Angebliche Diskriminierung Russische Verbraucher wollen Westkonzerne verklagen

Geschlossene H&M-Filiale in Sankt Petersburg
Foto: APKonzerne aus dem Westen und Japan sehen sich in Russland einer bizarr anmutenden Klagewelle gegenüber. Die Firmen, die nach Beginn des Angriffs Russlands auf die Ukraine ihr Geschäft in Russland weitgehend eingestellt haben, werden von russischen Anwälten und Organisationen vor Gericht gezerrt. Betroffen ist nach russischen Medienberichten unter anderem der schwedische Modekonzern H&M.
Laut der Nachrichtenagentur »Tass« hat der Anwalt Dmitrij Katschan eine Klage auf Schadensersatz eingereicht. Er fordere diesen als Ausgleich für erlittene »emotionale Schäden«, und zwar in Höhe von 700.000 Rubel, umgerechnet sind das etwa 12.000 Dollar. Er halte die Schließung der Läden des Konzerns sowie des Onlineshops für eine »Diskriminierung aller Bürger der Russischen Föderation«, zitiert »Tass« den Juristen. Wie aus der Klageschrift hervorgeht, habe er vergeblich versucht, im Internetshop von H&M einzukaufen. Dort seien Waren als »verfügbar« angezeigt und mit Rubelpreisen ausgezeichnet gewesen.
»Lieber unseren verrückten Diktator hinterfragen«
Als er den Kauf abschließen wollte, habe es allerdings geheißen, dies sei temporär in seiner Heimatregion nicht möglich. Dabei handele es sich um lebensnotwendige Waren des täglichen Gebrauchs. Niemand habe das Recht »Menschen in ihren Rechten zu beschneiden, unabhängig von ihrer nationalen Zugehörigkeit«. Für H&M könnte der Fall tatsächlich juristische Folgen haben. Laut »Tass« hat ein Gericht in Russlands Fernem Osten eine Verhandlung der Vorwürfe am 29. Juni angeordnet. H&M beantwortete eine Bitte um eine Stellungnahme nur allgemein mit dem Hinweis auf eine Pressemitteilung vom 2. März, in der es um die »temporäre Einstellung« der Verkäufe in Russland geht (hier geht es zu dem Dokument ). Darüber hinaus könne das Unternehmen keine Auskünfte geben.
Das ist kein Einzelfall. In den Fokus russischer Kläger sind auch viele internationale Autokonzerne gerückt, die nach Kriegsbeginn ihre Auslieferungen in Russland gestoppt hatten. So hat eine Organisation namens »Vereinigte Verbraucher Initiative« (OPI) angekündigt, juristisch gegen Volkswagen, Mercedes, Toyota und andere Hersteller vorzugehen. Die Autobauer hätten »ungesetzlich die Lieferungen ihrer Autos, Ersatzteile und Komponenten eingestellt«, heißt es in der Beschwerde. Folge sei, dass die Rechte russischer Verbraucher verletzt seien, unter anderem jene auf »kostenlose Behebung von Produktionsfehlern, Ersatz des Fahrzeugs sowie auf Wartung und Reparatur«.
Bemerkenswert an dem Vorgang ist auch die Tatsache, dass der Auslöser für den Verkaufsstopp nicht erwähnt wird: der Angriff auf die Ukraine. Im Internet sorgte das auch für Spott: Offenbar funktioniere bei den Verantwortlichen das Verständnis von »Ursache und Wirkung« nicht richtig, spottet ein russischer Nutzer. Statt »Forderungen an private ausländische Firmen zu stellen sollten wir anfangen, die Regierung unseres Landes und den verrückten Diktator zu hinterfragen«.