Russischer Oligarch über Ex-RWE-Chef "Es war Verrat"

Der russische Oligarch Lebedew fühlt sich wegen eines geplatzten Geschäfts mit RWE geprellt. Seine Klage gegen den Konzern wies das Essener Landgericht jüngst zurück. Im Gespräch geht der Kläger Ex-RWE-Chef Jürgen Großmann scharf an.
RWE-Zentrale in Essen: "Ich hätte nie gedacht, dass das Geschäft scheitern könnte"

RWE-Zentrale in Essen: "Ich hätte nie gedacht, dass das Geschäft scheitern könnte"

Foto: Bernd Thissen/ dpa

Der russische Oligarch Leonid Lebedew wollte RWE und dessen Ex-Chef Jürgen Großmann vor dem Essener Landgericht auf Schadensersatz verklagen, weil er sich von dem Konzern und dem Manager verraten fühlt: 2008 wollten Lebedews Unternehmen Sintez und RWE gemeinsam die staatliche russische Energiefirma TGK-2 kaufen - doch kurz vor Abschluss des Geschäfts stieg RWE aus. Sintez stemmte das Geschäft alleine und ging laut Lebedew daran fast pleite. Die Schadensersatzforderungen der Russen an RWE belaufen sich auf 875 Millionen Euro.

Vergangenen Dienstag wies das Landgericht die Klage gegen den Konzern ab, die gegen Großmann sei dagegen zulässig.

Im Folgenden schildert Lebedew seine Sicht der Dinge. RWE wollte zu den Vorwürfen nicht Stellung nehmen.

SPIEGEL ONLINE: Herr Lebedew, Sie wollen RWE und dessen ehemaligen Chef Jürgen Großmann verklagen. Das Landgericht Essen hat nun aber nur die Klage gegen Großmann zugelassen, die gegen RWE jedoch nicht - weil ein Londoner Schiedsgericht Ihre Forderung bereits zurückgewiesen hat.

Lebedew: Wir sind froh, dass das Gericht die Klage gegen Herrn Großmann als zulässig anerkannt hat und dass wir unsere Position beweisen und unsere Rechte geltend machen werden können. Wir sind jedoch nicht mit der Entscheidung einverstanden, die Zulässigkeit der Klage gegen RWE abzulehnen, und planen nach sorgfältigem Studium des Urteils, Berufung einzulegen, um in der zweiten Instanz das Gericht doch zu überzeugen, die Klage anzunehmen.

SPIEGEL ONLINE: Wofür fordern Sie Schadensersatz?

Lebedew: Für die Schädigung meines Rufs. Und für die Beinahe-Pleite des Unternehmens. Wir haben damals die Aktien nach Absprache mit RWE im Interesse des Joint Ventures erworben. Wir zahlten den gesamten Kaufpreis, hauptsächlich auf Kosten eines Bankenkredits. Dabei hatte sich RWE zusammen mit uns gegenüber dem staatlichen Stromkonzern UES bereits als Mehrheitspartner im gemeinsamen Projekt vorgestellt. Darauf haben UES, die Politik und wir vertraut. Dieses Vertrauen wurde seitens RWE enttäuscht, die Folgen haben aber wir zu tragen. RWE sitzt ja in Deutschland. Als das Geschäft platzte, fühlte ich mich, als habe man mir in den Kopf geschossen. Als wäre ich nur noch am Leben, weil die Kugel zwischen meinen beiden Gehirnhälften hindurchgegangen ist.

SPIEGEL ONLINE: Was genau ist passiert?

Lebedew: Ende 2007 erfuhr ich von einem befreundeten Banker, dass im Rahmen der Privatisierung des damals zum großen Teil staatlichen russischen Energiesektors auch die Energiefirma TGK-2 versteigert werden sollte. Und dass RWE dafür einen Partner suchte. TGK-2 passte gut in unser Portfolio, auch kannte ich den damaligen Firmenchef. Er hat mich mit RWE zusammengebracht. Zusammen mit einigen Sintez-Managern fuhr ich damals nach Essen. Herr Großmann hat mich dann ziemlich hofiert.

SPIEGEL ONLINE: Inwiefern?

Lebedew: Der geschäftliche Teil war nach fünf Minuten erledigt. Danach tauschten wir uns eine Stunde über unsere Hobbys aus. Großmann versuchte mich zu überreden, an einem Oldtimer-Rennen teilzunehmen. Es sei ein Elite-Rennen, sagte er. Große Stars, die besten Köche, solche Dinge. Das war ihm wichtig.

SPIEGEL ONLINE: Ihnen nicht so?

Lebedew: Ich gebe zu, ich fühlte mich geschmeichelt. Großmann bot mir dann noch an, mit einem seiner Oldtimer das Rennen zu fahren.

SPIEGEL ONLINE: Warum also gab es Streit?

