass Wieandt für solche symbolischen Fragen nicht unbedingt Verständnis aufbringt, kann man sich vorstellen. Zwar gilt der brav aussehende 43-Jährige mit dem Seitenscheitel und der braunen Schülerbrille aus Horn als freundlicher Typ. Doch er ist auch Spross einer Bankerfamilie. Wieandts Vater Paul war Chef und Sanierer der Bank für Gemeinwirtschaft (BfG), galt als Graue Eminenz des deutschen Kreditwesens schlechthin. Seine Schwester Dorothee ist Partnerin bei der Investmentbank Goldman Sachs und verheiratet mit Commerzbank-Chef Martin Blessing. Wieandts jüngerer Bruder Carl ist mittlerweile Partner bei der Unternehmensberatung McKinsey.
Und Wieandt selbst galt vor seinem Wechsel zur HRE als eines der großen Talente der Bankenszene. Ab Mai 1993 arbeitete er bei McKinsey in Düsseldorf und Boston, später ging er nach London zur US-Investmentbank Morgan Stanley . Im April 1998 kam er zur Deutschen Bank , wo er zunächst die Konzernplanung leitete und sich dann zum Strategieberater von Josef Ackermann hocharbeitete.
"Bewährungsprobe für höhere Weihen"
Der Job bei der HRE sollte eigentlich ein Karrieresprungbrett sein, so munkelt man in der Finanzbranche. "Der Posten war eine Bewährungsprobe für höhere Weihen", schätzt Dieter Hein vom unabhängigen Analysehaus Fairesearch. Ackermann soll Wieandt persönlich als Feuerwehrmann zur HRE geschickt haben, als diese unterzugehen drohte.
Hochriskante Spekulationsgeschäfte der irischen Staatsfinanzierungstochter Depfa hatten die HRE mehrfach an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Wieandt sollte die HRE mit seinem Team gesund schrumpfen.
Den Anfang hat der Banker zweifellos gemacht: Die HRE wurde verstaatlicht - und Wieandt spielte auf einer turbulenten Hauptversammlung geduldig den Prügelknaben für die empörten Aktionäre, obwohl er für das Desaster nichts konnte. Anschließend stutzte er das Geschäft des Finanzinstituts ordentlich zusammen.
Die als zukunftsträchtig erachtete Immobilien- und Staatsfinanzierung in Europa bündelte er in der HRE-Tochter Deutsche Pfandbriefbank, die mittlerweile noch ein Volumen von rund 130 Milliarden Euro hat. Etwa ein Drittel der einstigen Größe. Wie die WestLB will die HRE zudem ganze Geschäftsbereiche sowie toxische Wertpapiere in eine "Bad Bank" auslagern. In die Abwicklungsanstalt soll ein Volumen von bis zu 210 Milliarden Euro eingebracht werden.
"Die HRE ist mehr als pleite"
Trotzdem stehen der HRE noch knallharte Zeiten bevor. Vor dem Landgericht München sind zahlreiche Schadensersatzklagen von wütenden Ex-Aktionären anhängig. Und Finanzkreisen zufolge hat sich der Vorsteuerverlust der Bank zwar in Wieandts Zeit auf weniger als 2,5 Milliarden Euro halbiert. Schwarze Zahlen aber erwartet die Bank frühestens 2012. Wenn sie überhaupt überlebt. "Die HRE ist mehr als pleite", sagt etwa Analyst Hein. Er ist überzeugt, der Immobilienfinanzierer werde demnächst unauffällig "abgewickelt". Der Rest des überlebensfähigen Kerngeschäfts "wird irgendwann verkauft", glaubt Hein. "Wenn es noch jemand will."
Für die Bank ist der Zeitpunkt von Wieandts Abgang also ziemlich ungünstig. Einen Nachfolger von außerhalb zu finden dürfte schwierig werden, sagt Analyst Hein. "Das ist ein Job mit absehbarer Verweildauer." "Bis auf weiteres" soll nun Manuela Better den Posten übernehmen. Die 49-Jährige ist seit 2003 bei dem Institut und seit 2009 für das Risikomanagement der Bank verantwortlich.