Lebedew: Wenige Tage vor der Auktion wurde RWE plötzlich unzufrieden damit, dass die Aktien von TGK-2 per Vorkasse bezahlt werden mussten und dass das Aktienpaket uns in mehreren Teilen übergegeben werden sollte. Dabei waren das alles Bedingungen, die von Anfang an in den Auktionsregeln standen und die RWE bekannt waren. In Russland ist das durchaus übliche Praxis. Aber RWE gefiel das auf einmal nicht.

SPIEGEL ONLINE: Verständlich.

Lebedew: Vielleicht. Aber an diesen vorgegebenen Zahlungsmodalitäten ist das Projekt letztlich nicht gescheitert. Sintez und RWE haben dann beschlossen, Kores Invest, eine Gesellschaft der Sintez-Gruppe, zu benutzen, die zuerst das ganze Paket kaufen sollte und es später an das Joint Venture von RWE und Sintez übergeben würde. Kores Invest nahm für die Vorauszahlung einen Kredit über 600 Millionen Euro bei der Sberbank auf und zahlte damit für die Aktien. RWE sollte uns seinen Anteil an der Kaufsumme nach Erhalt der Aktien zurückzahlen. Nur, schriftlich abgesichert haben wir uns nicht. Das war ein Fehler.

SPIEGEL ONLINE: Warum haben Sie sich nicht abgesichert?

Lebedew: Ich hätte nie gedacht, dass das Geschäft scheitern könnte. Wir wollten für das Geschäft sogar bei einer europäischen Bank einen Kredit aufnehmen und vereinbarten eine Klausel, laut der RWE alle unsere Anteile bekommen hätte, falls wir den Kredit nicht zurückzahlen können. Es war immer klar, dass RWE der wesentliche Bieter war. RWE saß spätestens seit der Gebotsabgabe zum Anteilserwerb mit im Boot. Der genaue Gebotspreis war uns von RWE sogar vorgegeben worden.

In dieser Zeit erschien auch ein Bericht im "Handelsblatt". Titel: "Russen tricksen RWE aus". Offenbar strebe Sintez die alleinige Kontrolle an, anders lasse sich das Verhalten bei den Verhandlungen mit RWE kaum mehr interpretieren, heißt es darin.

SPIEGEL ONLINE: Das "Handelsblatt" schrieb, Sie wollten RWE austricksen.

Lebedew: Nein. Das ist falsch. Als ich von diesem Artikel erfahren hatte, flog ich gleich nach Hamburg, um mich mit Großmann zu treffen und ihn zur Rede zu stellen. Er sagte nur, die Presse könne schreiben, was sie wolle. Wir haben zusammen alle unsere vorherigen Vereinbarungen und Pläne wieder bestätigt. Und schon im September, kurz vor dem geplanten Datum der Unterzeichnung des Vertrags in seiner endgültigen Fassung, feierten wir mit RWE-Vorständen die ganze Nacht, weil der Deal doch noch geglückt war.

SPIEGEL ONLINE: Am nächsten Tag sagte RWE dann ab.

Lebedew: Ja. Großmann rief mich an. Ich gratuliere, Leonid, sagte er, endlich sind wir fertig. Was ich dir aber noch mitteilen wollte, fuhr er fort: RWE tritt von dem Geschäft zurück. Er sagte mir, es sei seine Entscheidung gewesen - damit meinte er offensichtlich, dass es einen entsprechenden Vorstandsbeschluss gegeben hatte. Das glaube ich nicht, denn er hat ihn bislang nie vorgelegt. Ich bin überzeugt davon, dass er eigenmächtig gehandelt hat.

SPIEGEL ONLINE: Mit welcher Begründung?

Lebedew: Er sagte, die Abwicklung des Deals habe ihm zu lange gedauert; und dazu habe RWE noch plötzlich Probleme mit Asbest auf den Kraftwerken von TGK-2 gefunden. Ich glaube aber, Großmann wollte uns in die Pleite treiben, um die Aktien von TGK-2 billiger zu bekommen. Denn für den Kredit bei der Sberbank hatte die Sintez nicht nur das komplette Aktienpaket hinterlegt, sondern auch noch weitere Papiere im Wert von gut 300 Millionen Euro. Wäre Sintez pleitegegangen, hätte RWE das Aktienpaket für 300 Millionen Euro bekommen.

SPIEGEL ONLINE: RWE gab seinerzeit eine andere Begründung. Grund seien der hohe Kaufpreis und die Unsicherheit an den Aktienmärkten gewesen.

Lebedew: Was auch immer der wahre Grund gewesen sein mag. Es war Verrat.

SPIEGEL ONLINE: Sie bezeichnen Großmann als Verräter?

Lebedew: Verrat ist oft nur eine kurze Episode im Leben eines charakterlich schwachen Menschen. Auch Judas war sein Leben lang Apostel, dann plötzlich hat er Jesus verraten. Immerhin: Im Gegensatz zu Jürgen Großmann hat Judas nicht gelogen.

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